@Zeuge
Das ist nicht wahr. Der Ausdruck „so wie er Gott ist“ ist lediglich der Erkenntnis geschuldet, dass Gott dieser Welt transzendent ist und also unerkennbar für alles kreatürliche Denken und Schauen.Der Ausdruck "so wie er Gott ist" dient doch nur dazu, alle seine Offenbarungen zu leugnen. Da der Mensch nicht weiß wie Gott ist, so wie er Gott ist, kann man mit dieser Phrase alles ablehnen b.z.w. leugnen, was den Anspruch erhebt, eine Offenbarung Gottes zu sein. Der Unglaube im Mantel der Theologie.
Das, was Du Gottesoffenbarungen nennst, sind keine sicheren Erkenntnisse über Gott, die der Mensch von nun an besitzen würde und entsprechend in die Welt als positive „Gotteserkenntnisse“ hinaustragen könnte, sondern auch diese höchsten Erkenntnisse sind letztlich konstruiert, gehören der geschaffenen und substanzlosen weltlichen Struktur an, die wir als real erleben und entsprechend als Realität benennen, die aber in meiner Vorstellung nicht real sind.
Ich darf kurz erläutern:
In den Neurowissenschaften hat man in den letzten Jahren erstaunliches und auch durchaus befremdliches festgestellt. Das die Welt keine Farben hat, habe ich hier an anderen Stellen schon immer wieder mal gesagt, möchte es jetzt dann aber doch noch mal betonen.
Wenn Du Dich lieber Zeuge nun in Deinem Raum umblickst und an all den zahlreichen Gegenständen um Dich herum Farben wahrnehmen solltest, dann lass Dir versichert sein, dass diesen Gegenständen keinerlei Farbe anhaftet. Das was Du grün, blau, rot, gelb oder sonst wie farbig nennst, ist allein eine Konstruktion Deines Gehirns.
Damit ist natürlich noch nicht der Realismus widerlegt, aber er wandelt sich zumindest von einem naiven Realismus (die Dinge sind so wie ich sie erkenne wirklich da) zu einem hypothetischen Realismus (die Dinge sind teilweise konstruiert, aber ihre Grundstrukturen Raum, Zeit und Materie sind wirklich und unabhängig von unserer Erkenntnis da), dem heute die meisten Wissenschaftler anhängen.
Nun geht man aber im antiken Neuplatonismus und neuzeitlichen Idealismus im Gegensatz zum heutigen hypothetischen Realismus davon aus, dass restlos alles, was wir erkennen, nur als in der Erkenntnis geschaffene oder konstruierte Erkenntnis anzusehen ist. Das Reale, oder die eigentliche Substanz wandert so in ein uns unzugängliches Jenseits - ist uns transzendent.
Im Neuplatonismus wird diese Substanz „das Eine“ genannt, in Kants Idealismus „Dinge an sich“.
Über die „Dinge an sich“ sagt Kant: Was die Dinge an sich sein mögen, weiß ich nicht und brauche es nicht zu wissen, weil mir ein Ding doch niemals anders als in der Erscheinung vorkommen kann.
Das heißt, nach Kant sind die von uns erkannten Gegenstände der Welt nicht die realen Dinge an sich, sondern nur Erscheinungen, die nicht unabhängig von unserer Erkenntnis objektiv in Raum und Zeit vorhanden sind. Raum und Zeit sind vielmehr unsere Anschauungsformen oder Erkenntnisstrukturen, nach denen die Gegenstände geformt und in denen sie so erkannt werden (d.h. nicht nur einige Eigenschaften der Dinge, wie ihre Farben, werden erst im Erkenntnisprozess geschaffen, sondern auch die Grundstrukturen der Dinge, ihr Sein in Raum und Zeit).
