Lieber Origenes hier nun zu der Antwort. Noch eins vorab, es ist viel Text und sehr Komplex. Allerdings sei vorweg gesagt, ich bin nicht Gott, der dir rechtens und richtig antworten würde, ich kann nur aus meinem Verständnis antworten, dass auf Gott angewiesen ist.



Bereits die griechische Morallehre der Stoa hat versucht, Gott gegenüber der Tatsache des Übels zu rechtfertigen. Fast wortwörtlich argumentieren auch Gewisse Texte des N.T. aus der Stoa und bieten Erklärungsversuche zu der Frage nach dem Bösen. So wurde der erzieherische Wert des Leidens für den herausgestellt, der ohne eigene Schuld leidet. Für den, der Böses tut, ist das Leiden Folge seiner Fehler und Vergehen. Leiden wird damit grundsätzlich bejaht ohne Rücksicht auf Schuld und Unschuld.
Ein anderer Aspekt ist, dass das Böse jenseitigen Chaosmächten zugeschoben wird, welche im Gegensatz zum „guten“ Olymp als Gegenpol fungieren. Also gute Götter / Gott oder böse Götter / Gott. Der Mensch steht im Machtkampf dieser göttlichen Kriege und jede Seite ringt um Bundesbeistand und lockt mit jeweils göttlichen Belohnungen. Um den Menschen die Entscheidung zu erleichtern und ihn für sich zu gewinnen schicken beide Seiten Gottmenschen auf die Erde, welche den Menschen die rechten Anweisungen geben, etc, etc. Diese Theologie war von Persien bis Rom gang und gebe.
Leibniz führte aus, dass Gott nur die beste aller Welten schaffen konnte und dass daher das Böse gar nicht vorherrschend werden kann. Zudem würde ein Übel ein Gut bewirken, aus der Erfahrung des Krieges erwächst der Wille zum Frieden. Zudem müsse Gott das Übel zulassen, wenn er die Freiheit des Menschen wirklich wolle.
Diese beispielhaften Versuche, das Übel als Teil der an sich guten Schöpfung zu erklären, befriedigen nicht.

Die Grundfrage, woher kommt das Böse, wird in der hebräischen Tanach nicht beantwortet. Es wird als menschlicher Zustand vorausgesetzt.

Die Grundfrage ist eigentlich, wo beginnt das Böse und wie definieren wir das „Urböse“, also den Anfang dessen, was wir heute als böse empfinden. Welche Gestalt und Form hatte das Böse eigentlich, bevor es uns als Böses zur Realität wurde? Das Böse beginnt eigentlich mit dem Begriff Vergänglichkeit und steht im Widerspruch zur Ewigkeit. In dem Begriff Vergänglichkeit löst sich der Wert von gut und böse auf. Die Frage muss also lauten, wer erschuf die Vergänglichkeit, die immer in sich Vernichtung, Auslöschung und in deren Folge, Dinge wie Abschied, Schmerz und Leiden beinhaltet. Einzig der Ewige, der dieser Vergänglichkeit nicht unterworfen ist, vermag Vergänglichkeit zu erschaffen. Er selbst steht außerhalb dieser Gesetzmäßigkeit, die nur eins bezweckt, Werden und Vergehen. Hier im schöpferischen Dasein Gottes ist der Ursprung für Vergänglichkeit zu finden – Werden und Vergehen. Dieses Werden und Vergehen hat jedoch eine Eigendynamik vom Erschaffer erhalten. Werden und Vergehen können von den Elementen selbst beschleunigt oder verlangsamt werden. Dazu dienen Gesetzmäßigkeiten, die in Raum und Zeit ihre Basis finden. Atome finden sich zusammen und Atome trennen sich wieder. Das Geheimnis des Lebens, des Werdens und Vergehens, finden hier ihren Ursprung. Das Böse ist also erst einmal an sich ein Prozess, der sich ständig wiederholt und an sich überhaupt nicht böse ist, sondern vom Schöpfer als „ewiger“ Kreislauf von Werden und Vergehen erdacht wurde. Allerdings sieht die Sache anders für die aus, die in diesem Prozess eingebunden sind, denn sie müssen sich diesem Werden und Vergehen stellen. Dabei spielt die Frage nach Schuld und Unschuld keine Rolle, denn Pflanzen sind nicht böse und doch sind sie dem Werden und Vergehen unterworfen. Gott selbst, der sich als Herr über Sein oder Nichtsein – also als Schöpfer dessen bezeichnet, hat allen beseelten Lebewesen zudem ein Bewusstsein für dieses Werden und Vergehen gegeben. Egal ob Pflanzen, Tiere oder Menschen, egal ob Universen oder Galaxien mit ihrem Sein, alles steht in diesem Prozess um das Werden und gegen das Vergehen.

