
Zitat von
luxdei
Dass der Mensch wie Gott werden könne, ist keine christliche Lehre. Ich wüßte auch keinen christlichen Mystiker, der das behauptet haben könnte.
In der christlichen Mystik wird die "unio mystica", die "Einswerdung mit Gott" angestrebt. Damit sind allerdings unterschiedliche Vorstellungen verbunden, die z.B. auch in der jüdischen Mystik, der "Kabbala" Widerklang finden und dort z.B. als "Hochzeit der Schechina" bekannt ist. Die Schechina ist dabei eine Art "Wohnung Gottes".
Jedenfalls gibt es die Vorstellung, dass der Mensch, jeder und alle Menschen, substantiell mit Gott verbunden sind und Gott in die Seele eines jeden Menschen geboren werden kann. Das Innerste der Seele ist dabei mit der Gottheit identisch. Dieses Innerste der Seele (also nicht die ganze Seele) nennt z.B. Meister Eckhart (
) oft auch "das Fünklein Gottes".
Voraussetzung für die Gottesgeburt ist, dass sich die Seele von dem reinigt, was nicht zu ihr gehört, und dadurch ihre wahre Natur hervortreten lässt. Gott kann nur in der Seele geboren werden, wenn der Mensch ihm dafür Raum schafft und das entfernt, was im Wege steht. Das sind nicht nur Sünden und Laster im herkömmlichen Sinn, sondern schlechthin alles Ungöttliche und daher Vergängliche. Dazu gehören insbesondere die „Bilder“ der Sinnesobjekte, die man aufgenommen hat, denn sie binden und behindern den Menschen. In dem Maße, wie der Mensch die Hindernisse beiseiteschafft, wird er für Gott empfänglich. Was dabei in der Praxis zu beachten ist, erläutert Eckhart ausführlich.
Für die Ermöglichung der Gottesgeburt ist nicht eine diskursiv gewonnene Einsicht in den Wahrheitsgehalt philosophisch-theologischer Lehrsätze ausschlaggebend, sondern die Lebenspraxis. Daher besteht ein Unterschied zwischen dem „Lesemeister“, der in seinen Schriften argumentiert, beweist und widerlegt, und dem „Lebemeister“, der das von der Theorie Geforderte in seinem eigenen Leben umsetzt.
Ein Eckhart zugeschriebener Ausspruch lautet, ein Lebemeister sei nötiger als tausend Lesemeister. In diesem Sinne bemerkt er: Der Mensch soll sich nicht genügen lassen an einem gedachten Gott; denn wenn der Gedanke vergeht, so vergeht auch der Gott. Man soll vielmehr einen wesenhaften Gott haben, der weit erhaben ist über die Gedanken des Menschen und aller Kreatur.
Gott kann auf viele verschiedene Weisen ergriffen werden. Niemand kann alle Weisen verwirklichen, sondern man soll eine von ihnen haben – diejenige, die Gott einem zugewiesen hat – und konsequent bei ihr bleiben. Einem anderen, der auf eine andere Weise lebt, die eigene Weise aufzudrängen ist verkehrt, vielmehr soll jeder in seiner Weise das Gute aller Weisen finden. Christus hatte zwar die höchste Weise, aber das bedeutet nicht, dass jeder versuchen soll, die Weise Christi zu übernehmen.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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