Hallo, grüss Gott Sarandanon
Sogar meine rhetorische Frage - bezogen auf "verblasste" User dieses Forums - hast du beantwortet, wenn auch dein Blick - im Gegensatz zu mir - auf aktuelle User gerichtet ist. ;-)
Tatsächlich schätze ich mich so ein, dass ich mit Menschen, die dem klassisch-kirchlichen christlichen Glauben kritisch oder gar feindlich gegenüberstehen, ganz gut leben kann. Und es muss da das Aufeinandertreffen von verschiedenen Welten durchaus nicht dazu führen, dass man sich zerfleischt. Mein engster Freundeskreis besteht mehrheitlich aus Agnostikern und Atheisten. Und obwohl nicht selten die Religionen und der Glaube bzw. Unglaube im Zentrum der Gespräche steht, fliegen da niemals die Fetzen. Es kann sehr befruchtend sein, sich mit glaubenskritischen Fragen auseinanderzusetzen. Die Liebe hört nicht auf, wo der persönliche Glaube endet. Und wenn ich aufrichtig sein will: Meine agnostischen bzw. atheistischen Freunde leben die Nächstenliebe vorbildlich, so vorbildlich, dass ich mich hin und wieder ganz schön zusammennehmen muss, ihnen nicht hinterherzuhinken was Geduld, Dienst am Nächsten und Grossherzigkeit anbelangt.
Du schreibst denn auch:
Geduld und Duldsamkeit! Da stimme ich dir von ganzem Herzen zu.
Beide sind bei mir von Natur aus wenig ausgeprägt. Dennoch glaube ich, in den vergangenen Jahrzehnten mich darin ziemlich geübt zu haben. Nur in einem Punkte sträubt sich in mir alles gegen die Duldsamkeit: Wenn Menschen argwillig der Lüge frönen. Wie ergeht es dir damit? Ist in einem solchen Falle die Duldsamkeit - oder anders gesagt: ein Beugen unter die Lüge - angebracht?
Wohl habe ich erkannt, dass es verschiedene Motive gibt, die Menschen zum Lügen bewegen; es gibt jene, die aus Not lügen, weil sie sich zu schwach fühlen, die Wahrheit sich selber und anderen gegenüber einzugestehen, ansonsten aber ganz gutwillige, freundlich gesinnte Menschen sind.
Es gibt aber auch jene, die die Lüge mut- wenn nicht gar böswillig einsetzen, um zu verletzen und Schmerz zuzufügen.
Wenn ich über die - uns beiden wohlbekannten - "alten" User nachdachte, so kam mir der Gedanke, dass diese vielleichteinst auch von Lügnern, die sich als Gläubige ausgaben, missbraucht und seelisch "getötet" wurden. Aber wenn ich denn wieder ihr Verhalten vor Augen hatte und zusehen musste, wie sie jeden gutwilligen Gläubigen verfolgten, ihnen Worte, Handlungen und Haltungen zuschoben, die sie an den Haaren herbeizogen und so Brandpfeile um Brandpfeile aus dem Hinterhalt und im Schatten von Lügen abschossen, da sträubte sich dennoch alles an und in mir, Duldsamkeit zu üben. Auch wenn ich Menschen sehe, die etwas oder jemanden durchaus schlecht machen - also gegen das Gebot der Liebe auf arge Weise verstossen - packt mich der Eifer.
Gibt es auch bei dir eine Grenze der Duldsamkeit, ein Punkt, da du dem "Eifer" Hand bietest? Wenn ja, in welchem Rahmen und unter welchen Bedingungen?
Zu meinem unguten Gefühl bezogen auf das Wort "bibelfundamentalistisch" schreibst du:
Ich will deiner kritischen Art Raum lassen. Dennoch bin ich der Auffassung, dass doch in keiner Weise von Fundamentalismus gesprochen werden kann, solange jemand einfach die Bibel wortwörtlich für sich nimmt, sein persönliches Leben danach ausrichtet und sich von seinem individuellen Standpunkt aus einbringt in Diskussionen - selbstverständlich immer im Rahmen der Nächstenliebe. Ich nehme jedenfalls die Bibel wortwörtlich, und ich gehe nicht davon aus, dass ich deswegen jemandem fundamentalistisch auf die Füsse trete...
