Spätregen-Mission geht in die Insolvenz - Artikel aus Heilbronner Stimme

Beilstein/Region Die Bewohner des Glaubenshauses Libanon in Beilstein stehen vor einer ungewissen Zukunft. Die Nachzahlung vieler Rentenbeiträge für die Ex-Mitglieder dürfte mit der Insolvenz nicht mehr möglich sein. Spenden sollen jetzt schon auf ein neues Konto gehen.
Von Christian Gleichauf

Die Gemeinschaft bezieht sich bei der Namensgebung auf die Bibel: "Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum; er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon."

Die Glaubensgemeinschaft Deutsche Spätregen-Mission hat den lange erwarteten Insolvenzantrag gestellt. Damit dürften Forderungen der Rentenversicherung in Millionenhöhe für die Nachversicherung von ehemaligen Mitgliedern ins Leere laufen. Bewohner des Glaubenshauses Libanon in Beilstein sollen am Wochenende bereits aufgefordert worden sein, sich in den nächsten Monaten neue Wohnungen zu suchen. Dem widerspricht die Spätregen-Mission.
150 Verfahren vor den Sozialgerichten waren zu viel

Seit Jahren war bekannt, dass die in einem gemeinnützigen Verein organisierte Gemeinschaft in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt. Vor allem die Nachversicherung von ehemaligen Mitgliedern bei der Rentenversicherung soll sich inklusive Säumniszuschlägen auf einen zweistelligen Millionenbetrag summiert haben. An die 150 Verfahren vor den Sozialgerichten in Deutschland dürften nun keine Aussicht auf Erfolg mehr haben. Was im Insolvenzverfahren für die Renten gesichert werden kann, ist ungewiss.

Ein Teil des Schadens bleibt an der Allgemeinheit hängen
So ist der Heilbronner Anwalt Martin Kerdels, der noch rund ein Dutzend ehemalige Mitglieder der Glaubensgemeinschaft vertritt, auch weniger überrascht als enttäuscht: "Mir tut es einfach nur leid für die Betroffenen."
Die Leidtragenden seien zum einen die ehemaligen Mitglieder, die nach oft jahre- und jahrzehntelanger Arbeit nun keine Rentenansprüche mehr geltend machen können. Zum anderen müsse die Allgemeinheit jetzt für den Schaden aufkommen, denn die ehemaligen Mitglieder seien dann im Alter auf Grundsicherung angewiesen.


Das sogenannte Glaubenshaus Libanon der Deutschen Spätregen-Mission in Beilstein ist eine kleine Siedlung mit Gewerbe- und Wohngebäuden. Hier leben noch 80 bis 100 Hausgenossen.

Die Insolvenz dürfte auch für die derzeitigen Bewohner des Glaubenshauses einschneidende Folgen haben. Glaubenshäuser waren einmal auf Selbstversorgung ausgelegt, in einem fast geschlossenen Kreislauf. Die Hausgenossen lebten und arbeiteten dort, es gab Handwerksbetriebe, eine Autowerkstatt und Landwirtschaft. Wer für die Gemeinschaft arbeitete, bekam Kost und Logis kostenlos. Im Alter wurde man von den Jüngeren gepflegt.
Doch der Nachwuchs fehlt. Seit Jahren beklagen Gemeindemitglieder die Diskrepanz zwischen dem, was von der geistlichen Führung gepredigt und somit von den einfachen Gläubigen eingefordert wird, und dem, was die Vereinsführung mit ihren Verbindungen ins Ausland für sich in Anspruch nimmt.

