Liebe Freunde,

religiöser Fundamentalismus erhält seit einigen Jahren regen Zulauf, nicht erst seit dem Siegeszug des "Islamischen Staates", sondern schon lange vorher in unserer christlichen Kirche. Ich muß ehrlich bekennen, daß ich mich mit dieser "modernen" Art zu glauben etwas schwertue. Worum geht´s? Es geht um kompromisslosen Glauben an Dogmen, an Glaubenssätze, die keine Interpretation zulassen sollen, die Welt wird in "wir" (die Guten) und "die anderen" (die Bösen) eingeteilt. Mit den Bösen diskutiert man gar nicht erst, sie sind Verführer, Irrlehrer, Antichristen, Höllenboten und dergleichen mehr.

Als der christliche Fundamentalismus am Ende des neunzehnten Jahrhunderts entstand, war er eine Trotzreaktion auf die allgegenwärtige "Historisch-kritische Methode", die von der Aufklärung an bis heute den Standard evangelischer und katholischer Exegese darstellt. Ausgehend von den "fünf Dogmen des Fundamentalismus", die 1910 festgelegt wurden, kam es zum Bekenntnis der sog. "Chicago-Erklärung" von 1978, die bis heute auch die freikirchliche Kultur in Deutschland prägt: Wortwörtliche und historische Auslegung der Bibel; Ablehnung der Wissenschaft, sofern deren Erkenntnisse der Bibel widersprechen; endlich auch die Behauptung, nur wer fundamentalistisch glaubt, glaubt auch richtig, was hier jeder bestätigen dürfte, der auch nur einmal mit einem Fundamentalisten zu tun gehabt hat: Ein Gespräch ist nicht wirklich möglich, friß oder stirb, Interpretationen sind verboten...

Es ist dieser ewige Blick zurück, die Romantik der "Urgemeinde", die immer wieder beschworen wird, die "alten Werte", die neu herbeigesehnt werden, eine Art religiöser Nostalgie, die alles wieder so herstellen möchte, wie es angeblich einmal war.

Haben wir es hier nicht vor allem mit einem aus der Angst geborenen Glauben zu tun? Man will sich nicht Gott überlassen, sich nicht mit ihm auf den Weg in die neue Schöpfung machen, man will nicht ablegen vom sicheren Hafen, weil man Angst hat vor dem Meer, das Gott selber ist. Man will nicht in die Zukunft reisen, sondern die Vergangenheit betonieren.

"Mein Dogma ist mein Heil, mein Halt, meine Sicherheit"... Und wer in christlichen Foren erfahren ist, der weiß, wie vehement fundamentalistische Positionen verteidigt werden bis hin zur Unmenschlichkeit. Der Mensch, der doch Gottes ist und diesen Gott in sich selber finden soll, sucht ihn ausschließlich nur außerhalb von sich in Büchern, Lehren, Schriften... So wird nicht Gott in uns zum Halt, sondern das Buch, die Lehre, die Schrift... "Wankt das Buch, so wanken wir, denn wir hängen dran"... Jeder nur erdenkliche Rettungsring wird gesucht, man schaut sich verzweifelt um, anstatt in sich selbst zu schauen, wo allein die Rettung zu finden ist.

Ich weiß, daß viele christliche Foren am Fundamentalismus geradezu gestorben sind. Nicht die Liebe und das Vertrauen zu Gott wird betont, sondern Gesetze und Vorschriften, Handlungsanweisungen für alle Belange des Lebens, als wäre Gott nur gnädig, wenn wir tun, was er will: Erkaufte Gnade. Fundamentalisten sind m.E. sehr unsichere Menschen, deren Ängste wir wahrnehmen und heilen sollten, indem wir ihnen einen Gott der Liebe und der Geborgenheit vermitteln, was er in der Tat ja auch ist. Dennoch ist es nicht leicht, mit der beständig anwachsenden Zahl christlicher Fundamentalisten umzugehen, man wird oft selber hart und lieblos, wenn man sich länger mit ihnen beschäftigt. Vor allem aber bereitet mir auch Sorge, daß diese auch im Internet oft das Wort führen und ganze Foren betreiben zum Schaden des Ansehens der Kirche allgemein.

Wie geht Ihr mit diesen Menschen um, wie mit dem Phänomen Fundamentalismus an sich?

Liebe Grüße, Plueschmors.