Ähnlich sagt es der Neuplatoniker Plotin, der als erster überhaupt lehrt, dass die Seele auch die Materie erst hervorbringt. Uns sich darauf beziehend meint Meister Eckhart: Ich habe schon manchmal gesagt; Gott erschaffe diese ganze Welt voll und ganz in diesem Nun. Alles, was Gott je vor sechstausend und mehr Jahren erschuf, als er die Welt machte, das erschafft Gott jetzt allzumal. Dort, wo niemals Zeit eindrang, niemals ein Bild hineinleuchtete: im Innersten und Höchsten der Seele erschafft Gott die ganze Welt. Alles, was Gott erschuf, vor sechstausend Jahren, und alles, was Gott noch nach tausend Jahren erschaffen wird, das erschafft Gott im Innersten und Höchsten der Seele. Alles, was vergangen ist, und alles, was gegenwärtig ist, alles was zukünftig so ist, das erschafft Gott im Innersten der Seele.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass es zwei (eigentlich noch mehrere...) miteinander konkurrierenden Sichtweisen hinsichtlich des Realitätsbegriffes gibt. Einmal hält man mit Bestimmtheit an der Realität fest. Man kann es zwar nicht mehr naiv, aber eben noch hypothetisch und auch ich gebe unumwunden zu, dass die Sichtweise in den Naturwissenschaften angewandt, außerordentlich erfolgreich ist und diesbezüglich unter keinen Umständen aufgegeben werden sollte. Aber ich glaube nicht an die Naturwissenschaft sondern an Gott und dieser entzieht sich naturwissenschaftlicher Bestimmungen (außer man deutet Gott, wie es hier getan wird: http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3898/). Letztlich bleibt dies eben Glaubenssache und was die eine Seite nicht beweisen kann, kann die andere nicht widerlegen.
Aber ist es nicht irgendwie seltsam, dass wir im Jahre 2012 noch keinen sicheren Substanzbegriff haben? Dass das, was wir Realität nennen, sich weiterhin hartnäckig einer sicheren Bestimmtheit entzieht und wir nach wie vor mit so seltsamen Begriffen wie dunkler Energie oder dunkler Materie jonglieren müssen und dabei nicht einmal die sichtbare Materie mit Sicherheit bestimmen können? Müsste Realität nicht sehr viel einfacher zu bestimmen, zu erkennen sein? In der Quantenphysik verhält sich ein Teilchen unter Beobachtung anders, als wenn es nicht beobachtet wird, im identischen Versuchsaufbau – warum? Wie soll unser Gehirn in seiner strukturellen Dynamik funktionieren und dabei eine Repräsentation einer objektiven und von uns als Erkennenden unabhängigen Welt erzeugen? Wir wissen es nicht. Weiterhin ist uns nur wähnen beschieden, aber nicht wissen. Es gibt also Dinge, die muss ich glauben, oder es lassen. Darin ist jeder frei.
In einem positiven Gottesbild, mit sicheren (man erlaube mir an dieser Stelle ein ?) Gottesoffenbarungen, ist Gott ein Teil dessen, was wir Realität nennen. Er ist ein Sein in dieser Welt, wenn auch vielleicht das erste Sein, aus dem alles Sein hervorgegangen ist. In diesem bestimmten Bild lege ich ihm allerlei Eigenschaften bei, wie Allmacht, Allgüte, Liebe, Schönheit usw. Dabei konstruiere ich bewusst oder unbewusst ein ganz bestimmtes Bild von Gott (was wir ja eigentlich nicht tun sollen – Du weißt schon: erstes Gebot...), an das ich aber von nun an glaube und gestützt von meiner individuellen Bibelinterpretation (oder Koran, Tenach....) als verbindlich erachte. Das heißt, ich kann andere Gottesbilder nicht mehr als gleichwertig erachten, muss sie notfalls bekämpfen und Andersgläubige des Unglaubens bezichtigen (das, was Du so gerne machst...). Man steht also in der Tradition einer bestimmten Glaubensrichtung und zweifelt keinen Augenblick daran, dass der Keim dieses Glaubens übernatürlich von Gott persönlich gesät wurde und also keinesfalls eine simple Interpretation menschlichen Geistes, innerhalb einer bestimmten Tradition sein könnte. Auf diese Weise verfestigt sich der Glaube, wird absolut gesetzt und fließt als scheinbar sicheres Wissen in die Welt hinein, nach dem sich der Mensch fortan zu richten habe.
