Wenn du glaubst, dass meine Art über Dinge nachzudenken dir etwas bringt, dann könntest du enttäuscht werden! Ich bin nicht der Typ, der auf der wissenschaftlich-theologischen und historischen Ebene über das Leben nachdenkt. Ich bin ein ausgesprochener Gefühlsmensch und beobachte und durchstreife vor allem mein eigenes Inneres im Tanz des Lebens. Ich greife stets auf meine subjektiven Erfahrungen zurück, welche Erfahrungen mir Gewissheit geben. Subjektivität erachten die meisten Menschen als unmassgeblich und irrelevant. - Andere erleben anderes; ihre Erfahrungen führen vielleicht zu anderen Überzeugungen. - Und dennoch sehe ich da keinen Grund zur Besorgnis über mein Eigenes, noch über das meines Nächsten, selbst wenn sich die Ansichten diametral gegenüberstehen, denn unendlich ist Gott, und ich erhasche immer nur einen kleinsten Zipfel dessen, was Er (alles) ist.

Wenn ich also nur einen winzigsten Bruchteil Gottes erahne (und in besonderen Momenten subjektiv erfahre), wie dürfte ich da an meinen Bruder das Ansinnen stellen, dass er eben dasselbe (Wesens-)Teilchen Gottes betrachtet, welches gerade meinen Sinn beschäftigt? Es gibt nur einen Gott, eine Kraft, einen Ursprung, ein Leben, das sich unendlichfältig ausspricht in allem was war, ist und sein wird. - Unsere Aufgabe ist nicht, das richtige zu erkennen / zu erwischen, sondern unsere Liebe zum Leben wachsen zu lassen und liebend tätig zu sein. Die Liebe ist die Haltung, die am meisten Raum lässt für Erkenntnis, und zugleich dem Menschen / der Schöpfung am besten frommt.

Wenn du also einen Menschen suchst, mit dem du Weisheiten austauschen kannst über die "verschiedenen zwei Persönlichkeiten", die als Jesus bezeichnet werden, dann muss ich dir ehrlich gestehen: das ist für mich sehr zweitrangig, denn ich betrachte jeden Gläubigen Menschen in seiner Art als einen Suchenden oder (auf seine Art schon) Vertrauten Gottes, weil es in meinem Verständnis nur einen Gott gibt. Ob mein Nächster "den richtigen Gott" ins Visier gefasst hat, kann keine Frage sein, sondern darüber entscheidet alleine die reine Absicht des Herzens, das den wahren und lebendigen Gott sucht und nach Ihm fragt. Die reine Absicht ist - in meinen Augen - die Messlatte dafür, ob der Mensch auf der rechten Spur ist. Wie aber könnte ich als ein Sterblicher mir da ein Urteil über meinen Nächsten anmassen? Ich kann meinen Nächsten nur (bedingt) an seinen Äusserungen und Taten messen. Das Wesentlichste aber bleibt mir stets verborgen.

Wenn du aber gerne mit mir (und anderen) teilen möchtest, was du erkannt hast über "die zwei völlig verschiedenen Persönlichkeiten", die als Jesus bezeichnet werden, dann lese ich mich gerne in die Thematik ein. Erwarte aber nicht, dass ich (dich) verstehe, denn ich muss je länger je mehr feststellen, dass ich mich selber noch lange nicht durch und durch verstehe. Wie könnte ich da also andere in der Komplexität ihres Lebens verstehen und sie mit dem Ihrigen begreifen, da ich erst am Anfang meines eigenen Wesens stehe?