
Zitat von
Digido
wie ich schon sagte, halte ich es für grundsätzlich, dass das Vorherwissen eines anderen, ganz gleich, ob Gott, Mensch, Engel oder sonstwas in keinen unmittelbaren Zusammenhang zu meiner freien Entscheidungsfähigkeit steht.
Auf den ersten Blick mag das so scheinen. Aber das Grundproblem des Vorherwissens und der Vorherbestimmung wird ja schon bei Boethius in seinem fünften Buches „Der Trost der Philosophie“ diskutiert, und ich sehe da in deiner Antwort den Gedanken, dass wir nicht Handeln weil Gott weiß, sondern umgekehrt Gott nur weiß wie wir uns entscheiden. Dennoch, es bleibt in meinen Augen ein Grundsatzproblem in der Gottesvorstellung der meisten Christen.
Nehmen wir an, ich wüsste aufgrund meiner genauen Kenntnis deiner Person, wie du dich in jeder Lage aus freien Stücken entscheidest. Nehmen wir weiter an, dass ich nicht irren kann. Dann wüsste ich ohne jeden Irrtum, dass du (in einem sehr einfachen Beispiel), dass du in einem Irrgarten dich an der ersten, fünften und siebten Kreuzung für den helleren Gang entscheiden würdest, an der zweiten, dritten und achten Kreuzung für jenen mit der dunkleren Wandfarbe, und an der vierten, sechsten, neunten und zehnten würdest du deine Entscheidung nach einem x-beliebigen anderen Grund treffen. Dieses Vorwissen ändert nun erst einmal nichts an der Freiheit, in der du diese Entscheidung triffst. Bin ich aber zugleich Urheber des Labyrinths UND weiß um deine Entscheidung, dann kommst trotz deiner scheinbar freien Entscheidung an einen Punkt, den ich vorherbestimmt habe, indem ich das Labyrinth eben so angelegt habe wie ich es habe.
Dies nun übertragen auf Gott, würde im Denken der meisten Christen doch unweigerlich zu der Annahme führen müssen, dass auch wenn der Einzelne seine Entscheidung „frei“ treffen mag, sein Leben doch durch die von Gott geschaffene Welt vorherbestimmt ist, damit aber in Gottes Verantwortung liegt – verstehst du was ich meine?
Vielleicht mag ja auch Saved sich mit einklinken. Wie siehst du das als Christin. Wenn ich weiß, dass mein Sohn aufgrund seiner Neugier und seinem Unverständnis für die Folgen meine Warnung in den Wind schlagen und eine bestimmte Frucht essen wird, ist es dann "fair", wenn ich ihm eben diese Frucht vor die Nase lege, im Wissen um die dramatischen Folgen?

Zitat von
Digido
Wir erleben uns in diese Welt hineingestellt und von ihr abhängig. In diesem Sinne sind wir gezwungen um unserer irdischen Existenz willen zu handeln. [...]
Das sind auch alles keine freien Entscheidungen. Diese beginnen erst, wenn ich mir selbst über die Welt und mich Gedanken mache. Also wenn ich beginne mich selbst zu erkennen. Mit der Tiefe der Selbsterkenntnis wächst der Umfang freien Handelns/Lebens.
Dem würde ich im Grundsatz nicht mal widersprechen. Wir haben ja doch Gemeinsamkeiten in unseren Ansichten, Digido.^^ Das freut mich. Denn hat man erst mal eine gemeinsame Basis gefunden, kann man darauf aufbauen.
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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