Puh, mit dem Thema christliche Folter wird ein wirklich heikles Thema angesprochen. Ich nehme einmal an, dass wir alle grundsätzlich Gegner von Folter sind. Und natürlich erschrecken dann die von Birdwoman eingebrachten Zahlen, aber ich frage mich, muss man dabei nicht differenzieren?

Denn zum einen stimme ich Luxdei zu, dass man in vorliegendem Fall vielleicht nicht direkt Religionszugehörigkeit und Folterbereitschaft korrelieren kann. Auch ich sehe die Ursache eher in einem anderen Umstand begründet. Z.B. könnte man fragen, ob die hohen Zahlen an der Zugehörigkeit des Christentums liegen, oder nicht an dem Umstand, dass sie z.B. Fundamentalisten sind. Oder vielleicht weil sie Amerikaner sind und ein elitäres Denken haben? Aber das wären alles Spekulation.

Ich denke einer der Gründe die oft wesentlich sind für derartige Gewalt, und die bei halbnomadin schon anklingen, ist die Dehumanisierung einer Gruppe. Wenn z.B. gefragt werden würde, ob die Teilnehmer dieser Umfrage es gut fänden, wenn jeder von ihnen gefoltert werden dürfte, beim Verdacht er könne (wissentlich oder unwissentlich) Informationen besitzen, die der Ergreifung von Terroristen dienen, dann sähen die Zahlen womöglich anders aus. Aber gerade die Differenzierung zwischen „uns“ und „denen“ dürfte hier eine wichtige Rolle in der Befürwortung von Folter spielen. Sicherlich ist die Geschichte des Christentums reich an Folter, ich denke Beispiele gibt es dazu einige. Die andere Frage ist, was davon sich tatsächlich auf das Christentum, was davon auf zeitgeistliche Aspekte zurückführen lässt.

Aber ich muss gestehen, dass ich bei der Überlegung zu diesem Thread auf ein paar andere unangenehme Überlegungen gestoßen bin. Zuerst natürlich die Frage, wie stehe ich als Betroffener zur Folter? Nun, um eines vorweg zu nehmen, ich bin ein ganz klarer Gegner derselben – ich kann ihr auch nicht den Hauch einer moralischen Berechtigung zubilligen. Und doch habe auch ich mich gefragt, ob ich nicht auch in Situationen kommen kann, in denen ich dies anders sehen würde. Was wäre wenn der von Poe geschilderte Fall meine Kinder oder meine Familie betreffen würde? Wenn sie Gefangene eines Sadisten wären, und langsam vielleicht unter Qualen sterben werden, wenn ich nicht den Schlüssel finde dessen Lage nur ihr Vergewaltiger kennt? Würde ich nicht alles tun, um eben dies zu bekommen? Würde ich mich wirklich mit dem Verweis auf ein moralisches Handeln zurücklehnen und zusehen wie das mir Liebste Opfer meiner moralischen Überzeugung wird? Wäre ich so „aufgeklärten Geistes“? Oder würden nicht meine Emotionen mich überwältigen und würde ich (sofern ich keine andere Lösung sehe) nicht diesen Kerl würgen und schlagen und ihm Schmerzen zufügen, bis ich meine Antworten habe? Und welches Handeln würde man eher erwarten?

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich es nicht weiß. Ich habe den Anspruch an mich selbst ein sehr moralischer Mensch zu sein (und ich hoffe hier auch trotz meiner Gedanken so wahrgenommen zu werden), aber nicht trotzdem sondern gerade deshalb muss ich mich dieser Frage stellen. Damit will ich auf der anderen Seite Folter nicht legitimieren. Aber ich finde man würde es sich zu leicht machen, einfach mit Empörung auf jene Befragten „herabzublicken“ und seine Ablehnung der Folter zu beteuern. Die Frage Warum diese Menschen denken wie sie denken, scheint mir deutlich sinnvoller. Denn erst wenn ich einen Menschen verstehe, kann ich ihn auch mit meiner Rede erreichen.

Abgesehen davon halte ich es auch aus einem anderen Grund für sinnvoll, uns selbst als potentielle Täter bewusst zu werden. Denn es öffnet uns die Augen für uns selbst und lässt unser eigenes Verhalten reflektieren. Und da muss ich durchaus sagen, dass manche gesellschaftliche Konvention in meinen Augen durchaus das Potential hat, durch z.B. Druck oder Verachtung, kurz „psychische Folter“ den Menschen zu dem erwünschten Verhalten zu zwingen. Jede Form der Diskriminierung kann als Gewalt empfunden werden und selbst eine Meinung kann (wenn sie z.B. unsachlich formuliert ist und vor allem wenn sie sich in die Reihe ähnlicher Meinungen eingliedert) zu einer glühenden Nadel werden, wenn sie dem Gegenüber das Gefühl gibt ein Idiot zu sein. Natürlich würden wir eine solche nicht als Folter verstehen, aber wenn Personengruppen wie z.B. homosexuelle Menschen über Jahre hinweg immer und immer wieder derselben Ablehnung begegnen, kann es da wundern, wenn eine solche Gruppe es selbst anders empfinden?

Das Thema Folter aber gerade auch das zugrundeliegenden Thema der Gewalt ist meiner Meinung nach eines der kompliziertesten, ernüchternden und gemiedensten Themen überhaupt. Um so spannender finde ich es, dass gerade dieses das Thema des Themenchats für den Mai ist. Und in diesem Zusammenhang würde ich mich freuen, wenn nächsten Montag viele daran interessiert sind mitzudiskutieren........