Zitat von
Nietzsche
Der Grund dafür ist, das ich gerne Statements bzw. ein paar Stellungsnahmen dazu hätte weshalb "Christen" Christen sind. Sprich, ich würde gerne Wissen warum ihr euch für diese Religion entschieden habt.
Die Gnadenkinder Community ist, soweit ich das beurteilen kann, religiös und konfessionell eine eher bunte Truppe und deshalb vermute ich, dass Du hier gar nicht so viele Statements (explizit) von Christen bekommen wirst? Ich will aber trotzdem mal versuchen eines abzugeben.
Mich haben, so wie Dich wohl auch, schon in relativ jungen Jahren die Themen Religion und Philosophie fasziniert. Durch einen Klassenkameraden (dessen Familie sehr fromm war) bin ich dann mit 13 an die Bibel geraten und habe fortan nix anderes mehr gelesen (nein, auch nur noch sehr selten die Schulbücher ;-) - da bist Du ja offensichtlich vernünftiger als ich!). Aber irgendwie hat sich da für mich eine völlig neue Welt geöffnet und ich habe es geliebt zu beten und meine Teenagerseele von den biblischen Texten erfüllen zu lassen... So wurde ich dann gläubig.
Das schöne am Glauben ist, dass er jederzeit für Dich da ist und das sich selbst das kleinste Stückchen Zeit, im Glauben geborgen wissen darf. Also mich persönlich hat jedenfalls mein Glaube nie sonderlich eingeengt, wenn er auch natürlich meinem Leben eine ganz klare Richtung und Struktur gegeben hat. Es würde jetzt ein bisschen weit führen alle Stationen (und Katastrophen) aufzuzählen, die meinem Glauben nochmal in eine etwas andere Richtung schupsten, aber Du willst ja letztlich auch nur wissen weshalb ich Christ bin.
Also schön: Auf die kürzeste Formel gebracht bin ich wohl Christ, weil ich glaube, dass dieser Jesus einen Erkenntnisweg (voran)gegangen ist, der zu Gott, dem Urgrund, dem innersten Selbst (call it whatever you want!) führt. Und auf diesem Weg möchte ich ihm sehr sehr gerne folgen.
Aber dabei schiele ich jetzt nicht so sehr (oder eigentlich gar nicht) auf irgendeine Form von Belohnung, sondern ich gehe den Weg, weil ich ihn gerne gehen möchte und mich bewusst dafür entschieden habe. Nietzsche (also der Friedrich Wilhelm) hat das in seiner Philosophie des Amor fati eigentlich ganz ähnlich zum Ausdruck gebracht. Im Aphorismus 276 der fröhlichen Wissenschaft drückt er es einmal so aus:
Noch lebe ich, noch denke ich: ich muss noch leben, denn ich muss noch denken. Sum, ergo cogito: cogito, ergo sum. Heute erlaubt sich Jedermann seinen Wunsch und liebsten Gedanken auszusprechen: nun, so will auch ich sagen, was ich mir heute von mir selber wünschte und welcher Gedanke mir dieses Jahr zuerst über das Herz lief, — welcher Gedanke mir Grund, Bürgschaft und Süßigkeit alles weiteren Lebens sein soll! Ich will immer mehr lernen, das Notwendige an den Dingen als das Schöne sehen: — so werde ich Einer von Denen sein, welche die Dinge schön machen. Amor fati: das sei von nun an meine Liebe! Ich will keinen Krieg gegen das Hässliche führen. Ich will nicht anklagen, ich will nicht einmal die Ankläger anklagen. Wegsehen sei meine einzige Verneinung! Und, Alles in Allem und Großen: ich will irgendwann einmal nur noch ein Ja-sagender sein!
...so sehe ich das als Christ eigentlich auch! Und ich bin ein Ja-sagender, seit ich zu Gott ja gesagt habe...!
LG
Provisorium
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