Du schreibst:
Darin stimme ich mit dir völlig überein, dass der Mensch nicht umhin kommt, die Bibel im Kontext zur gegenwärtigen Zeit und somit zum individuellen Leben zu betrachten, wenn er dem lebendigen Geist darin auf die Spur kommen will. Allerdings bin ich dabei auch der Überzeugung, dass es sehr verschiedene Weisen gibt, wie man an die Bibel herangehen kann, und eine, die sich als sehr fruchtbar für mich erwiesen hat, besteht darin, die Bibel wortwörtlich zu nehmen und die Zeit ganz und gar ausser acht zu lassen, also, sie so zu lesen, als wäre alles gerade jetzt brandaktuell und der ganze Bibelinhalt würde genau den gegenwärtigen Zeitpunkt wiedergeben, an dem ich gerade stehe. Das mag nun etwas unverständlich klingen, aber mir geht's nicht so sehr darum, dass es jemand versteht, sondern vielmehr darum, dass der Möglichkeit Raum gelassen wird, dass es nicht falsch ist und keineswegs fundamentalistisches Denken im negativen Sinne fördert (es sei denn, ich hätte eine völlig verzerrte Selbstanschauung ;-) und komme fundamentalistisch daher, ohne es zu merken).
Darum verwundert es mich auch sehr, dass du den folgenden Satz schreibst:
Ich mag es einfach nicht! Fundamentalismus hat einen stark negativen Anstrich, und Individualität - auch im Lesen, Verstehen und Auslegen der Bibel - ist doch nicht per se fundamentalistisch. Aber die Art und Weise wie die eigenen Überzeugungen in die Welt gesetzt oder in der Welt umgesetzt werden, das kann fundamentalistische Züge annehmen oder auch komplett fundamentalistisch sein. Und ja, dann störts mich auch, aber das hat dann ja nichts damit zu tun, dass jemand die Bibel wortwörtlich nimmt oder nicht, und hat auch nichts damit zu tun, ob jemand die Bibel in die heutige Zeit "übersetzt".
Kannst du nachvollziehen, was ich sagen möchte? - Ich glaube schon, denn du nimmst auf meine zwei obigen Beispiel wie folgt Stellung:
Hier scheint mir wichtig zu betonen, dass Fundamentalismus an und für sich nur eine fest Begründung ist. Aber für die meisten Menschen ist dieser Begriff negativ belegt, weshalb ich es eben nicht mag, wenn er für christliches Denken benutzt wird, es sei denn, er beschreibt rigoroses oder gar gewalttätiges Vorgehen gegen Andersdenkende.
Du schreibst ferner:
Da bin ich aber froh, dass du einer von denen bist, die die Bibel nicht umschreiben will. *freu* Hab ich doch im voraus schon von dir gedacht! :-)
Aber im Gegensatz zu dir schätze ich dennoch die Apostelbriefe als Gottes Wort ein. Das soll uns aber nicht ein Hindernis sein, uns von dem zu besprechen, was uns verbindet: Der Glaube an und die Liebe zu Jesus Christus! Einverstanden?
Diese Erfahrung habe ich nie gemacht. Ich weiss, dass die RK in diesem Rufe steht. Sofern überhaupt, dann sind es doch immer die Menschen, die einander nichts gelten lassen wollen, aus welchen Gründen auch immer. Darum bin ich auch bestrebt, niemals über Institutionen zu "lästern"; das leistet nämlich negativen Verallgemeinerungen Vorschub. Aber: Du hast ja nicht gelästert!!! Danke, denn ich bin von Geburt aus RK, und ich fühle mich gerufen, meiner Glaubensmutter zuzugehören, aber natürlich unter Vorbehalt meiner individuellen Gottesbeziehung.
Da stimme ich dir vorbehaltlos zu. Allerdings habe ich den Eindruck, dass unter Franziskus die Regeln eher gelockert werden könnten, die Theorie mehr in den Hintergrund treten wird und das individuelle Engagement der Einzelnen Mitglieder an der Basis mehr in den Vordergrund. Ob das nur von Gutem sein wird, das muss sich erst noch zeigen. Es birgt auch Gefahren, denen aber Jesus gewiss zu steuern weiss, wenn die Christenheit an ihm festhält - und nicht jeder nur sich selber und das Seinige in den Mittelpunkt stellt.
Ja, das spürt man heraus. Ein Anerkennen des Wertes der Apostelbriefe ist doch auch kein Pappenstiel! *freu*
Wenn ich sage, dass es unzählige Passagen in den Briefen gibt, deren gehaltschwere Aussagen ich nicht missen möchte, so wirst du das - denke ich -nachvollziehen können. Letztlich geht es ja immer darum, dass wir nicht die Bibelworte - seien sie nun aus den Evangelien, den Briefen, der Offenbarung oder auch aus dem AT - dazu benutzen, unser Eigenes zu legitimieren, sondern dass wir darin nach Erkenntnis und Einsicht suchen, um Selbst- und Gotteserkenntnis zu gewinnen, damit wir unser Leben entschieden im Einklang mit der Liebe Gottes leben können als vollwertiges (Mit-)Glied am Leib Christi.
Na, du weisst schon, wie ich denke. Ich schenke dir ein Lächeln - und gebe dem Gedanken Raum, dass ich die Apostelbriefe vielleicht auch irgendwann anders gewichten werde.
Lg Mitleser