In einem negativen Gottesbild hingegen kann es sicheres Wissen über Gott nicht geben und dementsprechend auch keinen Streit darüber. Gott wird nicht in einem bestimmten Bild festgehalten, sondern er bleibt unerkannt und wird nie erkannt werden. Das heißt aber nicht, dass er egal sei, weil man ihn ja eh nicht erkennen könne, sondern im Gegenteil ist er jenseits unseres menschlichen Erkenntnisvermögens immer und ohne Unterlass präsent, als transzendente Einheit.
Einheit ist die grundlegendste Bedingung für das Sein und die Denkbarkeit von allem. Diese Einsicht lässt sich vernünftigerweise nicht bestreiten, denn was auch immer wir als seiend denken, denken wir eben damit schon als eine Einheit. Wir können nämlich überhaupt nur solches denken, was in irgendeiner Weise Einheit ist, was in keiner Weise Einheit ist, ist für das Denken nichts. Was nicht Eines ist, ist nichts. Also ist alles, was ist, notwendig auch Eines, und zwar in der Weise, dass es eben darum ist, weil es Eines ist. Dass etwas ist, gründet darin, dass es Eines ist: Einheit ist also der Grund des Seins, der Existenz für alles Seiende. Aber nicht nur das. Auch was etwas ist, verdankt es seinem Charakter als Einheit. Denn wäre es nicht Eines, so wäre es nicht mehr das, was es jeweils ist. Es besitzt seine Bestimmtheit immer als einheitliche Bestimmtheit. Ohne Einheitscharakter wäre es unbestimmt; und das ganz und gar Unbestimmte ist weder etwas, noch ist es überhaupt, noch kann es gedacht werden. Einheit ist darum der Grund des Seins nicht nur im Sinne der Existenz, sondern zugleich auch im Sinne des Wasseins, des Wesens oder der Bestimmtheit für jedes bestimmte Seiende. Und das gilt für alle denkbaren Bestimmungen schlechthin. Denn Bestimmtheit ist überhaupt nur als Einheit denkbar. Darum ist Einheit drittens auch der Grund der Denkbarkeit aller Bestimmungen und des kraft seiner Bestimmtheit denkbaren Seienden.
Weil Einheit der Grund alles überhaupt Denkbaren ist, darum ist auch das scheinbare Gegenteil des Einen, das Viele, sofern es gedacht werden kann, selber noch durch das Eine bedingt: Denn wenn es nicht zur Einheit geworden ist, auch wenn es aus Vielem besteht, kann man auf keine Weise von ihm sagen, dass es ist. Wir denken das Viele immer schon und notwendig als Einheit, nämlich als eine geeinte Vielheit, und das bedeutet, als einheitliches Ganzes, das aus vielen elementaren Einheiten aufgebaut ist, so das der Gedanke des Vielen in doppelter Weise Einheit voraussetzt, nämlich sowohl die Einheit des Ganzen einer Vielheit als auch die Einheit jedes einzelnen ihrer Bestandteile.
Dem Einen kann somit nichts entgegengesetzt werden, weil auch die Vielheit selber nur als Einheit denkbar ist, das Eine also immer schon vorraussetzt. Als Grund der Denkbarkeit und Bestimmtheit von allem, auch der Vielheit, ist das Eine also gegensatzlos oder übergegensätzlich. Als das aus jedem Gegensatz Herausgenommene ist es das Absolute.
Dies ist der gedankliche Aufschwung zur transzendenten Einheit einer strikt negativen Theologie. Es ist lebendiger, vernunftbasierter Glaube und kein Unglaube wie Du es meinst. Es ist nur anders als Dein Glaube ist und das kannst Du wohl nicht akzeptieren.
LG
Provisorium
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