Ich kann verstehen, dass dich das im Glauben verunsichert. Die Revidierungen haben aber nicht das Ausmaß, dass du vermutest. (Was war nochmal die Erkenntnis aus den Qumran-Rollen? Ein paar Satzzeichen und Buchstabenfehler? Insgesamt jedenfalls eher ein unerwartetes Zeugnis für die Genauigkeit der schriftlichen Überlieferung). Ich bleibe deshalb dabei:
Mir fallen einige Missverständnisse bei dir auf, die darauf schließen lassen, dass du deine "biblische Lehre" im Ursprung nicht aus der Schrift selbst, sondern von irgendwelchen "Schriftgelehrten" (vielleicht von deinen rk-Eltern oder den von ihnen dir vorgesetzten Bibellehrern) bezogen hast. Und jetzt fällt dir auf, dass sie dich falsch gelehrt haben und du denkst, der Fehler liegt in der Schrift. In Wahrheit aber liegt der Fehler in ihrer Lehre. Zu allen Zeit lag der Trugschluss in der Lehre der Schriftgelehrten, nicht in der Schrift. Das ist scheinbar in deinem Leben nicht anders gewesen als im Leben der Jünger, die auch von ihren Schriftgelehrten Dinge "gehört" hatten, die Jesus richtigstellen musste. Allerdings richtig stellen im Sinne der Schrift!! Jesus sagte daher nicht: "Ihr habt gelesen, dass geschrieben steht, ..., ich aber sage euch", sondern er sagte: "Ihr habt gehört ..., ich aber sage euch ...". Das was sie gehört hatten, war falsch. Die Lehre, die aus der Schrift entzogen wurde, entsprach nicht dem Sinn der Schrift. Aber das, was geschrieben stand, war richtig. Und Jesus stellte sich nun gegen die Lehre auf die Seite der Schrift. Warum sonst hätte er in der Wüste gegen Satan mit der Schrift argumentiert? Gleich dreimal sagte er: "es steht geschrieben"... "es steht geschrieben" ... "es steht geschrieben".
Ich möchte dir ein Beispiel dafür geben: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist »Auge um Auge, Zahn um Zahn«, ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ (Mt 5,38-39). Jesus klärt hier ein Missverständnis von Gottes alttestamentlichem Wort auf, das von den Schriftgelehrten bis zu dieser Zeit völlig verdreht wurde. Im Alten Testament ist die Aussage „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ nämlich gerade keine Aussage zum Thema Rache und Vergeltung, sondern eine Aussage zum Thema Schadensersatz. Und wenn man das mit gesundem Menschenverstand liest, ohne zuvor diese verseuchte Lehre (Interpretation eines Rachegebotes) eingeimpft bekommen zu haben, dann kommt man auch gar nicht auf die Idee, das anders zu verstehen als als Schadenersatzregelung. Gott gebietet dieses nämlich im Kontext der Herstellung einer staatlichen Rechtsprechung. Er gebietet, dass in einem Schadensfall die Rechtsprechung eine vollständige Erstattung des Schadens vorsehen soll, weil das in seinen Augen Gerechtigkeit ist. Dabei wird aber die Frage beantwortet: „Was steht einem Geschädigten rechtmäßig zu?“, und nicht die Frage: „Wer darf wie für Gerechtigkeit sorgen?“. Die Schriftgelehrten haben dieses Wort Gottes aber dazu missbraucht, um sich diese ethische Frage zu beantworten. Die ethische Frage hingegen, wer vergelten darf und wie vergolten werden soll, beantwortet Gottes Wort allerdings gerade nicht mit „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, sondern mit „Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.” – und das schon im Alten Testament (3. Mose 19,18). Deshalb sagt Jesus hier „Ihr habt gehört, dass gesagt ist…, ich aber sage euch …“. Er stellt damit keinen neuen, sondern den ursprünglichen Sinn der Schrift wieder her, den die Schriftgelehrten verdreht hatten. Er führt also zur Schrift zurück, nicht von ihr weg.
