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    @Zeuge
    Und zu "Christus in euch" kommt man nicht durch geistigen Asketismus, wie nach Meister Eckhart
    Der Eckhart der so etwas lehrte, ist mir auch nicht bekannt. Eckhart beschreibt zwar einerseits einen philosophischen, geistlichen Weg der radikalen Armut im Geiste, aber die Begegnung mit Christus findet bei ihm explizit nicht grundsätzlich nur in der Versenkung/Meditation/Gebet statt, sondern im gewöhnlichen Alltag.

    Am stärksten wird dies wohl deutlich in seiner Predigt 28 zu Maria und Martha aus Lukas 10,38 – 42. Hier geht Eckhart einen ausgesprochen außergewöhnlichen Weg und spielt nicht Maria gegen Martha aus, wobei nach Jesus Maria durch ihren Weg der Kontemplation angeblich das Bessere gewählt habe und Martha durch ihren Weg der Aktivität das Schlechtere, sondern er sieht beide gleichwertig und auf dem selben Weg, lediglich nur auf verschiedenen Stufen der Erkenntnis, wobei er Martha die höhere, erwachsenere Erkenntnis zuspricht.

    In der Predigt 28 sagt er:
    Was ist dieses Eine? Es ist Gott. Dies (Eine) tut allen Kreaturen not; denn zöge Gott das Seine an sich, alle Kreaturen würden zu nichts. Entzöge Gott der Seele Christi das Seine, wo ihr Geist mit der ewigen Person vereint ist, so bliebe Christus bloße Kreatur. Darum bedarf man jenes Einen sehr wohl. Martha fürchtete, dass ihre Schwester im Wohlgeühl und in der Süße stecken bliebe und wünschte, dass sie würde wie sie (selbst). Deshalb sprach Christus und meinte: Sei beruhigt Martha, (auch) sie hat den besten Teil erwählt. Dies (hier) wird sich bei ihr verlieren. Das Höchste, das einer Kreatur zuteil werden kann, das wird ihr zuteil werden: sie wird selig werden wie du!

    Nun lasst euch belehren über die Tugenden! Tugendhaftes Leben hängt an drei Punkten, die den Willen betreffen. Das eine ist dies: den Willen aufzugeben in Gott, denn es ist unerlässlich, dass man so voll und ganz ausführe, was man dann erkennt, sei‘s im Ablegen oder im Aufnehmen. Es gibt nun dreierlei Willen. Der eine ist ein »sinnlicher« Wille, der zweite ein»vernunfterhellter« Wille, der dritte ein »ewiger« Wille. Der sinnliche Wille verlangt nach Belehrung, (will), dass man auf wahrhafte Lehrer höre. Der vernunfterhellte Wille besteht darin, dass man die Füße setze in alle Werke Jesu Christi und der Heiligen, das heißt: dass man Wort, Wandel und »Gewerbe« gleichmäßig ausrichte, hingeordnet auf das Höchste.

    Wenn dies alles erfüllt ist, dann senkt Gott ein weiteres in der Seele Grund: das ist ein ewiger Wille mit dem liebenden Gebot des Heiligen Geistes. Dann spricht die Seele: »Herr, gib mir ein, was dein ewiger Wille sei!« Wenn sie auf solche Weise dem, was wir vorhin dargelegt haben, genügt und es Gott dann wohlgefällt, dann spricht der liebe Vater sein ewiges Wort in die Seele.

    Nun (aber) sagen unsere biederen Leute, man müsse so vollkommen werden, dass uns keinerlei Freude mehr bewegen könne und man unberührbar sei für Freude und Leid. Sie tun unrecht daran. Ich (aber) sage, dass es nie einen noch so großen Heiligen gegeben hat, der nicht hätte bewegt werden können. Indessen sage ich demgegenüber auch: Wohl wird es dem Heiligen (schon) in diesem Leben zuteil, dass ihn nichts von Gott abzubringen vermag. Ihr wähnt, solange Worte euch zu Freude und Leid zu bewegen vermögen, seiet ihr unvollkommen? Dem ist nicht so! (Selbst) Christus war das nicht eigen; das ließ er erkennen, als er sprach: »Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. (Matth. 26, 38). Christus taten Worte so weh, dass, wenn aller Kreaturen Weh auf eine (einzige) Kreatur gefallen wäre, dies nicht so schlimm gewesen wäre, wie es Christus weh war; und das kam vom Adel seiner Natur und von der heiligen Vereinigung göttlicher und menschlicher Natur (in ihm).

