
Zitat von
thalestris
Gott hat vll in der Medizin "nix zu suchen", aber ich glaube schon das es Bereiche gibt in denen Gott auch eine Rolle spielt. In der Religionswissenschaft vielleicht. Oder aber vll auch in der Psychologie... denn alle Menschen haben ja so ne Art... "Urglauben"? (Wie nennt man das richtig Lior?) und das ist bestimmt auch für die Psychologie interessant woher das kommt.
Bedingt thalestris. Sowohl in der Religionswissenschaft als auch in der Psychologie oder anderen Teildisziplinen die sich mit dem Glauben beschäftigen, interessiert man sich für z.B. die Ansichten anderer über Gott, für ihre Lehren, wie sie sich entwickeln usw. Man kann untersuchen wie z.B. Sprache das Denken und religiöse Vorstellungen bedingt, welche Vorstellungen in den Religionen auf Austauschprozesse mit anderen Kulturen zurückgehen und wie der Mensch die Geschichte und/oder sein eigenes Handeln religiös deutet und legitimiert. Kurz gesagt, da die Träger dieser Vorstellungen Menschen sind, kann man auch in der Entwicklung eines Glaubens oder einer Religion Spuren menschlichen Denkens und menschlicher Deutung erkennen.
Allerdings muss eine Wissenschaft dort die Grenze ziehen, wo die Überlegungen ihren Arbeitsbereich verlässt. Und das ist die „diesseitige“ Welt. (Was nicht heißt, dass Wissenschaftler als Menschen nicht ebenso ihre persönlichen Ansichten zum Glauben haben) D.h. auch die Religionswissenschaft oder die Psychologie wird sich nicht Gott als Thema direkt zuwenden. Oft wird ihr das von Gläubigen zum Vorwurf gemacht, aber das liegt meist am Unverständnis für wissenschaftliches Arbeiten. Die Wissenschaft will Gott nicht ignorieren, sie kann Gott nur nicht untersuchen, also darf sie ihn auch nicht zum Gegenstand ihrer Arbeit machen. Weil ihre Werkzeuge in dieser Frage unbrauchbar sind. Das wäre plakativ gesagt als würdest du einen Mechaniker bitten mit seinem Werkzeug eine Blinddarm-Op durchzuführen. Ein schlechter mag es vielleicht versuchen – aber das Ergebnis wird nicht wirklich hübsch werden. Ein guter Mechaniker aber wird das ablehnen, weil er seine Grenzen kennt. Ob es nun Sinn macht ihm vorzuwerfen, dass er es nicht einmal versucht?
Es ist übrigens nicht so, dass man direkt in die Psychiatrie einfährt, nur weil man der Überzeugung ist, dass man Gottes Stimme hört. Das mal nur so im Nebensatz.^^ Aber es ist richtig, manche religiösen Phänomene entsprechen in ihrer Beschreibung psychischen Phänomenen. Und ebenfalls richtig ist, dass in Kulturen mit geringem Verständnis für wissenschaftliche Zusammenhänge oftmals religiöse Erklärungsmuster herangezogen werden. Ob nun der Donner eines Gewitters als Kämpfen zwischen Geistwesen erklärt wurde, Krankheiten als Auswirkung von Dämonen und nicht von Viren gesehen werden oder ob epileptische Anfälle als eine Überwältigung durch den göttlichen Geist und schlechte Ernten auf das Wirken von Hexen zurück geführt werden. Es ist insofern anzunehmen, dass auch in unserer Kultur gewisse Phänomene religiös gedeutet wurden, die wir heute sehr viel banaler erklären würden. Ob dies nun auf einzelne Fälle zutrifft, das bleibt spekulativ. Und ich z.B. würde mich deshalb nie erdreisten rückwirkend religionshistorisch bedeutsame Personen psychopathologisch zu befunden, selbst wenn ich ein klinischer Psychologe oder Mediziner wäre. Da gibt es natürlich auch andere aber oft agieren diese auch mehr aus einer ideologischen und weniger aus einer wissenschaftlichen Perspektive.
Das gilt auch für die Einschätzung von Heiligen und deren Visionen. Die Beurteilung historischer Quellen ist da schon sehr schwierig, oftmals dienten diese Beschreibungen auch weniger der historischen Aufzeichnung sondern mehr der Erbaulichkeit oder theologischer Verkündung. Und letztlich haben wir auch im Zusammenhang mit Visionen oft das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung. Z.B. wenn eine Vision von der Freiheit die Menschen erst dazu beflügelt sich zu erheben und eben jene Freiheit zu erkämpfen. Jeanne d'Arc ist in meinen Augen eine tragische Heilige, denn letztlich wurde sie in meinen Augen für politische Zwecke missbraucht. Was ich bei ihr jedoch interessant finde ist, dass sie selbst heute als Heilige gilt, ihr engster Vertrauter, Heerführer und Berater hingegen durch seine Teufelsanbetung, seine Versuche der Dämonenbeschwörung und die Folterung und Ermordung unzähliger kleiner Kindern, deren Blut er teils nutzte um okkulte Texte zu verfassen, als einer der größten Massenmörder und Teufelsanbeter in die Geschichte eingegangen ist. Deshalb ist es in meinen Augen ein faszinierendes Beispiel wie nah sich das Heilige und das Unheilige stehen können…..
Geändert von Lior (07.03.2016 um 14:01 Uhr)
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
Lesezeichen