Auch Hausgenossen ohne nennenswerte Altersversorgung
So wandten sich viele, vor allem junge Leute von der Gemeinschaft ab. Die meisten der 80 bis 100 Bewohner der Beilsteiner Siedlung befinden sich im Rentenalter - in der Regel ohne nennenswerte Rentenansprüche. Sollten die Häuser nun verkauft werden, um Gläubiger wie die Rentenversicherung zu bedienen, funktioniert die Selbstversorger-Konstruktion nicht mehr. Wie es für die Hausgenossen weitergeht, ist damit offen und liegt ab sofort auch in der Hand des vorläufigen Insolvenzverwalters, dem Sinsheimer Anwalt Dr. Renald Metoja.
Vorstand will Bewohnern zu nichts geraten haben
Hans-Peter Schmitt aus dem Vorstand der Spätregen-Mission erläutert auf Stimme-Nachfrage, dass er das Insolvenzverfahren wegen drohender Zahlungsunfähigkeit beim Heilbronner Amtsgericht beantragt habe. Allerdings sei den Bewohnern nicht geraten worden, sich nach neuen Wohnungen umzuschauen. "Die Mitglieder sollen weiterhin versorgt werden", so Schmitt. Wenn sich aber jemand eine andere Wohnung suchen wolle, stehe dem natürlich nichts entgegen.

Die problematische Beziehung zur Mutterkirche
Die pfingstkirchliche Spätregenbewegung entstand ab 1927 in Südafrika. Seit 1957 ist sie auch in Deutschland mit sogenannten Glaubenshäusern vertreten. Deutschlandzentrale ist das Glaubenshaus Libanon in Beilstein. Die Mitglieder versuchen, ein moralisch einwandfreies Leben zu führen, in dem keine Sünde mehr möglich ist.
Ab den 1970ern wurden im Glaubenshaus Libanon über viele Jahre Mitglieder mit Todesdrohungen gefügig gemacht und teilweise auch sexuell missbraucht. Die Heilbronner Stimme deckte die Missstände ab 2013 auf und berichtete anschließend vielfach auch über finanzielle Ungereimtheiten und die fehlenden Rentenbeitragszahlungen für Ex-Mitglieder, die in den Glaubenshäusern gearbeitet hatten.
Vor rund zehn Jahren hatte der Verein Deutsche Spätregen-Mission nach einer Steuerprüfung auch zeitweilig den Status der Gemeinnützigkeit verloren. Hintergrund war, dass Spenden auf Geheiß der Mutterorganisation ins Ausland abflossen. Neue Spenden sicherten anschließend über Jahre das Überleben der Gemeinschaft.
Solche Spenden sollen seit dem Wochenende bereits auf ein neues Konto fließen. Ein neuer Verein könnte gegründet werden. Der Vorstand des bestehenden Vereins, Hans-Peter Schmitt, erklärt auf Stimme-Anfrage, davon habe er keine Kenntnis.

Kommentar: Weiter geht's
Viele Mitglieder der Spätregen-Mission führen ein Leben im Glauben, das sich viele andere Christen kaum vorstellen können. Die Anhänger dieser Bewegung waren bereit, sich voll und ganz auf die Gemeinschaft einzulassen. Sie wollten frei von Sünde sein, füreinander einstehen, ein gottgefälliges Leben im wahrsten Sinne des Wortes führen.
Schon vor Jahren wurde deutlich, dass einige im Glaubenshaus diesem Anspruch überhaupt nicht gerecht wurden. Über Jahrzehnte war der sexuelle Missbrauch von Kindern vertuscht worden. Auch später noch agierten die Geistlichen mit Methoden, die eher and Gehirnwäsche als an die Reinigung des Geistes erinnern, während die Führungsriege ihre eigenen Interessen mit dem Spendengeld ihrer Mitglieder verfolgte.

Die Insolvenz des Vereins ist bitter für jene, die nach einem arbeitsreichen Leben nun mit Geld vom Staat ihr Existenzminimum sichern müssen. Man darf mit dem Verfahren aber auch die Hoffnung verbinden, dass die Finanzen des Vereins sauber durchleuchtet werden und so ans Licht kommt, wie die Vereinsführung der Spätregen-Mission in den vergangenen Monaten und Jahren agiert hat.

Was auch herauskommt - die meisten Anhänger der Bewegung werden ihren Vordenkern treu ergeben bleiben. Die Führung wird Wege finden, sich neu zu organisieren und neu zu finanzieren. Sie wird wieder mit dem Willen Gottes argumentieren. Und sie kann sicher sein, dass in den Augen der Gläubigen die Abtrünnigen und die Medien schuld an der Misere sind. Doch das sind sie nicht. Schuld sind jene aus ihren eigenen Reihen, die bis heute vor allem ihr eigenes Wohl im Sinn haben.