    Daher sage ich: Einen Heiligen, dem Pein nicht wehe täte und Liebes nicht wohl, hat es noch nie gegeben, und niemals wird es einer dahin bringen. Wohl kommt es hie und da vor, bewirkt durch die Liebe und Huld und ein Wunder Gottes, dass einer, dem man seinen Glauben oder sonst was schölte, wenn er mit Gnade übergossen wäre, ganz gleichmütig in Lieb und Leid stünde. Und wiederum bringt es ein Heiliger wohl dahin, dass ihn nichts von Gott abzubringen vermag, so dass, obzwar das Herz gepeinigt wird, während der Mensch nicht in der Gnade steht, der Wille doch einfältiglich in Gott verharrt und spricht: »Herr, ich (gehöre) dir und du mir!« Was immer dann (in einen solchen Menschen) einfällt, das behindert nicht die ewige Seligkeit, dieweil es nicht den obersten Wipfel des Geistes befällt dort oben, wo er mit Gottes allerliebsten Willen vereint steht. Nun spricht Christus: »Um viele Sorge bekümmerst du dich.« Martha war so wesenhaft, dass ihr »Gewerbe« sie nicht behinderte. Ihr Wirken und »Gewerbe« führte sie zur ewigen Seligikeit hin. Die (= ewige Seligkeit) ward wohl (dabei) etwas mittelbar, aber eine adelige Natur und steter Fleiß und die Tugend im vorgenannten Sinne hilft (doch) sehr. (Auch) Maria ist erst (eine solche) Martha gewesen, ehe sie (die reife) Maria werden sollte; denn als sie (noch) zu Füßen unseres Herrn saß, da war sie (noch) nicht (die wahre) Maria: wohl war sie‘s dem Namen nach, sie war‘s aber (noch) nicht in ihrem Sein; denn sie saß (noch) im Wohlgefühl und süßer Empfindung und war in die Schule genommen und lernte (erst) leben. Martha aber stand ganz wesenhaft da. Daher sprach sie: »Herr, heiß sie aufstehen«, als hätte sie sagen wollen: »Herr, ich möchte, dass sie nicht da säße im Wohlgefühl; ich wünschte (vielmehr), dass sie leben lernte, auf dass sie es (= das Leben?) Wesenhaft zu eigen hätte: heiß sie aufstehen, auf dass sie vollkommen werde.« Sie hieß nicht Maria, als sie zu Füßen Christi saß. Dies vielmehr (erst) nenne ich Maria: einen wohlgeübten Leib, gehorsam weiser Lehre. Gehorsam wiederum nenne ich dies: wenn der Wille dem genügt, was die Einsicht gebietet.

    Nun wähnen unsere biederen Leute, es dahin bringen zu können, dass das Gegenwärtigsein sinnlicher Dinge für ihre Sinne nichts mehr bedeute. Das aber gelingt ihnen nicht. Dass ein peinsames Getön meinen Ohren so wohltuend sei wie ein süßes Saitenspiel, das werde ich nimmermehr erreichen. Darüber aber soll man verfugen, dass, wenn die Einsicht es das peinsame Getön wahrnimmt, dass dann ein von Erkenntnis geformter Wille zu der Einsicht stehe und dem (sinnlichen) Willen gebiete, sich nicht darum zu kümmern, und der Wille dann sage: Ich tu‘s gerne! Seht, da würde Kampf zur Lust; denn, was der Mensch mit großer Anstrengung erkämpfen muss, das wird ihm zur Herzensfreude, und dann (erst) wird es fruchtbringend. Nun (aber) wollen gewisse Leute es gar so weit bringen, dass sie der Werke ledig werden. Ich(aber) sage: Das kann nicht sein! Nach dem Zeitpunkt, da die Jünger den Heiligen Geist empfingen, da erst fingen sie an, Tugenden zu wirken.

    Daher: als Maria zu Füßen unseres Herrn saß, da lernte sie (noch), denn noch erst war sie in die Schule genommen und lernte leben. Aber späterhin, als Christus gen Himmel gefahren war und sie den Heiligen Geist empfangen hatte, da erst fing sie an zu dienen und fuhr übers Meer und predigte und lehrte und ward eine Dienerin der Jünger. Wenn die Heiligen zu Heiligen werden, dann erst fangen sie an, Tugenden zu wirken; denn dann erst sammeln sie einen Hort für die ewige Seligkeit. Alles, was vorher gewirkt wird, das büßt nur Schuld und wendet Strafe ab. Dafür finden wir ein Zeugnis an Christo: von Anbeginn, da Gott Mensch und der Mensch Gott ward, fing er an, für unsere Seligkeit zu wirken bis an das Ende, da er starb am Kreuze. Kein Glied war an seinem Leibe, das nicht besondere Tugend geübt hätte.

    Dass wir wahrhaft nachfolgen in der Übung wahrer Tugenden, dazu helfe uns Gott. Amen

    Bei Eckhart steht nicht die Kontemplation im Mittelpunkt. Sie ist Teil des Glaubensweges, aber nicht der Wesentliche oder Wichtigere. Das Dienen, Arbeiten, die Aktivität in aufrichtiger Liebe und Verbundenheit steht dem in nichts nach, ja ist sogar unter einem bestimmten Betrachtungswinkel der reifere, edlere Weg.

    Das Wesentliche ist für Eckhart das immerwährende bei den Dingen sein und nicht in ihnen. Und gleichzeitig die dadurch gewonnene Freiheit allezeit in Gott sein zu dürfen. Allein darauf ist immer sein Blick gerichtet und ich denke auch der Blick jedes Gläubigen, egal welcher Konfession, Denomination, oder welchen Bekenntnisses auch immer.

    LG
    Provisorium
    Geändert von Provisorium (14.11.2012 um 17:41 Uhr)


 

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