Ein Junge wird eingeliefert. Schweißgebadet, aschfahl und mit gekrümmtem Oberkörper schreit er bei jeder Bewegung auf.
Es wird hektisch. Sie schneiden ihm das T-shirt auf, um möglichst schnell den Bauch und den Oberkörper ab tasten zu können.
Der Junge schreit. Die Tränen laufen ihm über das verschwitzte, pupurote Gesicht.
Riesige Augen sehen mich an. Seine Fingerchen greifen nach irgendetwas.
Aber sie greifen ins Leere.
Ich stehe wie versteinert.
Alle sind beschäftigt: der kalte Ultraschallkopf wird aufgesetzt, Monitore angeschlossen...
Man zwingt ihn zum Hinlegen, obwohl er sich vor Schmerzen aufbäumt.
Er liegt fast nackt vor etwa 10 wildfremden Menschen in weißen Kitteln, obwohl er beim Abfiebern friert.
Die Stimmen der Ärzte und Schwester werden unruhiger, lauter, geben durcheinander Anweisungen. Die Monitore pfeifen und rauschen.
Der Junge atmet schwer.
So viele Hände, die um ihn wirbeln. So viel Unruhe.
Es scheint, als würde all das Durcheinander seinen Zustand nur verschlimmern.
Dann... nur ein Augenblick, nur ein kurzer Moment-
Seine Augen sehen mich weit aufgerissen an. Die verängstigten Blicke treffen mich.
Ich formuliere in Gedanken die Frage, die ich zu denken im Stande bin:
„Was fehlt dir? Wie kann ich dir helfen?“
Wie in Zeitlupe schaut er mich an und ich höre eine dünne Kinderstimme leise sagen:
„Gib mir Wärme, halt mich fest.“
Das grelle Pfeifen der Monitore reißt mich hoch.
Der Junge fällt in sich zusammen, die Augen fallen zu.
Ein Chaos inmitten von Tupfern, Tüchern, Schläuchen...
Und mittendrin sein lebloser Körper.
Ich weiß nicht mal, wie er hieß oder wie alt er war...
Niemand hat ihm trotz der hohen Technik und der größten medizinischen Kunst helfen können.
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Schweißgebadet wache ich auf. Ich fange mich im Dunkel des Zimmers.
Nur ein Traum? Erleichtert lege ich den Kopf wieder auf das Kissen, höre meinen eigenen Herzschlag vor Aufregung.
Dann stehe ich auf, bin wenig später an der Kliniktür zum Arbeitsbeginn.
Plötzlich springen die Türen der Notaufnahme auf. Ein Junge wird eingeliefert.
Ich erstarre, als ich sein Gesicht sehe.
Schweißgebadet, aschfahl... und unsere Blicke treffen sich.
„Bitte gib mir, worum ich am meisten bitte“ .scheinen sie zu flüstern und ich erinnere mich an den Traum.
Ich kann das Durcheinander nicht aufhalten, kann sein schweres Atmen nicht leichter werden lassen.
Was soll ich tun? Ich will nicht hoffen, dass es endet wie mein Traum von heute Morgen, bitte nicht!
Doch es scheint sich alles genau so zu wiederholen. Wie in einer grausamen Endlosschleife...Gibt es das?
Ich erinnere mich plötzlich an das, was er im Traum sagte.
„Gib mir Wärme! Halt mich fest!“
Und ich schalte gedanklich all die Geräusche um mich herum ab, überhöre die Stimmen und schiebe mich an die Seite des Jungen.
Ich greife seine Hand. Er legt erschöpft seine Finger in meine Handfläche.
„Ich bin da“ flüstere ich ihm in sein Ohr und ein Lächeln huscht ihm über das Gesicht.
Der Monitor ist ausgeschaltet. Er liegt leblos vor mir.
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Ich habe es nicht aufhalten können. Wozu dann also dieses Deja vu?
Wut, Trauer, Enttäuschung mischen sich in meine Gedanken und ich beginne mit Gott zu reden.
Nein, ich habe es nicht ändern können, obwohl mir auf so seltsame Weise gezeigt war, was geschehen wird. Welch schrecklich sinnlose Ironie?
Und doch hat sich etwas verändert.
„Sein Gesicht... sieh es an. Es trägt ein Lächeln, dass ihm keiner nehmen kann.“
Langsam beginne ich zu begreifen.
Hätte ich den ersten Traum nicht geträumt, wäre ich wie die Anderen medizinisch korrekt doch mit dem Gefühl des Fremden dabei gewesen, um sein Leben zu retten obwohl das allein von Gott bestimmt ist, wann und wie es enden wird.
Etwas aber habe ich ändern können, das lag in meiner Macht- ein Lächeln gezaubert...
Selten nur bekommt man eine zweite Chance... handle deshalb nach deinem Glauben, was auch immer du tust.
(Autor unbekannt)
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