Wir haben heute das gleiche Problem: Viele haben ihre Lehre von Schriftgelehrten und nicht aus der Schrift. Das Missverständnis, dass sie nun mit sich herumtragen, stellt eigentlich nur die Fehlbarkeit ihrer Lehrer zur Schau, nicht aber die Fehlbarkeit der Schrift. Die meisten rennen nur in Gottesdienste und hören Predigten oder hören ihren Eltern zu und lassen sich vorkauen, wie man die Dinge zu verstehen hat, anstatt selbst das Buch aufzuschlagen, mitdenkend darin zu lesen und von Gott zu erwarten, dass er sich selbst vermittelt. Ich kann daher einen Teil deines Ärgers verstehen, Net.Krel. Sogar deine Argumentation. Und deine herzensgute Intention, Menschen aufzuklären. Aber auch du musst noch aufgeklärt werden. Vertraue dazu am besten nicht Menschen (sie alle machen Fehler), sondern nur Gott, der sich dir in seinem Wort, der Bibel, offenbart. Wenn du ihm vertraust, klären sich die Missverständnisse auf.
Ok, der über Zeit und Kultur und Religion stehende Standpunkt, der höchste gemeinsame Wert, ist Nächstenliebe/Demut, man könnte also sagen: "christlicher Buddhismus". Dieser kostet dann halt die christliche Erlösung, weil das kein gemeinsamer Wert ist, aber er bringt zumindest alle aufs höchstmögliche zusammen, ohne dass irgendwer sein gesamtes Lehrgebäude über den Haufen werfen muss. Ich kann verstehen, dass man zu diesem Kompromiss neigt, wenn man die christliche Erlösung eh nicht kennt. Aber wer sie kennt, gibt sie nicht auf, sondern versucht, sie auch den anderen bekannt zu machen, damit sich niemand mit weniger zufrieden gibt als er haben kann, nur weil es "der einfachere Weg" ist. Ja, die christliche Erlösungslehre erfordert, dass komplette Lehrgebäude über den Haufen geworfen werden, aber was ist das Problem? Will denn irgendjemand nicht erlöst werden, wenn Erlösung alle anderen hohen Werte ebenfalls umfasst? Leute!!
Anscheinend geht's uns beiden im Leben um komplett verschiedene Dinge. Mir geht es nämlich tatsächlich nicht um die beste Weisheit oder die beste Gotteslehre. Mir geht es ernsthaft nur um eines: Erlösung. Ich habe meine Erlösung schlichtweg nirgendwo anders beschrieben gefunden als in der Bibel - sei die Bibel nun die beste Weisheit und Gotteslehre oder nicht.
Vielleicht solltest du weniger Interpretationen von Schriftgelehrten vergleichen (denn damit hörst du wieder nur irgendwelchen irrigen Menschen zu), sondern das Höchstmögliche dessen, wovon die Christentume reden, einmal selbst zu erkennen versuchen in dem, was sie "Gottes Wort" nennen. Du wirst es nicht erkennen, Net.Krel, wenn du Gottes Wort diesen Vertrauensvorschub nicht gibst. Lass dich nicht von den irrigen Schriftgelehrten und Christentumen um deine Erlösung bringen!
Mein Einschub sollte dazu dienen, zu verdeutlichen, wie ich die Aussage verstehe. Und die kann man vom Kontext her auch so verstehen. :)
Na sowas! Obwohl du doch sonst immer so gut im Kontext liest! ... Dir ging es darum, dass man anderen vergeben muss, um selbst vergeben zu bekommen. Und ich sagte daraufhin: Wir werden auch vergeben, wenn uns vergeben wurde. Was ich damit ausdrücken wollte ist das: Wir können nicht lieben, wenn wir keine Liebe empfangen haben. Wir können nicht vergeben, wenn wir keine Vergebung empfangen haben. Wir können grundsätzlich nichts geben, was wir nicht haben. Wie aber können wir Menschen vergeben, wenn wir zuerst auf ihre Vergebung warten? Oder wie können sie uns vergeben, wenn sie zuerst auf unsere Vergebung warten? Gott muss uns zuerst vergeben, damit wir wiederum Menschen gegenüber zuerst vergeben können. Damit Gott uns vergeben kann bzw. nein: damit Gottes Vergebung auch irgendeine fühlbare Auswirkung für uns hat, müssen wir erkennen, was wir überhaupt Gott gegenüber (Gott gegenüber!) falsch gemacht haben (ich sage nicht, dass unsere Sündenerkenntnis für Gott wichtig ist, um uns vergeben zu können, sondern dass sie für uns wichtig ist, um seine Vergebung fühlen zu können).
