Wie siehst Du es?

Wenn ich von der traditionell christlichen Vorstellung zur Allwissenheit Gottes ausgehen würde, müsste ich zwangsläufig einräumen, dass Gott zumindest um das Schicksal Jesu wissen musste. Müsste ich wählen zwischen einem Zweifel an der Vollkommenheit Gottes oder einem Zweifel an meinem (unvollkommenen) Verständnis eines Gleichnisses, wäre für mich die Antwort relativ eindeutig. Deshalb finde ich deine Annahme ja so faszinierend, denn eine Interpretation, die in den Ereignissen das Vorwissen Gottes nicht nur ausklammert sondern noch dazu Gott einen „Fehler“ zuspricht, sowohl in der Planung als auch in der Hilflosigkeit diesen Plan letztlich umzusetzen, fällt doch etwas aus dem Rahmen.^^

Aber in diesem Fall die Frage an mich zurückzugeben ist zwar völlig zulässig, aber meine Überlegungen hierzu würden vermutlich nur wenig nutzen. Schließlich lese ich die Bibel nicht als Gotteswort, sondern als ein historisches Dokument.^^ Und damit wird Jesus für mich zu m Träger einer bestimmten Vorstellung und ggf. deren Verkünder, aber eben nicht der Dreh- und Angelpunkt eines göttlichen Heilplans.

Dennoch kann ich – und damit knüpfe ich an den Austausch von dir und Digido an – durchaus verstehen, wenn der Eindruck entsteht, dass ein gewisser Determinismus vorliegen würde. Zwar würde ich Digido darin recht geben, dass das Wissen um die Handlungsweise eines anderen allein diesem nicht seinen freien Willen nimmt. Allerdings scheint mir bezogen auf Gott die Situation doch eine andere zu sein. Denn anders als Gott kann ich mich irren, darin liegt ja auch die Freiheit in der Handlung des anderen. Wenn ich aber nicht irren kann, dann weil der Weg vorgezeichnet ist, ergo besitzt der andere dann aber auch keine Freiheit.

Ein weiterer Unterschied scheint mir zu sein, dass ich zwar in einer bestimmten Situation die Handlungen meines Gegenübers abschätzen kann, ich aber keinen Einfluss habe auf die Entstehung der Situation. Anders aber Gott, denn er ist nicht nur (um dich Digido aufzugreifen) ein hochentwickeltes Wesen, das weiß wie sich jeder Einzelnen in jedem Fall entscheiden wird, sondern er wäre in der christlichen Vorstellung auch jenes Wesen, dass die Gesetzmäßigkeit errichtet hätte, nach der ich in diese Situation komme. Wenn aber in Gott beides zusammenkommt, also Wissen um die Reaktion des anderen UND die „Erschaffung“ der Ausgangssituation, wenn also Gott im Wissen um das Handeln des Menschen die Welt in ihrer Gesetzmäßigkeit so erschaffen hat wie er sie erschaffen hat, dann hätte ich zwar das Gefühl mich frei entschieden zu haben,aber wäre meine Entscheidungen nicht doch durch die Umstände determiniert?

Viele Grüße
Lior