Lieber Zeuge, da sprichst du ein Problem an, dass auch ich persönlich so sehe, und dem ich nur absolut zustimmen kann. Aber ich glaube auch hier spielt die Furcht des Einzelnen eine große Rolle. Zum einen sehe ich sehr oft das Problem, dass viele ihren Partner nicht enttäuschen wollen. Dabei ist dieser Gedanke eigentlich befremdlich, wenn man bedenkt, dass der enttäuschende die Klarstellung ablehnt um seinem Partner die bequeme aber falsche Illusion zu lassen. Aus diesen Gründen aber glaube ich auch, dass viele Menschen sich selbst gegenüber unehrlich sind bis hin zur Selbstverleugnung, weil sie Angst haben dem Anspruch des anderen nicht gerecht zu werden oder weil sie glauben bestimmte Vorgaben erfüllen zu müssen und es ihnen leichter fällt eine Phantsie lieben zu lassen, als ihre wahre Natur mit dem Gegenüber zu konfrontieren (ganz abgesehen davon, dass es auch leichter ist jemanden an eine Fiktion seiner selbst heranzulassen als an das wirklichste Selbst).
Auf der anderen Seite denke ich, dass viele Religionen mit sehr strengen moralischen Forderungen ihre Gläubige in eine ähnliche Situation bringen, in denen sie eher ihr eigenes Selbst bzw. sich selbst gegenüber ihre eigenen Wünsche verleugnen, als Gefahr zu laufen Gott vermeintlich nicht zu genügen. Solange aber jemand mit Blick auf einen umfangreichen Verhaltenskatalog in der Furcht lebt Gott nicht gerecht zu werden, ist es m.E. schwer eine offene Beziehung zu Gott zu führen. Man kann natürlich behaupten, dass in Bezug auf Gott solch ein Verhalten nicht vorkommt, weil wir rational betrachtet ja wissen, dass Gott sich nicht täuschen läßt. Angst ist aber ein emotionales Phänomen und läßt sich durch solche rationalen Überlegungen nicht beirren und wir stehen m.E. auch nicht so deutlich unter rationalem Diktat, wie wir es gerne hätten. Die naheliegenste Konsequenz wird also sein, dass in einem solchen Fall viele dazu neigen sich selbst in noch viel stärkerem Mase zu verleugnen, als sie es in einer Beziehung zu einem Mitmenschen tun würden. Und insofern kann ich persönlich hier auch KindGottes nur recht geben (ohne ihm diese Gedanken in den Mund legen zu wollen), solange wir uns vor Gott fürchten, ist es schwierig Gott wirklich zu lieben - und zwar nicht weil wir Gott nicht annehmen könnten, sondern (man verzeihe mir die etwas kindliche Umschreibung) weil wir es "nicht aus ganzem Herzen" tun. Und abgesehen davon, warum sollte es überhaupt von Vorteil sein, sich vor Gott zu fürchten?
Wie mir scheint vermischen sich hier zwei Fragen... 1. Ist es möglich die Bibel zu reduzieren (so lautete die Themenüberschrift) und 2. ist es möglich Gottes Erwartung an den Menschen "auf den Punkt zu bringen". Ein Zusammenziehen dieser beiden Fragen ist m.E. nur dann zulässig, wenn ich die Bibel als alleinige Autorität in Hinblick auf Gottes Erwartungen sehe - und diese Grundannahme würden sicherlich nicht alle hier mitgehen wollen. Ich empfehle daher eine getrennte Beantwortung.
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