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Padma
Hast du gelesen, was ich dazu geschrieben habe (als Beispiel) wie eine Lüge die andere nach sich zieht und wie jedes Mal die Hemmschwelle weiter sinkt?
Na klar. Wenn wie in deinem Beispiel, die Hemmschwelle eine Lüge an die andere Lüge zu platzieren und anzureihen beständig sinkt, dann geschieht das doch wohl meistens deshalb, weil sich der Lügner denkt, es wäre für ihn vorteilhafter, bequemer, besser, er bleibt jetzt bei der Lüge und erweitert sie sogar lieber noch, als reinen Tisch zu machen und sich sozusagen wieder auf den "Pfad der Wahrheit" zu begeben.
Man kann dieses Verhalten sehr wohl kritisieren und es steckt wohl sowas wie Selbstsucht, vielleicht auch Scham in diesem Verhalten, dass lieber in der Lüge verharrt, als sich der Wahrheit zu öffnen, aber das ist doch kein hinreichender Grund, um den Menschen als "Sklave der Sünde" bezeichnen zu können, denn ein Sklave hat ja nun wirklich keine großartigen Handlungsfreiheiten, sondern muss eben tun, was ihm sein Herr gebietet.
Und da gibt es dann doch einen Unterschied zwischen einem Selbstsüchtigen und einem Sklaven. Der Selbstsüchtige lügt ja nur deshalb weiter, weil er denkt das wäre besser so und diente ihm letztlich zum Vorteil, der Sklave jedoch würde in diesem Beispiel deshalb lügen, weil er lügen muss - zwanghaft sozusagen.
Hier kommt dann meiner Meinung nach die persönliche Verantwortung ins Spiel. Denn ja klar, wir sind verantwortlich für das was wir tun und für das was wir nicht tun, aber das sind wir eben gerade deshalb, weil wir in unseren Handlungen frei sind, wir uns also für den einen oder anderen Weg entscheiden können und (ich sag' es jetzt mal bisschen anders) eine bestimmte Lesart der paulinischen Lehre, nämlich die Lesart die behauptet wir wären Sklaven der Sünde, könnten das Gute zwar wollen, aber es käme dann trotzdem nur Böses bei raus und ständen deshalb ganz grundsätzlich unter dem Gesetz der Sünde, verneint ja gerade die Handlungsfreiheit des Menschen.
Das ist ja gerade das sozusagen Unheimliche an dieser Vorstellung, dass der Mensch ein Sklave der Sünde sei und die Sünde deshalb Macht über jeden habe, der nicht durch Jesu Blut frei gekauft, und fortan ein Sklave der Gerechtigkeit geworden ist.
In unserem Alltag erleben wir deshalb solche Situationen doch auch ganz anders. Da ist dann der Mensch aus dem Beispiel zwar beständig Lüge an Lüge reihend, weil er es in dieser bestimmten Situation eben als vorteilhaft betrachtet, aber kann gleichzeitig doch trotzdem noch jederzeit umkehren, so wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn der Sohn irgendwann umgekehrt ist, nachdem er bei den Schweinen aufgewacht war.
Dieser Moment des Wachwerdens ist, so denke ich, ganz entscheidet. Manchmal ist man in einer sich flott entwickelnden Situation so sehr neben der Spur, dass man eventuell Lüge an Lüge reiht, aber wenn man dann erst einmal ein bisschen Abstand von dieser Situation gewonnen hat und eine andere Perspektive einnimmt, dann kann man doch durchaus zu der Erkenntnis erwachen, dass das Lügen falsch war und dementsprechend entschuldigt man sich dafür und kehrt also um.
Die Perspektive, aus der heraus wir unser Leben leben und Entscheidungen treffen ist nämlich ganz entscheidend, denn von der Perspektive hängt es letztlich sehr häufig ab, ob wir unsere Fehler überhaupt einsehen können, oder eben nicht.
Ein "Sklave der Sünde" wäre aber auch nicht zu einem solchen Perspektivwechsel fähig und selbst wenn er es doch wäre, dann könnte er sein Handeln nicht korrigieren, denn er stünde dann ja weiterhin unter dem Einfluss der Sünde und die lässt ihn ja angeblich nicht das Gute tun, was er eigentlich will.