Gott hat das, womit wir an ihm schuldig wurden, vergeben, als er in der Person von Jesus Christus am Kreuz hing, welche sagte: "Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun". Gott hört das Gebet der Gerechten. Jesus Christus war gerecht. Gott hat dieses Gebet erhört. Alles, was Jesus zu Unrecht erlitt, ist vergeben worden. Angesichts dessen, dass Jesus sagt: "Was ihr einem dieser Geringsten tut, das habt ihr mir getan", ist es nur logisch anzunehmen, dass alles, was wir Menschen antun, wir Jesus antun. Und Jesus hat uns vergeben. Er schickt uns damit aber - und da gebe ich dir Recht - auch zurück zu den Menschen, wenn er sagt: "Vergebt, so wird auch euch vergeben". Indem wir Menschen vergeben, werden wir praktisch frei. Jemand, der nur Vergebung empfängt von Gott, aber Menschen dann nicht vergibt, der ist auch nur frei in der Beziehung zu Gott, aber nicht in der Beziehung zu den Menschen.
Das ist etwas ganz praktisches, Net.Krel, etwas, das ich praktisch genau so erlebt habe: Ich habe meine Vergebung von Gott empfangen, bin zum Glauben an Jesus gekommen, hatte auch irgendwie kein großes Problem mehr mit meinem Vater (ich war also schon frei von Groll in der Beziehung zu ihm!), aber erst, als ich diesen Vergebungsprozess bewusst durchlebt habe, also ihm bewusst vergeben habe, war das Problem auch tatsächlich aus der Beziehung verschwunden. Was ich daraus resümiere ist, dass wir vielleicht im Geist frei sein können, allein durch den Glauben an Jesus, aber im Praktischen hat das keinerlei Auswirkungen, wenn wir nicht geben, was wir empfangen haben. Dann war die Vergebung Gottes für das Resüme unseres Lebens auf Erden vergeblich, was uns im Rückblick sicher ewig gereuen wird. Für unser ewiges Leben allerdings bedeutet das "nur", dass wir ewig mit diesem Reuegefühl leben müssen (schlimm genug!). Wenn wir aber die Schuld an Gott noch gegen uns stehen haben, werden wir gar nicht ewig leben.
Indem wir ihn dann von Angesicht zu Angesicht sehen werden, werden alle ungelösten Dinge gelöst sein. Je mehr von ihm wir schon auf Erden sehen, desto mehr davon wird schon auf Erden gelöst sein. Denn in ihm sind bereits alle Dinge gelöst.
Liebe Grüße
Frau Shane
PS: Ich habe gestern Abend lange über dich nachgedacht. Was für einen Aufwand du betreibst, um dieses rkk-Problem aufzuklären, das du siehst. Du bist unermüdlich damit beschäftigt und nichts kann dich aufhalten. Ich traue dir zu, dass du die ganze Menschheitsgeschichte revolutionierst mit deinem Eifer. ;) Aber findest du nicht, du hast dich da etwas zu sehr in dein Familienproblem reingesteigert? Du sagtest:
Warum unterschiedest du dann nicht auch dein lokales, familiengeschichtliches Problem von der Weltgeschichtliche, sondern eiferst in der Weltgeschichte herum, um dein Familienproblem zu lösen?
Du sagst:
Findest du dann diejenigen nicht genauso fatal, die Familiengeschichtliches auf der Ebene der Weltgeschichte austragen und damit eine Geschichtsaufklärung daraus basteln, welche die einzige Religion verzerrt, die dem Menschen Erlösung in Aussicht stellt? Das finde ich fatal.
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