Danke Lior für Deine Ausführungen. Ich freue mich, wie Du Dein Gotterleben beschreibst.
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Was ich meine sind Aussagen bzw. Überlegungen zu metaphysischen Begebenheiten. Eben weil sie sich der Überprüfbarkeit entziehen.
Ich denke hier unterliegst Du den Konditionierungen durch das naturwissenschaftliche Denken, das besagt, nur das könne als bewiesen und damit sicher gelten, was experimentel überprüfbar ist.
Nun ist ja dieses Vorgehen am toten Stoff entwickelt worden, und nicht am lebendigen. Alles verlangt seine eigene Methode der Verifizierung. Was an der Materie gültig ist, muss und kann nicht auch am Lebendigen gültig sein. Denn im Lebendigen lassen sich in der Regel nicht immer wieder die gleichen Ausgangsbedingungen herstellen, wie eben an der unbelebten Materie.
Aber dort, wo sie annähernd hergestellt werden, etwa bei Nahtoderlebnissen, hat man eben gemeinmenschliche Merkmale gefunden: Reise durch den Tunnel, Erblicken des liebevollen Lichtes, Ausbreitung des ganzen vergangenen Lebens in einem Tableau und damit verbunden das Selbstgericht, die Begegnung mit bereits verstorbenen Familienangehörigen usw.
Abweichungen sind da - wie man es auch erwarten müsste - lediglich in den Inhalten des Lebenstableaus, denn diese geben die Inhalte des individuellen Lebens an.
Ich denke auf solche Übereinstimmungen zu achten, und diese wieder in Zusammenhang zu bringen, was man woanders auch an Übereinstimmungen entdeckt hat, und das mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang bringen, und alles auf logische Widerspruchsfreiheit überprüfen, ist ein guter Weg, um auch auf metaphysischem Gebiet zu wirklichen Gewissheiten zu kommen.
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Und hier kommt ein formallogisches Problem hinzu, dass ich versucht habe zu skizzieren. Denn nur wenn ich allwissend bin, kann ich mich nicht irren. Bin ich nicht allwissend, dann gibt es logischerweise etwas, dass ich nicht weiß. Ebenso könnte aber das was ich nicht weiß entscheidend sein für eine bestimmte Anschauung. Folglich kann ich mir logischerweise nie sicher sein, dass meine Erkenntnis der absoluten Wahrheit entspricht. Oder anders gesagt, selbst wenn es vielleicht der Fall sein könnte, kann ich mir dessen nicht absolut sicher sein. Das ist soweit ich es sehe eine logische Tatsache, die man leugnen oder ignorieren kann, die man aber nur schwerlich zu widerlegen imstande ist. Wenn also jemand für sich in Anspruch nimmt über eine absolute Wahrheit zu verfügen, also „absolut sicher um einen Zusammenhang zu wissen“, dann bin ich skeptisch
Ich denke nicht, dass ich allwissend sein muss, um zuverlässiges Wissen haben zu können.
Ich kann mir, um noch einmal ein bereits erwähntes Beispiel aufzugreifen, vollkommen sicher sein, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Das ist unter den gegenwärtigen Bedingungen unbedingt der Fall. Aber natürlich kann kosmologisch irgendetwas passieren, das die gegenwärtigen Zusammenhänge vorübergehend oder für immer außer Kraft setzt. Dann gilt es eben die neuen Zusammenhänge zu entdecken. Auch da kann man wieder - wenn alle konstituierenden Komponenten bekannt sind - ein sicheres Wissen haben.
Analog gilt das auch für alle metaphysischen Fragen.
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und sehe in diesem Anspruch offen gesagt eher ein menschliches Bedürfnis nach Kontinuität, nach Ansehen oder dem Wunsch nach Sicherheit bzw. der Vermeidung von Unsicherheit.