Du siehst also, dass die Situation, in der sich der "paulinische elende Mensch" befindet, vollkommen konstruiert ist und mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, denn ein Sklave der Sünde ist ja weder frei darin einen Perspektivwechsel vorzunehmen, noch ist er in seinen Handlungen frei, er ist ein durch und durch unfreier Mensch, so dass er sogar tun muss, was er eigentlich gar nicht will und solch ein Mensch kann doch nie zur Umkehr finden.
Wir Menschen finden aber sehr wohl zur Umkehr, sehen sehr wohl ein, dass wir den eingeschlagenen Weg nicht weiter gehen können und deshalb sind wir auch dazu in der Lage unseren Weg zu korrigieren, wie eben z.B. der verlorene Sohn umgekehrt ist.
Abschließend kann ich deshalb sagen: Ja, es gibt Situationen, in denen der Mensch Lüge an Lüge reiht, um die erste Lüge aufrecht erhalten zu können, aber er tut das nur so lange quasi sklavenhaft, solange er an seiner ersten Lüge festhält und das muss er ja nicht zwangsläufig, also nicht sklavenhaft, sondern er kein Einsehen, dass es falsch ist die erste Lüge aufrecht erhalten zu wollen und er ist dann sehr wohl frei dazu, sich von der Lüge zu lösen, sich für sein Verhalten zu entschuldigen und einen anderen Weg einzuschlagen.

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Padma
Das Gefühl für das, was richtig und falsch ist, die Stimme des Gewissens, verstummt immer mehr, wenn Egoismus einen Menschen regiert.
Und das führt dazu, dass er nur noch dann glücklich und zufrieden sein kann, wenn alles um ihn herum nach seinen Wünschen und Vorstellungen läuft. Er kann keinen 'Mangel' irgendeiner Art aushalten, kann nicht mit sich selbst in Frieden allein sein, kann nicht geben, ohne aufzurechnen, was für ihn dabei herausspringt.
Und er 'definiert' sich im Vergleich mit anderen - anstatt sich dessen bewusst zu sein, was seine wahre Identität ausmacht.
Er muss - im Bewusstsein - sich über andere erheben können, sich als etwas Besseres fühlen, um ein gewisse Zufriedenheit zu empfinden. Wenn er das Gefühl hat, von aussen her irgendwie in Frage gestellt zu sein (zB dadurch dass andere etwas erreicht haben, was er gerne hätte oder sonstwie besser dastehen als er), dann kann er damit keinen inneren Frieden finden.
Ja, auch sowas gibt es natürlich und sowas habe ich auch bei Christen beobachten können, die ja angeblich gegenüber der Sünde frei sein sollen und Sklaven der Gerechtigkeit....;-)
Weißt du, alles was du hier beschreibst, sind klassisch menschlich/allzumenschliche Verhaltensweisen, an denen es sicher viel zu Rügen gibt und um solch einen Menschen steht es sicher nicht zum Besten, aber er ist deshalb doch noch lange nicht "Sklave der Sünde" und unfrei etwas an seiner Situation zu ändern.
"Sklave der Sünde", so wie er in Römer 7 beschrieben ist, ist aber ein Mensch, der an seiner Situation nichts ändern kann. Denn in den Versen 18-21 heißt es:
Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten nicht. Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. Ich finde also das Gesetz, dass bei mir, der ich das Gute tun will, nur das Böse vorhanden ist.
Und genau das stimmt doch nicht, oder? Wir finden doch nicht das Gesetz in uns, dass das Gute, das wir tun wollen, nicht getan werden kann, weil in uns nur Böses vorhanden ist.
Du hast mir doch hinsichtlich meiner "Ausführung" bzgl. des Themas "wandeln in guten Werken, die Gott zuvor für uns bereitet hat" Recht gegeben. Und nach dieser "Ausführung" handelt der Mensch ja nie gut, weil er, als Kreatur gut ist, sondern weil er Anteil am Guten, also an Gott hat. Diese "Anteilhabe an Gott" wird nun aber allen Menschen abgesprochen, die angeblich noch unter dem Gesetz der Sünde stehen.
Wie sollte das möglich sein, dass die einen Anteil haben, die anderen aber nicht und wie haben die, die Anteil haben, denn zu diesem Anteil kommen können, wo sie doch sicher auch einmal zu der Menschengruppe gehörten, die angeblich keinen Anteil an Gott haben und also das Gute nicht tun können und also "Sklaven der Sünde" sind?
