
Zitat von
Digido
Hallo Lior,
nach dem, was Du geschrieben hast, könnte man annehmen, dass nur ausgebildete Spezialisten etwas mit der Bibel anfangen könnten. Das glaube ich aber nicht.
Hm, das war zwar nicht direkt eine Frage, aber ich will dennoch mal darauf eingehen. Nein, auch ich denke nicht, dass man zwingend ein ausgebildeter Spezialist sein muss, um etwas mit der Bibel anfangen zu können. Im Gegenteil sehen wir ja, wie sie das Leben veiler Menschen bereichert. Allerdings stellt sich den wenigsten ja auch wirklich die Frage, ob sie richtig "verwendet" wird. Ich vergleiche es mal mit einem Computer. Ich kann meinen Computer nutzen und ihn für meine Zwecke bedienen. Ich brauche kein technisches Fachwissen dazu, höchstens eine vereinfachte Anleitung wie es viele Gläubige ja in den Lehren ihrer Gemeinschaft oder in der (esoterischen) Anleitung durch eine metaphysische Existenz finden. Ich kann sogar ein Gerät zweckentfremden, so dass es meinen Anfordernissen genügt. Z.B. wenn ich ein Tablet (aus welchen Gründen auch immer, sei es Unwissenheit oder bewusste Entscheidung) als Schneidbrett zum Zweibelschneiden verwende. Aber wenn ich seine Zusammensetzung analysieren will, die Idee welche die Erbauer hatten, seine spezifischen Funktionen und seine Entstehungsgeschichte, dann kommst du ohne ein spezialisiertes Wissen nicht aus. Ob du dir das nun privat oder durch eine entsprechende Ausbildung erworben hast.
Wenn man sich aber mit der Frage nach der Entstehungsgeschichte und den Absichten der Erbauer auseinandersetzt dann scheint es mir aber letztlich entscheidend zu sein, interessierst du dich für die Absichten des Erbauers, oder nur für die Legitimation, die du dadurch erfährst, dass du unterstellst es "im Sinne des Erbauers" zu verwenden? Oder anders gesagt, lese ich ein Buch mit der Absicht etwas für mich und meinen Glauben daraus zu gewinnen, oder lese ich sie mit dem Anspruch meine Wahrheit in ihr wiederzufinden und meinen Anspruch über diesselbe zu begründen?

Zitat von
Digido
Nochmals zu Johannes den Täufer. Wenn Jesus kein gewöhnlicher Mensch war - er muss gar nicht mal "Gottes Sohn" sein - dann ist doch anzunehmen, dass er die Realität kannte, also auch die Realität der Reinkarnation. Sollte er davon nichts gewusst haben, wäre er weniger als manch anderer zu seiner Zeit und erst recht nicht Gottes Sohn.
Aus diesem Bewusstsein um die Reinkarnation, kann er nur davon gesprochen haben, dass Johannes der reinkarnierte Elia ist.
Da interessiert erst einmal gar nicht die orientalische Vorstellungswelt oder der Volksglaube. Ich habe Dir aber auch schon ein biblisches Beispiel genannt, dass die Jünger und das jüdische Volk mit der Reinkarnation rechneten. Das zeigt auch Flavius Josephus, oder auch die "Weisheit Salomos". Ferner verschiedene gnostische Schriften aus dieser Zeit.
Ja, WENN Jesus kein gewöhnlicher Mensch sondern allwissend war, dann hätte er die Wahrheit wohl gekannt. Aber erstens teile ich diesen Glauben nicht, deshalb ist es mir auch nur schwer möglich das als Argument zu akzeptieren. Zweitens ändert es nichts daran, dass die Aussage nicht eindeutig ist, sondern auch anders gelesen werden kann. Hier argumentierst du mit einem "Jesus hätte es gewusst, also wusste er was er sagt", ohne aber deutlicher zu belegen, was er jetzt tatsächlich damit gemeint hat. Und offensichtlich hat er auch in den Bildern seiner Zeit gesprochen - zumindest kommen in seinen Gleichnissen keine modernen Begriffe vor, oder? Ganz abgesehen davon bleibt es bei dem anderen Problem, dass du scheinbar wiederholt überlesen hast. Es gibt vielleicht ein halbes Dutzend bezeugter Entrückungen in der Bibel. Lässt sich daraus eine allgemeine Reinkarnation ableiten? Denn jede von diesen ist als ein spektakuläres Ereignis der besonderen Erwähnung wert. Warum aber ist es denn erwähnenswert, wenn sie doch keine Ausnahme sondern Alltag sind, weil doch sowieso jeder Mensch stirbt und neu geboren wird? Überleg mal, es werden in der Geschichte Dutzende von Sonnenfinsternissen berichtet? Folgt daraus, dass es besondere Ereignisse sind, die eher ungewöhnlicher Natur waren? Oder spricht das eher dafür, dass es ein ganz gewöhnliches, jeden Tag vorkommendes Ereignis ist?
Was nun das Beispiel mit den Jüngern betrifft, hier habe ich schon DaVinnci gegenüber ausgeführt, dass Jesus hier meiner Meinung nach zu der Frage Bezug genommen hat, ob Leiden immer mit Sünde verknüpft sein muss. Deshalb fragten seine Jünger, warum der Mann den blind geboren sei. Was verständlich ist, wenn sie NICHT von einer Reinkanration ausgingen, denn wie sollte ein Ungeborener dann auch schon Sünde auf sich geladen haben. Wäre aber die Vorstellung einer umfassenden Reinkarnation weit verbreitet und allgemein akzeptiert, dann wäre die Frage der Jünger ja völlig unsinnig gewesen. Denn dann hätten sie ja fast zwangsläufig annehmen müssen, dass es sich hier um eine karmische Belastung aus einem früheren Leben handelt. Ihre Frage spricht sogesehen eher gegen eine entsprechende Überzeugung bei den Jüngern.
Und Flavius Josephus... wenn du dich recht entsinnst, erläutert er den Glauben der verschiedenen jüdischen Schulen. Und hier glaubten die Pharisäer, dass "die guten Seelen Einzug in neue Körper fänden". Das war aber nur Inhalt einer Lehre der Pharisäer, nicht aber bei den anderen jüdischen Schulen. Und die Übertragung betrifft ausschließlich gute Seelen, nicht aber die schlechten Seelen. Da aber die Frage der Jünger nach der Sünde des Blinden impliziert, dass seine Blindheit ein Zeichen für dessen Sündhaftigkeit und demzufolge für eine schlechte Seele ist, ist wohl kaum davon auszugehen, dass sich dies mit den Reinkanrationsvorstellungen seiner Zeit erklären lässt.
Auch die gnostischen Texte sind hier nicht hilfreich. Ich gebe dir recht, in diesen finden sich Hinweise auf eine Reinkarnationslehre. Was nicht verwundert, denn sie zeigen massive Einflüsse aus dem griechischen Denken, und bei den Griechen ist die Reinkanrationsvorstellung schon ein paar Jahrhunderte vor Jesu Wirken aufzufinden. Insofern mag es zulässig sein von den gnostischen Schriften Rückschlüsse auf die Ansichten der frühen Christen zu ziehen, nicht aber auf die Ansichten der alttestamentarischen Autoren und die Frage einer bei ihnen gegebenen Verbreitung der Reinkarnationsvorstellung. Dazu musst du außerbiblische Zeugnisse der entsprechenden Zeitepoche anführen, nicht Zeugnisse späterer Jahrhunderte.
Geändert von Lior (19.03.2016 um 11:03 Uhr)
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
Lesezeichen