Liebe Saved,
du hast recht, die von mir angeführten vier Fälle sind nicht erschöpfend. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sich innerhalb dieser Betrachtung zur Allwissenheit und Vorherbestimmung wirklich befriedigende Antworten finden lassen. Denn natürlich besitzt der Mensch hier nur ein eingeschränktes Vermögen, darin habe ich dir ja schon zugestimmt. Aber der Anfang aller Weisheit ist das Fragen, oder?^^
Um deinen Gedanken zur Bewahrung aufzugreifen, ich denke diese kann in den Fällen 1-3 mit aufgenommen werden. In Fall eins habe ich sie sogar direkt angesprochen, denn dies wollte ich mit dem Zusatz „Folgt das Kind dem elterlichen Rat nicht, dann denke ich würden wir dazu neigen dies als autonome Entscheidung zu betrachten, dessen Folgen das Kind zu tragen hat – zum Betrüben des Vaters, aus dessen Blickwinkel das Nicht-Eingreifen und in Folge das Leiden des Kindes tatsächlich einen Akt der Liebe darstellen könnte, weil er die Autonomie des Kindes respektiert“ andeuten. Aber du hast recht, was ich nicht erwähnt habe und du zurecht ergänzt sehen möchtest ist der Umstand, dass in allen Fällen der Vater nach einer leidvollen Erfahrung dem Kind durch Zuspruch zur Seite stehen kann, es trösten und ihm helfen das Leiden zu überwinden und Stärke daraus zu ziehen. Nur im vierten Fall sehe ich diese Möglichkeit nur eingeschränkt, denn wenn ich im Wissen um die inneren Entscheidungsprozesse die äußeren Umstände bestimme, also das Handeln des Kindes in eine gewisse Bahn lenke, kann dann die möglicherweise aus der Überwindung eines Leidens resultierende Stärke eine Rechtfertigung dafür sein, dass ich das Kind auf eben diesen Weg gebracht habe? Wäre das nicht mit einem Vater vergleichbar, der sein Kind schlägt oder foltert oder „durch die Hölle schickt“ und es hiernach tröstet mit der Rechtfertigung „das ist für dich nur zum Guten“?
Was nun deinen Einwand betrifft, dass nun auch andere Menschen mit die Rahmenbedingungen schaffen – dieser Einwand scheint erst einmal berechtigt. Aber nur auf den ersten Blick, denn das Grundproblem bleibt bestehen, denn wenn Gott um die Entscheidung aller Kreaturen weiß, dann beeinflusst er vielleicht nicht situativ, d.h. in jeder Situation neu die Umstände, aber da ihm der Weg aller Kreaturen vorgezeichnet ist, hat er mit dem Schöpfungsakt selbst bereits gewusst, wie alles für jeden einzelnen kommen wird – er wäre also für alles im Sinne von Fall vier (mit) verantwortlich. Auch für das Leiden und das natürlich Böse, welches geschieht. Es sei denn du möchtest mit Leibniz argumentieren, dass wir in der bestmöglichen aller Welten leben, die Gott zu schaffen imstande war.
Auch mag es verlockend scheinen, in der Frage nach dem Bösen den Satan zu bemühen. Aber auch das löst die Frage nicht wirklich, denn sie wird nur vom Menschen auf den Satan verlagert und man müsste entsprechend fragen, weiß Gott um die Entscheidungen, die der Satan trifft? Und wenn ja, warum erschuf er ihn, wenn er doch wusste, dass er den Menschen zur Sünde verführen wird und der Mensch sich nicht dagegen wehren kann? ^^
Hallo NetKrel,
nun ja, du hast mich nach meiner Meinung gefragt, das stimmt. Aber ich habe deine Frage auf die christlichen Theologie bezogen verstanden, und hier hätte ich keine sinnvolle Meinung anzubieten, weil mir diesbezüglich als Nicht-Christ ersten keine Meinung zusteht und ich zweitens keine Meinung zu christlichen Glaubensinhalten habe, wenn sie für mich nur Aspekt einer Legendenbildung sind.
Wenn du mich hingegen nach meiner persönlichen Meinung in der allgemeinen Frage nach Vorherwissen und Vorherbestimmung fragst, dann bekommst du natürlich auch eine Antwort aber um Missverständnisse zu vermeiden betone ich noch einmal, dass sie in keinem Bezug zum christlichen Denken steht und als Antwort auch nur insofern brauchbar ist, als sie meine Einsichten und Überzeugungen formuliert, ohne den Anspruch zu haben „die Antwort“ zu sein. Du weißt, ich habe es mehr mit Fragen als mit Antworten.^^
Nun, ich aktzeptiere sowohl die Allwissenheit als auch die Allmacht als Vorbedingung Gottes. Aber am ehesten würde ich mich im ersten Fall wiederfinden. Ich glaube weder, dass Gott um unsere Entscheidungen weiß, noch glaube ich, dass er jeden Augenblick situativ vorherbestimmt. (Eine einmalige Vorherbestimmung im Schöpfungsakt ist indirekt durch den Umstand ausgeschlossen, dass er eben ja nicht um unsere Entscheidung weiß) Darin besteht für mich auch die eigentliche Ebenbildlichkeit Gottes, jener Aspekt der Vollkommenheit, der uns mit der Seele innewohnt, nämlich die innere Zweckmäßigkeit, d.h. dass wir das Vermögen haben uns frei unseres eigenen Willens zu bedienen und uns selbst Zwecke zu setzen, die für niemanden endgültig nachvollziehbar sind. Und darin sind wir Gottes Kinder, dazu bestimmt aus freien Stücken nach Seiner Gemeinschaft zu streben oder uns ihr zu verweigern.
Nun, scheinbar hast du eine andere Antwort erwartet, ich hoffe aber, du bist nicht zu sehr enttäuscht.^^
Lieben Gruß euch beiden
Lior
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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