Sie sind doch nur deshalb zu diesem Anteil gekommen, weil sie eines Tages umkehrten, die Lügen ihres Lebens nicht länger aufrecht erhalten wollten und eben Gott und die Welt um Vergebung baten. Wenn diese Umkehr aber grundsätzlich möglich ist, dann steht sie doch auch allen Menschen offen und zwar grundsätzlich. Da macht es dann doch überhaupt keinen Sinn mehr, von "Sklaven der Sünde" zu sprechen.
Sie sind keine "Sklaven der Sünde", sondern Menschen auf ihrem Weg, so einfach ist das doch. Und auf diesem Weg kann man nun Gott zugewandt sein, oder eben nicht. Wenn man es aber nicht ist, ist man noch lange kein "Sklave der Sünde" und wenn man es ist, ist man noch lange kein "Sklave der Gerechtigkeit", sondern man ist ganz einfach immer nur "Mensch auf seinem Weg".
Und auf diesem weg sind wir frei in unsren Handlungen, können also durchaus auch den Weg korrigieren, wenn wir das wollen. Da macht es für mich wirklich keinen Sinn mehr eine Unterscheidung in "Sklaven der Sünde" und "Sklaven der Gerechtigkeit" vorzunehmen, sondern wir sind alle ganz einfach nur auf unserem Weg und entweder interessiert uns Gott auf diesem Weg, oder er interessiert uns nicht.
Ein Christ hat meiner Meinung nach also keinen Vorteil gegenüber einem Nichtchristen, sondern auch er bleibt verantwortlich für sein Tun und Nichttun. Und deshalb kann sich auch ein Christ in Lügen verlieren, oder ein "verlorener Sohn" sein, der dringend seine Situation überdenken und zum Vater umkehren sollte.

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Padma
Und um aus dieser 'Verstrickung' in bestimmte Denkmuster heraus zu kommen, bedarf es 'Heilung'.
Nicht der Forderung: "Tue erst mal Gutes und verdiene dir das Himmelreich."
Und diese Heilung wird in der Vergebung zugesprochen. In der bedingungslosen Annahme des Umkehrenden, der einsieht, dass er auf die Gnade Gottes - angewiesen ist.
Ja, wir sind durchaus auf die Gnade Gottes angewiesen, eben angewiesen darauf, dass Gott mit uns ist, dass wir Anteil an ihm haben dürfen. Das gilt aber ganz grundsätzlich für jeden Menschen.
Dieses "Angewiesensein" ist meines persönlichen Glaubens nach aber nicht zuvorderst ein Angewiesensein auf Vergebung der Sünde, sondern ein Angewiesensein auf die Gegenwart Gottes. Denn ohne Gott können wir ja nichts tun, ohne Gott haben wir ja gar kein Sein, ohne Gott geht gar nichts.
Vergebung lenkt den Blick auf unsere Fehler, eben auf die Sünde und nur deshalb ist die Sünde so mächtig (geworden), weil wir in ihr das grundlegende Problem sehen. Das grundlegende Problem sollen deshalb unsere Fehler und unsere Sündhaftigkeit sein. Und es soll die Sünde sein, die uns von Gott trennt.
Aber das stimmt meiner Meinung nach gar nicht, sondern unser grundlegendes Problem ist vielmehr, dass wir ohne Gott nicht(s) sind, dass wir ohne Gott gar nichts machen können, ja nicht einmal sündigen. Denn ohne Gott und ohne seine Gegenwart, die uns im Sein hält, die uns überhaupt erst die Existenz ermöglicht, ist nichts möglich, gar nichts...
Weißt du, Meister Eckhart hat einmal gesagt, dass der Mensch nicht soviel darüber nachdenken soll, was er tun soll, sondern er soll vielmehr darüber nachdenken was er ist.
Und was sind wir denn ohne Gott? Ein reines Nichts, denn:
Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem der Erste sei. (Kolosser 1,15-19)
Hier bekommt der Mensch seine natürliche Ausrichtung und sein Sein. Er ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen und er besteht nur durch ihn.
Das bedeutet doch, dass unsere gesamte Existenz allein an Gott hängt und das deshalb unser Tun und Lassen nur deshalb getan und gelassen werden kann, weil Gott es ermöglicht. Wie sollte da die Sünde ein so großes Problem sein? Wo doch auch sie nur allein deshalb bestehen kann, weil Gott es zulässt und auch sie letztlich eine Macht und Gewalt ist, die durch ihn und zu ihm hin geschaffen wurde/ist, wie es in dem Kolosservers heißt.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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