Gemäß der falschen, weitverbreiteten Auffassung, die systematisch von sämtlichen Sprachrohren der bürgerlichen Ideologie, von der Sensationspresse bis hin zu den Professoren der Akademien, aufrechterhalten und ausgestreut wird, bedeutet der Kommunismus eine Gesellschaft, in der alles vom Staat geregelt wird. Die ganze Identifizierung des Kommunismus mit den stalinistischen Regimen geht auf diese Annahme zurück.
Und noch immer ist dies eine vollkommene Lüge, bei der die Wahrheit auf den Kopf gestellt wird. Für Marx, für Engels, für all die Revolutionäre, die in ihre Fußstapfen traten, bedeutete der Kommunismus eine Gesellschaft ohne Staat, eine Gesellschaft, in der die menschlichen Individuen ihre Angelegenheiten ohne eine über ihnen stehende Zwangskraft, ohne Regierungen, Armeen, Gefängnisse und nationale Grenzen regeln.
Natürlich hat die bürgerliche Weltsicht auf diese Version des Kommunismus eine Antwort parat: Ja, ja, dies sei jedoch nur eine Utopie, die niemals eintreten werde; moderne Gesellschaften seien zu groß, zu komplex; die Menschen seien nicht vertrauenswürdig genug, zu gewalttätig, zu gierig nach Macht und Privilegien. Die ganz Raffinierten (Professoren wie J.Talmond, Autor von The Origins of Totalitarian Democracy, zum Beispiel) setzen uns gar davon in Kenntnis, daß der Versuch, eine staatenlose Gesellschaft zu gründen, nur zu einer Art monströsen leviathanischen Staat, wie er in Rußland unter Stalin entstanden war, führen könne.
Aber halt: Wenn die Vision eines staatenlosen Kommunismus nichts anderes ist als eine Utopie, als ein edler Traum, warum spenden die gegenwärtigen Meister des Staats soviel Zeit und Energie für die Wiederholung der Lüge, daß Kommunismus gleich Staatskontrolle über die Gesellschaft ist? Kann es daran liegen, daß die authentische Version gegenwärtig eine subversive Herausforderung für die existierende Ordnung darstellt und daß sie mit den Notwendigkeiten einer wirklichen Bewegung korrespondiert, die unvermeidlich dazu gezwungen wird, den Staat und die Gesellschaft, die er beschützt, zu konfrontieren?
Wenn der Marxismus der theoretische Standpunkt und die Methode dieser Bewegung ist, der Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, dann wird es schnell ersichtlich, warum die bürgerliche Ideologie in all ihren Formen - nicht zuletzt jener, die sich selbst als Marxisten etikettieren - immer danach getrachtet hat, die marxistische Theorie des Staates unter einer riesigen Halde intellektueller Verweigerung zu begraben. Als Lenin 1917 ‘Staat und Revolution’ schrieb, sprach er über die Notwendigkeit, die marxistische Position zum Staat vom reformistischen Schutt zu befreien. Heute, wo im Gefolge all der bürgerlichen Kampagnen der stalinistische Staatskapitalismus als Kommunismus identifiziert wird, muß dieses Werk fortgesetzt werden.
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