Mk 1,21 Und sie gehen nach Kapernaum hinein. Und sogleich ging er am Sabbat in die Synagoge und lehrte. 22 Und sie erstaunten sehr über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten. 23 Und sogleich war in ihrer Synagoge ein Mensch mit einem unreinen Geist; und er schrie auf 24 und sagte: Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus aus Nazareth? Bist du gekommen, uns zu verderben? Ich kenne dich, wer du bist: der Heilige Gottes. 25 Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme und fahre aus von ihm! 26 Und der unreine Geist zerrte ihn und rief mit lauter Stimme und fuhr von ihm aus.

Kapernaum: kfar nachum, Dorf des Trostes. Es ist ein Dorf, ohne Mauern rundherum, keine Stadt, die begrenzt ist. Im Dorf lebt man von der „Erde“, in der Stadt herrscht macht, kapital. Kultur. Jesus geht als genau dorthin, wo man Trost braucht, Trost, Barmherzigkeit, Anteilnahme und Gnade.

Sabbat: Dies ist der von Gott geheiligte und bestimmte Tag, welcher IHM heilig und geweiht ist. Man trifft sich dafür in der Synagoge, im Versammlungshaus, in der Beth HaKnesseth. Die Zeit steht still an diesem Tag, zu dieser Zeit. Man bewegt sich nicht im Fortschritt, nicht im Säen und Ernten, nicht in den sechs andern Tagen. Man kommt zur Ruhe, zur Ruhe vor Gott und damit auch zur Ruhe zu sich selber, dadurch, dass man nicht an die Zeit gebunden ist. Wer keine „Zeit“ für diese „Auszeit“ findet, findet keine Ruhe und begegnet dem Unfassbaren, dem Ewigen nicht.


Seine Lehre: Von seiner Lehre wissen wir bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich nichts. Vorher berief er seien Jünger, aber von der Lehre Jesu steht bis jetzt noch nichts. Etwas Wichtiges, Neues und Anderes lässt sich nicht einfach in einem Satz sagen, damit man versteht.


Vollmacht: Er lehrte nicht wie die Schriftgelehrten. Schriftgelehrte lehren nach der Gesetzmässigkeit. Sicher braucht es diese Lehre der Gesetzmässigkeit, denn sie regelt das Zusammenleben, man kann sich auf die Gesetzmässigkeiten in der Natur verlassen, und dagegen lehrt Jesus nicht.
Gnade aber ist wider die Gesetzmässigkeit. Wer Vollmacht hat, beruft sich nicht auf andere, nicht auf Autoren, Schriftsteller, Kirchenväter, Päpste, Prediger, Dogmen. Ja, man kann sogar sagen, dass selbst Jesus sich selten auf die Tenach (AT) bezog, auf die jüdischen Schriften. Er braucht keine Verweisstellen, wer und wo jemand in seinem Sinne geschrieben hat, damit die eigene Lehre bestätigt werden soll. Obwohl man ja weiss, das Jesus vieles ähnliches aus dem allgemeinen Wissen der damaligen Zeit verkündete. Die Zuhörer sind Entsetzt, sie staunen.


Unreinen Geist: Unrein, profan, das Gegenteil ist ein heiliger Geist, ein nach Gott ausgerichteten Geist. Des Menschen Geist ist unrein, profan und weswegen? Weswegen erhebt dieser Geist im Menschen sich gegen das Reden Jesu? Er wehrt sich gegen die Botschaft Jesu, weil sie anders ist. Das „andere“ kann er nicht fassen, es ist nicht fassbar. Die Lehre Jesu lässt sich nicht ergreifen, umschreiben, definieren. Seine Lehre lässt sich nicht Dogmatisieren, in einer Form zum Erstarren bringen. Seine Logik ist ein Entweder – Oder.


Nazareth: Zar, der Mittelteil des Wortes bedeutet Starrheit, Erstarrt sein. Nazaret ist fassbar, weil es starr ist. Wie auch Mizrajim (Ägypten) diese Starrheit verkörpert, das Gefangensein in Mizrajim. Starrheit tötet, es ist tot. In die starre Form soll Leben hinein gehaucht werden. Gott bläst seinen Odem in den Menschen, und der Mensch wurde eine lebende Seele. So liegt Nazareth in Galiläa, in Galil, Gal bedeutet Welle. Eine Welle bewegt sich, gibt ein dem Wasser eine Form.

Gekommen um zu verderben: Die eine Form löst die vorherige auf. Die Form bewegt sich, sie ist nicht starr, die Starrheit wird aufgelöst.


Der Heilige Gottes, das Heilige Gottes. Der „Besessene“ merkt, dass sein gegenüber, seine Botschaft aus jener Welt kommt, einer andern Welt, nicht aus dieser und dieser Zeit. Das Gegenteil von Zeit wäre die Nicht-Zeit, die Ewigkeit. Und dieser Heilige will die Menschen dahin in „Bewegung“ bringen, und somit Menschenfischer sein, aus dem Wasser, aus der Zeit herausholen.


Zerrte hin und her: Wer mit Unfassbarem konfrontiert wird, der wird hin und her geworfen. Man tobt, es entsteht ein Kampf im Leib und es schreit aus einem heraus. Man will nicht Wahrhaben, da das Unfassbare nicht fassbar gemacht werden kann. Das Unfassbare, das Entweder UND Oder.
Man möchte das Unfassbare, die Gnade fassen können, in eine Regel hineinstellen wollen. Aber es geht nicht. Man muss loslassen, das Erstarrte loslassen, damit neues entstehen kann.


Manchmal erlebt man sich selber wie dieser mit dem unreinen und profanen Geist. Ohne "Wissen" meint man keinen Boden unter den Füssen zu haben. Man liebt Strukturen, will „Wissen“, erarbeitet ein Glaubensbekenntnis, um zu definieren, so und so muss es sein, man ist religiös und fromm, man meint sogar, ein Prediger in der Wüste zu sein, und die anderen müssen es genau so und so glauben. Aber sonst ist man ein Ungläubiger, aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Diese Gedanken sollen nun aber nicht dahin führen, dass man nach freiem Gefühl nun seinen Glauben bestimmen kann. Und ich hoffe, dass man dies nun nicht falsch versteht.



Lehit

Alef

PS: Gedanken frei zusammengestellt nach Friedrich Weinreb, jüdischer Schriftsteller