Liebe Helo,

ich danke dir für die Nachgedanken. Wie immer Tiefgründig!

Nun ja, ein gut gepflegter Baum sollte ja gute Früchte bringen und dass man ihn umhaut wenn er ausschliesslich schlechte Früchte trägt, kann ich eigentlich nachvollziehen. Aber wenn er beides trägt?
Und bringen wir Menschen, denn nicht beides hervor? Gute und schlechte Früchte? Gute und schlechte Taten?
So müssten wir ja alle umgehauen und ins Feuer geworfen werden. Nun was ist wohl mit Feuer in diesem Zusammenhang gemeint? Eher Läuterung oder ein Umhauen mit endgültiger Vernichtung?
Es ist richtig Helo, kein Baum trägt nur 1A Früchte. Fehlte hier Jesus der Realitätssinn? Keines Wegs. Viel mehr spricht er hier in ganz typischer (jüdisch überspitzter) Weise, von dem Idealbild, welches man in den Plantagen tatsächlich vorfand. Nämlich die tägliche Pflege und Betreuung der Plantage, welche dann solch ein 1A Bild erzeugte.
Das Jesus um beide Seiten des Menschen wusste steht außer Frage. Nicht umsonst verwies er darauf, dass nur einer der Gute ist!
Bei dem letzteren verweist Jesus auf den „Fall für hoffnungslose Fälle“, also die, welche nicht umkehren wollen, sich nicht veredeln lassen wollen, solche die, die Barmherzigkeit Gottes ausschlagen, solche, die ihre eigenen Wege gehen.
Feuer wird in diesem Zusammenhang in der Tat mit Auslöschung angewendet. Denn dies geschieht deshalb, damit dessen Fäulnis nicht andere Bäume infiziert.

Wurde dann der Baum umgehauen, wenn man das auf die Gemeinschaft Gottes, also sein erwähltes Volk bezieht? Oder ist da jeweils der einzelne gemeint, wenn ich da an die Lügenpropheten denke?
Ich glaube nicht, dass hier eine Pauschalisierung auf das ganze Volk gemeint ist. Denn damit hätte Jesus sich selbst – als Bestandteil dieses Volkes vorverurteilt. Es geht um den Einzelnen und mehr noch, es geht hier weniger um Umhauen, sondern um Entwurzeln. Hierzu muss man wissen das Jesus ganz bewusst das Bild eines Baumes und seiner Früchte verwendet. Der Baum, ein altes rabbinisches Bild für Israel und zugleich auch Bild für jeden Einzelnen des Volkes, der von Gott persönlich gepflanzt wurde. Israel, als Baum der Gerechtigkeit, der die „Früchte Gottes“ an sich tragen soll. Genau darauf bezieht sich Jesus. An einem solchen Baum können keine faulen oder fremde Früchte hängen, ein solcher Baum hat auf Dauer keinen Bestand. Deshalb kann Gott als „Baumpfleger“, auch gezwungen sein gewisse Eingriffe vorzunehmen. (Paulus übernimmt ebenfalls dieses rabbinische Bild für seine Theologie).

Dornbüsche und Disteln sind ja Wildwuchs und können ja keine Trauben oder Feigen hervorbringen.
Dies wären somit wohl die schlechten Bäume. Nun vielleicht habe ich auch eine falsche Vorstellung von einem faulen Baum. Kann doch normalerweise eine Art Baum nur Früchte der gleichen Sorte, also Gleichartiges hervorbringen.
Jetzt wird es wirklich interessant! Was meint den Jesus hier bildlich mit Disteln und Dornenbüschen? Hier müssen wir in die Überlieferungsgeschichte seiner Zeit schauen und man wird nicht erstaunt sein, dass hinter diesen beiden Begriffen – nämlich Wildwuchs, auch klare Personengruppen bezeichnet werden. Es geht um fremde Früchte von Lügenpropheten und hier werden sie explizit benannt. Es sind heidnische Lehren damit gemeint. Eine regelrechte Seuche, die nicht erst durch die Römer ins Land kam (Hellenismus). Auf unsere Zeit umgemünzt bedeutet das, ihr könnt nicht von den Früchten heidnischer Lehre Gottes Früchte ernten. Nichts anderes versteckt sich hinter dieser so typischen Galiläischen Redewendung, welche auch andere Rabbinen z.B. Hillel benutzten. Hier erklärt sich auch der Verweis Jesu auf die Tora als alleingültiger Maßstab für seine Lehransichten.

So ich hoffe es ist jetzt etwas verständlicher.

Samu