Gebet eines Jugendlichen


Herr, ich möchte glauben,
hilf meinem Unglauben.

Sie sagen,
ein guter Gott habe die Welt geschaffen
und ich sehe so viel Unheil in dieser Welt.
Sie sagen, nach dem Tod geht es weiter
und ich sehe nur Verfall und Tod.
Meine Oma ist gestorben,
sie ist weg.

Sie reden von Jesus, der geheilt hat
und jeder Arzt von heute heilt besser,
heilt, bis ein Mensch achtzig oder mehr Jahre ist
und stirbt.
Wo wäre eine Heilung,
die mehr wäre, als die Heilung von Ärzten.

Sie reden, wie Gott seinen Sohn geopfert hat
am Kreuz.
So ein schlechter Vater will ich nie werden.

Herr, ich möchte glauben,
hilf meinem Unglauben.

Und die anderen bauen, schaffen und machen,
sie leisten und genießen,
bis sie irgendwann in der Rente vereinsamen.

Sie erklären alle Wunder der Welt,
aber die Welt gibt mir nicht die Hoffnung,
die ich brauche.
Auch sie,
die Welt,
betrügt mich
um die Antwort.

Herr, ich möchte glauben,
hilf meinem Unglauben.

Sie reden von ewigem Heil,
und schauen trübsinnig aus der Wäsche,
geben Anweisungen bis ins Detail.
Aber wozu soll ich das alles machen?
Was kommt dabei heraus?

Sie feiern Kinder- und Volksbelustigung
und merken gar nicht, wie lächerlich sie wirken.
Ist das nicht komisch.
Tragisch
komisch.

Herr, ich möchte glauben,
hilf meinem Unglauben.

Nur manchmal,
in den Armen meiner Freundin,
oder in einem guten Film,
oder wenn ich in den Sternenhimmel schaue,
dann denke ich:
Doch, es muss mehr geben.

Aber ich habe mich schon so daran gewöhnt,
dass meine Fragen keine Antwort finden,
dass ich nicht mehr suche.

Wer will denn antworten,
wenn ich über das Leben hinausfrage,
wenn ich wissen will,
was nicht zu wissen ist.

Wer will denn sagen,
ob Gott im Himmel
sich nicht ganz furchtbar den Ast ablacht,
wenn er uns tapsen und leiden sieht?
Dass er sich nicht am Boden kringelt,
wenn er unsere Gebete hört,
oder dass er gar nichts tut,
weil es ihn nicht gibt.

So frage ich und frage.
Man schickt mich von Pontius nach Pilatus,
vom Religionsunterricht in die Kirche
und zurück.
Meine Eltern wissen ja auch
nicht mehr als der Pfarrer und der Papst.

So lebe ich mit ungelösten Fragen,
weiß nicht, wozu ich lebe,
und wie alles endet,
ob es einen Sinn hat.
So lebe ich den Augenblick
und genieße, was nur zu genießen ist
und verdränge, was das Genießen stört.
Die Schönheit der Frauen,
den Rausch des Alkohols,
die Illusion meiner Stärke.

In meiner Hand ist eine Bierflasche.
Warum soll ich sie nicht gegen die nächste Mauer werfen
und mich daran erfreuen,
dass ich zumindest eins in diesem Leben erreicht habe,
nämlich diese Flasche,
die mir keine Antwort gibt,
deren Bier mich nicht genügend betäubt,
zerschmettert zu haben.
Dann knallt es wenigstens.
Das ist doch schon mal was.

Müsste man nicht noch viel mehr zerschmettern?
Alles, was nicht richtig betäubt?
Alles und jeden, der keine Antwort gibt?
Alles was lächerlich ist,
und zum Schluss mich selbst?

Zerschmettern,
damit das wenige, was man genießen kann,
frei wird.
Aber wie viel bleibt, wenn ich zerschmettert bin?

Herr, ich möchte glauben,
hilf meinem Unglauben.

Es wäre doch schön,
wenn es etwas gäbe, was mir Antwort gibt.
Oder noch besser:
Jemanden, der mit antwortet.
So, dass ich glauben könnte.
Jemand wirklich vertrauenswürdigen,
der meine Fragen versteht
und sie mit mir teilt
und mit mir sucht
und Antworten findet.

Ich sehe keinen Weg dahin.
Es braucht so eine Art Wunder,
ein RIESEN-Wunder.

Zum Beispiel einen Menschen.

Herr, ich möchte glauben,
hilf meinem Unglauben.

Verfasser unbekannt