Sicher mag das in dem einen oder anderen Fall eine Rolle spielen, besonders bei gläubigen Menschen. Sonst ist es natürlich selbstverständlich, dass der Mensch nach Sicherheit strebt. Es fragt sich nur nach welcher.
Die meisten Menschen streben nach irdischer Sicherheit. Das ist erst einmal ganz natürlich. Nur ist im Irdischen keine wahre Sicherheit zu finden. Also muss ich sie im Überirdischen suchen. Nur ist es da verwunderlich, dass sich der Mensch da an lauter Unsicherheiten genügen lässt. Sonst gäbe es ja nicht die vielen miteinander unvereinbaren Vorstellungen über das Leben nach dem Tod usw.
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Bedürfnisse, denen wir alle von Zeit zu Zeit erliegen. Agnostizismus ist in diesem Sinne und nach meinem Verständnis also kein Unvermögen an sich, sondern das ehrliche Eingeständnis eines so oder so bestehenden Unvermögens.
Ich stehe dafür, dass dieses erst einmal vorhandene Unvermögen überwunden werden kann und muss. Es gab dieses Unvermögen auch einmal in Bezug auf die physikalischen Gesetzmäßigkeiten und heute handhaben wir sie so gut, dass wir wahre Präzisionsmaschinen erschaffen haben.
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Wer im Gegenzug einem anderen jedwede Berechtigung seines Glaubens abspricht, weil er selbst glaubt zu 100% recht zu haben, der macht sich in meinen Augen offen gesagt etwas vor. Aber selbst diesen Glauben kann ich tolerieren.
Ich verstehe unter "Glauben" nicht ein Für-wahr-halten irgendwelcher Glaubenssätze, sondern hauptsächlich ein immer mehr zu erwerbendes Vertrauen in den Mittelpunkt des Universums (Gott) mit dem erhofften Ergebnis mich immer und überall, wo ich mich auch im Universum befinden und was auch geschehen mag, geborgen und glücklich fühle.
Das ist logischerweise nur zu erreichen, wenn ich mich nicht an einzelnen Inhalten des Universums festkralle, sondern immer mehr in die Lage versetzt werden, loszulassen. Das wiederum kann ich nur völlig, wenn ich mich meiner eigenen ewigen Natur bewusst bin. Gerade heute morgen habe ich zufällig diese wunderbaren Sätze von Meister Eckhardt gelesen, denen ich voll zustimme:
Der gerechte Mensch dient weder Gott noch den Geschöpfen, denn er ist frei. Und je näher er der Gerechtigkeit ist, um so näher ist er der Freiheit und um so mehr ist er die Freiheit selbst. Alles, was geschaffen ist, das ist nicht frei. Solange irgendetwas noch über mir ist, das nicht Gott selbst ist, das drückt mich, so klein es auch oder wie immer es geartet sei. Und wäre es selbst Vernunft und Liebe; sofern es geschaffen und nicht Gott selbst ist, bedrückt es mich, denn es ist unfrei."
Was nun die metaphysischen Dinge betrifft, so sind es einfach "Dinge" die genauso Ordnungen haben, wie die materiellen, nur, dass eben den meisten Menschen diese "Dinge" noch verborgen und ihre Zusammenhänge ihnen unbekannt sind. Insofern sind sie auf die Mitteilungen derer angewiesen, die darüber etwas genaueres wissen. Dabei spielt die Art des Wissenserwerbs keine Rolle, ob durch Offenbarung oder durch Erkenntnis. Das könnte man als Vertrauen in andere bezeichnen. So wie ich eben einem Automechaniker vertraue, dass er sich mit Autos besser auskennt, als ich, der nur mal eine Motorhaube aufgemacht hat.
Bei dieser Art des Vertrauens geschieht eben das Ärgerliche, nämlich, dass diejenigen, die selbst keine Ahnung von der Sache haben, unverstanderweise die Mitteilungen anderer weitergeben und selbst Vertrauen (nämlich Glauben) einfordern, wo ein anderer vielleicht sieht, dass die Sache, wie sie der Überbringen "versteht" nicht stimmen kann.
