Hallo Digido, aber auch ihr anderen.
wenn ich dich Digido richtig verstehe, dann ist jedes Leben bzw. jede Seele deiner Meinung nach dazu bestimmt solange durch das Labyrinth zu wandern, bis es den Ausgang gefunden hat, wobei dies letztlich vermutlich jeder Seele gelingen wird. Die menschliche Erfahrung aber, dass ein Mensch scheinbar völlig verloren stirbt, löst sich durch die Annahme der Reinkarnation, welche die Seele nicht verloren gehen lässt, sondern ihr einen weiteren Zyklus einräumt um den Ausgang zu finden. Soweit meine ich deine Ansicht verstanden zu haben.
Das andere ist die Überlegung, dass das Vorwissen um die Entscheidung eines Individuums diese nicht zwingend beeinflussen muss. Darin komme ich mit dir überein, dass dies nicht zwingend der Fall sein muss. Weder Vorherwissen noch Bestimmung der Rahmenbedingungen sprechen für sich genommen gegen Willensfreiheit. Erst durch die Kombination von Vorherwissen UND Schaffung der Rahmenbeingung wird es meines Erachtens „dem“ christlichen Argumentationsmuster folgend problematisch. Vielleicht versuche ich es nochmal an dem „Gleichnis“ deutlich zu machen.
Nehmen wir die (zugegeben menschliche) Situation eines Vaters und seines Kindes und unterscheiden vier Fälle einer Handlung...
1. Ohne Vorherwissen und ohne Schaffung der Rahmenbedingung.
Im ersten Fall weiß der Vater nicht um die Reaktion seines Kindes. Er mag eine Vermutung haben, aber diesen Umstand ignorieren wir mal. Nun kommt er mit seinem Kind in eine Situation, die für das Kind eine gewisse Gefahr beinhaltet. Er warnt also das Kind, hält sich aber zurück um dessen Freiheit nicht zu beschränken. Folgt das Kind dem elterlichen Rat nicht, dann denke ich würden wir dazu neigen dies als autonome Entscheidung zu betrachten, dessen Folgen das Kind zu tragen hat – zum Betrüben des Vaters, aus dessen Blickwinkel das Nicht-Eingreifen und in Folge das Leiden des Kindes tatsächlich einen Akt der Liebe darstellen könnte, weil er die Autonomie des Kindes respektiert. (Der entscheidende Unterschied ist hier wohl eher in der Wahrnehmung des Kindes vorzufinden - ist es klein und "unreif", ist sich seiner Autonomie also noch nicht sicher, dann wird es sich vielleicht ob seines Leidens vom Vater verlassen und verraten fühlen. Hat es eine gewisse Reife erlangt und sich in seiner Autonomie "geübt", wird es vermutlich Einsicht in seine Eigenverantwortung haben und im väterlichen Rat eben jene Liebe erkennen, die ihm innewohnt.)
2. Mit Vorherwissen aber ohne Schaffung der Rahmenbedingung.
Wie beurteilen wir eine Situation, in der der Vater um die Reaktion seines Kindes weiß, in die er aber unerwartet kommen mag. Man könnte dazu neigen ihm hier vorzuwerfen, dass er das Kind fahrlässig in eine gefährliche Situation gebracht hat. Aber er hätte es auf der anderen Seite auch kaum verhindern können, wenn er das Kind nicht einsperren will. Aber eben die Autonomie des Kindes fordert auch hier diesen Verzicht.
3. Ohne Vorherrwissen aber mit Schaffung einer Rahmenbedingung.
Dies wäre der Fall, wenn der Vater mit einer Warnung an das eigene Kind eine heiße Tasse Kakao auf den Tisch stellt, aber nicht wissen kann, ob das Kind seiner Warnung folgen wird oder nicht. Auch hier könnte man vermutlich darum streiten, ob der Vater zumindest fahrlässig gehandelt hat. Aber eben die Unwissenheit macht es zu einem unbedachten Handeln, nicht zu einem „bösartigen“.
4. Mit Vorherwissen UND Schaffung der Rahmenbedingung.
Und hier kommen wir zum Knackpunkt. Wenn ein Vater mit absoluter Sicherheit weiß, wie sein Kind reagieren wird, und er dem Kind eine heiße Tasse vorsetzt, wohlwissend, dass es diese anfassen und sich verbrennen wird, hat dann das Kind sich wirklich aus freien Stücken verbrannt? Oder ist es nicht doch „Opfer“ des Vaters, der eben im Wissen um die inneren Entscheidungsprozesse des Kindes auch die äußeren Umstände bestimmt, und somit nicht in der Entscheidung des Kindes aber in der bestimmung der äußeren Umstände den Kurs des Kindes und seine Erfahrungen letztlich vorherbestimmt? Würden wir von einer freien Entscheidung sprechen, wenn wir die äußeren Umstände bestimmen, indem wir einem Menschen eine Waffe an die Schläfe setzen und ihm die Wahl lassen zwischen Gehorsam oder Tod? Vermutlich nur bedingt, obschon der Betroffene immerhin auch den Tod wählen kann. Um wie viel weniger würde das aber der Fall sein, wenn wir sicher wüssten, wie er sich entscheidet, oder deutlicher formuliert, wenn wir wüssten, dass er sich nicht anders entscheiden kann? (Weil dies sonst dem Vorherwissen widersprechen würde)
Und ganz abgesehen von der Frage nach der Freiheit, würde dieser Vater nicht mit die Verantwortung für das Leiden seines Kindes tragen – mehr noch als dieses selbst, weil er eben im Gegenteil zu dem Kind um die Folgen wusste? Und was wäre hier eine Warnung „Vorsicht heiß“ denn wert? Wäre es nicht eher ein „Alibi“ zu sagen „ich habe dich ja gewarnt“. Diese Überlegung ist ja eine der grundlegendsten Fragen, nämlich wieso Gott im Wissen um Adams Handeln ihm den Baum der Erkenntnis vor die Nase setzte, nur um ihn dann letztlich dafür zu bestrafen.
Sicherlich ist es richtig, dass – wie saved einwirft – Gott hier oft zu menschlich gedacht wird. Aber wir Menschen sind nun einmal gezwungen im Rahmen unseres Vermögens zu denken. Dennoch sind auch eure Antworten Saved und NetKrel in meinen Augen durchaus zulässig. Man kann auch einfach auf das Unvermögen des Menschen verweisen oder in der Beantwortung der Frage ein Mysterium erblicken. Vermutlich sind beide Antworten sogar zutreffender als jeder Versuch einer Antwort. Aber sie sind sicherlich nicht für jeden wirklich befriedigend.^^
Mich würde dennoch interessieren, sofern ihr euch dazu äußern mögt, welche der vier Aspekte euer Vorstellung folgend auf Gott zutrifft. Hat er durch die Vollkommenheit seines Wissens ein Vorherwissen um die Entscheidungen des Menschen, oder sind ihm diese verborgen? Bestimmt er durch seinen Schöpfungsakt die äußeren Umstände, oder hat er diese nur angestoßen, ohne Wissen wohin sie sich entwickeln?
Lieben Gruß
Lior
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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