Hallo zusammen.
Nun, die letzten paar Seiten lese ich mit sehr gemischten Gefühlen. Und ich entschuldige mich, dass mein Beitrag länger wird.....
Natürlich ist es legitim an Reinkarnation zu glauben. Und auch wenn ich sie selbst für unwahrscheinlich halte und in ihr eher das zugrundeliegende menschliche Bedürfnis nach einer Erklärung für das Leiden in der Welt sehe, die Leiden greifbar macht und der Willkür entzieht, kann ich doch vom gedanklichen Standpunkt her nachvollziehen, dass sich durch einen solchen Glauben einige Konsequenzen ergeben, die nüchtern betrachtet notwendig sind. Ggf. auch der Umstand, dass ein Leiden in der jetzigen Existenz Folge einer früheren Existenz bzw. getroffener Entscheidungen sein könnte. Nun aber lese ich wie gesagt die wie ich finde folgenschwere Annahme, das eine Kinderseele sich die Eltern aussucht. Und zwar auch dann, wenn es Eltern sind, die sie schlecht behandeln werden. Weil sie möglicherweise genau das braucht.
Ich muss gestehen, als ich das gelesen habe, war meine erste Reaktion Betroffenheit. Erst vor ein paar Wochen hatte ich eine Diskussion über eine Aussage einer bekannten Autorin des letzten Jahrhunderts, die den Rassismus und die Sklaverei gegenüber den Schwarzen mit genau diesen Argumenten verteidigte. Der Schwarze hätte in seiner selbstverschuldeten Primitivität sich gerade dafür entschieden versklavt zu werden. Und bei allem Verständnis für den Umstand, dass eine Theorie wie die der Reinkarnation u.U. eben auch unbequeme Ansichten nötig macht, ich frage mich doch, wie es einem Betroffenen Menschen zumute ist, der das hier liest.
Ich weiß nun nicht, wie eure jeweiligen Lebenswege aussahen, welche Erfahrungen ihr machen durftet und welche ihr machen musstet. Mein Weg jedenfalls hat mich eine Zeitlang mit vielen, leider viel zu vielen Kindern und jungen Menschen zusammengeführt, die zu eben jenen gehören, von denen Thalestris gesprochen hat. Geschlagen von den Eltern, fast zu Tode geprügelt oder wie Müll entsorgt. Junge Menschen, die schwerst traumatisiert ein Leben voller Angst und Niedergeschlagenheit leben und für die jeder Tag ein Kampf bedeutet, weil sie teils über Jahre hinweg immer wieder von den eigenen Eltern missbraucht, gequält oder vergewaltigt wurden. Die – um es mal mit Bildern zu verdeutlichen und dem so sterilisierenden Ausdruck „vergewaltigen“ ein wenig Nachdruck zu geben – den nach Alkohol stinkenden Atem ihrer Peiniger ertragen müssen, während sie brutalst zum Verkehr gezwungen werden. Die beim erzwungenen Oralverkehr Todesängste ausstehen und glauben jeden Moment zu ersticken, weil sie zugleich gegen den durch die gewaltsame Penetration ausgelösten Brechreiz oder einen durch Verschlucken ausgelöste Hustenanfall kämpfen und krampfhaft nach Atem ringen. Die manchmal zu allem Überfluss ihren Peiniger noch darum anbetteln müssen, weil dieser das Gefühl haben möchte von seinen Opfern „begehrt“ zu werden. Und die dann als „Gunstbeweis“ des Peinigers dessen Urin auflecken dürfen, nachdem er sich über ihnen erleichtert hat...... Das sind Kinder, die sich in ihrer Ohnmacht nicht anders zu helfen wissen, als ihrerseits sich oder andere zu verletzen, um sich wieder „mächtig“ zu fühlen. Kinder, die z.B. im Alter von nur 12 Jahren – nach bereits mehreren ernsthaften aber „leider“ gescheiterten Suizidversuchen – bemüht sind sich ein Fleischmesser 5 mal ins Herz zu rammen, nur um auch hier an den Rippen zu scheitern. Könnt ihr euch vorstellen, was hier für ein Leidensdruck herrscht, dass eine 12jährige zum Messer greift und allen Ängsten und Schmerzen zum Trotz dieses auf die eigene Brust setzt, zusticht, hebelt, mit verändertem Winkel versucht neu anzusetzen, versucht herumzubohren um durch die Rippen zu kommen, die – schon entdeckt – aufschluchzend noch schnell versucht zwei drei weitere Male wild zuzustechen und die Klinge so krampfhaft in ihr Fleisch presst, dass es dreier Erwachsener bedarf, um sie ihr wegzunehmen?..... Also ich kann es nicht. Was ich mir aber (als jemand der solche Kinder kennt und ihre Verzweiflung sehen konnte) vorstellen kann ist, wie ein solch geplagter junger Mensch, vielleicht wie so oft auch mit einem vordergründigen Gefühl der (An)klage gegenüber Gott in dieses Forum kommt, auf der hintergründigen Suche nach Antworten auf diese quälende Frage „Warum?“, um dann zu lesen, dass er es sich ja eigentlich selbst ausgesucht hat, weil seine Seele der Meinung war, sie würde diese Erfahrung für ihre Entwicklung brauchen. Also liebe Mitschreiber bzw. jene die es betrifft...., bei allem dem Verständnis, das mir üblicherweise so wichtig ist – ist das wirklich euer Ernst? Was das für ein Schlag ins Gesicht das wohl sein mag, kann ich mir kaum ausmalen.
Davon abgesehen hat Sunigol wie ich finde ganz zutreffen bereits darauf hingewiesen, dass eine Seele in diesen Fällen die Zukunft kennen müsste. Und wenn nun die Seele sich im Wissen um die Zukunft sich ihre Existenz aussuchen würde, dann ist alles was geschieht sozusagen Folge einer ersten bereits getroffenen Entscheidung. Die eine Seele entscheidet sich also bereits vor der Geburt dafür ihre späteren Kinder zu quälen, die andere Seele eben das gequälte Kind zu sein. Aber wenn wir weiter denken, wie können wir dann überhaupt z.B. eine Erziehung mit Schlägen und Missbrauch verurteilen? Denn wenn die Seelen auch „Negativerfahrungen“ für ihre Reife brauchen, dann ist auch die Rede von der bösen Tat der Eltern Unsinn. Ebenso kann man sagen, dass das „Opfer“ doch nur das bekommt, wofür es sich selbst entschieden hat, und der Täter darin eine gute Tat tut, ihm eben diese Erfahrung zu ermöglichen. Auch jede Kritik am „Funditum“ wäre nur begrenzt von Sinn, wenn sich doch die Seele dafür entschedet, dass sie eben ein Leben in diesem Denken für ihre Entwicklung braucht. Ich mag mich irren, aber in seiner Konsequenz enden wir meiner Meinung nach auf diesem Weg letztlich bei einem nur oberflächlich verkleideten Determinismus oder völliger Beliebigkeit. Für mich beides keine wirkliche Alternative....
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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