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Ich bin mir nicht sicher, ob die Annahme der Unsterblichkeit der Seele zwingend zu der Annahme führt, in ihr ruhe der Sitz des Erkenntnisvermögens. Das hängt denke ich davon ab, was man unter Seele versteht. Aber wenn man von der Wirklichkeit der metaphysischen Annahmen zu Telepathie, Astralreisen oder Nahtoderfahrungen ausgehen mag, dann kann man es sicherlich in dem von dir genannten Sinne interpretieren. Wenn man von dieser Wirklichkeit ausgeht. Ich bin da offen gesagt sehr skeptisch und sehe wenig Veranlassung dazu.
Ich denke, darüber lässt sich Gewissheit verschaffen. Alles kann ja seinen Ausgangspunkt nur im Höheren haben. Der physische Leib generiert ja nicht die Seele, und die physischen Sinnesorgane sind eben nur "Apparate". Aber das, was sieht - wahrnimmt-, sind eben nicht die Werkzeuge.
Telepathie und Astralreisen bezweifelt der nicht, der dergleichen oder Annäherungen daran, selbst erlebt hat. Auch in der parapsychologischen Forschung sind diese "Dinge" unbestritten.
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Ja, Rudolf Steiner hat selbiges sicherlich von sich behauptet. Ich gebe zu, als Person finde ich seinen Lebensweg interessant. Vor allem auch der so radikale Wandeln über sein Leben hinweg.
Was seine inhaltlichen Lehren betrifft, muss ich gestehen überzeugen sie mich soweit ich sie kenne nicht wirklich. Ich sehe ihn da vielmehr als fast schon typischen, durch die esoterischen und nationalistischen Bedürfnisse und Überlegungen seiner Zeit beeinflussten Vertreter einer neuen, im Gegenentwurf zur kirchlichen Tradition stehenden religiöse Neubesinnung. In diesem Sinne sagen seine Ausführung vermutlich viel mehr über seine ihn als über die Wirklichkeit aus. Er hatte gegenüber anderen jedoch wie es scheint ein nicht zu leugnendes rhetorisches Talent bzw. ein Talent sich selbst zu vermarkten. Dennoch beruhen seine Lehren meiner Meinung nach oftmals auf falschen Annahmen und erkenntnistheoretischen Grundfehlern, allem voran sein Anspruch auf die Wissenschaftlichkeit seines Ansatzes.
Dieser Sicht auf Steiner kann ich überhaupt nicht zustimmen. Das erklärt auch nicht seine Wirkung und den praktischen Erfolg seiner Lehre auf den verschiedensten Gebieten.
Er hat stets frei und immer wieder mit neuen Details über die verschiedensten Gebiete des Lebens gesprochen ohne sich in Ungereimtheiten zu verheddern, wie es notwendig sein müsste, wenn man einfach fabuliert.
Aber es ist verständlich, dass Du als Agnostiker es so sehen musst.
Für mich ist er der bedeutendste Mensch, der seit Christus in der Öffentlichkeit gewirkt hat. Eigentlich schon gar kein Mensch im üblichen Sinne mehr.
Er selbst deutete an, die Wiederverkörperung von Aristoteles und Thomas von Aquin zu sein. Das ist für mich nachvollziehbar.
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Das ist sicherlich eine interessante Frage. Nein, für einen Zufall halte ich sie nicht. Aber – und das ist einer der Fehler auch in Steiners Denken – man muss zwischen Wahrnehmung und Deutung unterscheiden. Aus der Wahrnehmung allein folgt nicht zwingend die Wirklichkeit als einzig mögliche Deutung.
Das ist eine Selbstverständlichkeit. Dessen war auch Steiner sich voll bewusst. Wenn man liest, wie genau er in allen Dingen unterscheidet, da kann sich jeder eine Scheibe davon abschneiden.
LG,
Digido