Einst hatte Gott in seiner Urabsicht den Menschen von diesem Prozess ausgenommen (Paradies) und stellte ihn in einen Sonderstatus, der den Gesetzmäßigkeiten des Universums zu widersprechen schien. Gott setzte den Menschen in eine neue und andere Gesetzmäßigkeit, allerdings ließ er auch andere Optionen offen (Baum der Erkenntnis). Hier stellt sich nun die Frage, wieso das Uranliegen Gottes für den Menschen nicht Realität wurde. Mitnichten ist es so, dass Gott in Form von „Leichtsinnigkeit“ den Menschen vor unlösbare Probleme stellte oder gar Seine „Aufmerksamkeit“ vom Menschen abwendete, damit ein sog. „Gegenspieler Gottes“ zum Zuge kommt. Wer Gott das zugesteht, der gesteht Gott im gleichen Atemzug Fahrlässigkeit gegenüber seinen Geschöpfen zu. Auch ist es naiv anzunehmen, dass ein Gegenspieler Gottes abwartete bis Gott „Jenseits der Welten“ ist, um den Menschen zu verführen. Schon früh fragten die Gelehrte Israels, wo war Gott als das mythische Schlangenwesen zum „Biss“ ansetzte? Gott war da, es geschah vor dessen Angesicht und in dessen Willen. Denn der Gelobte ist Allgegenwärtig, seine Wesen ist nicht abwesend. Der Schlangerich tat, was er tun musste und der Mensch tat was er tun musste, sich entscheiden. Es ist der Mensch selbst, der sich durch sein Verhalten ganz bewusst in den Kreislauf der irdischen Welt einfügt aus der erschaffen wurde und auch dessen Konsequenzen erleben muss. Es ist das Bewusstwerden von Werden und Vergehen und sein Wille diesen Zustand zu erleben.

Aus dieser Konsequenz erwächst nun ein neuer Ansatz. Das eigentlich Böse ist, dass die nun erworbene Gesetzmäßigkeit Gottes nicht akzeptiert wird und der „Neid“ auf Gott, dieser Gesetzmäßigkeit nicht unterworfen zu sein, zur Rebellion gegen den Schöpfer führt. Es ist der Mensch, der sich anmaßt Gottes schöpferische Gesetzmäßigkeit anzuzweifeln und zugleich den Anspruch erhebt auf eine eigene Begriffswelt von Gut und Böse. (Böse ist, wenn der Mensch keine Wahlfreiheit hat, Böse ist, wenn der Mensch die Folgen seiner Wahlfreiheit ertragen muß, Böse ist Wahlfreiheit, weil der Mensch vor die Wahl gestellt ist) Gut und Böse sind in der menschlichen Realität nun dem Kreislauf von Werden und Vergehen unterworfen. Dieses Werden und Vergehen wird zugleich einem erbarmungslosen Wettkampf gegenüber gestellt, der den Menschen zum endgültigen Bestandteil seines Universums macht. Allerdings ist der Mensch an sich für dieses Dasein nicht geschaffen und widerstrebt seiner eigentlichen Bestimmung. Das Bewusstsein des Menschen ist gänzlich verschieden von seiner Umwelt und genau hier liegt die Gemeinsamkeit zwischen Himmelssöhnen und Menschen, es ist unser Bewusstsein! Es ist das Bewusstsein, dass wir der Vergänglichkeit unterworfen sind und nur den schwachen Trost in sich trägt, werdendes Leben selbst zu erschaffen, allerdings auch in dem Bewusstsein, dass dieses vergänglich sein wird. Es ist die Trennung des Menschen von seiner Unvergänglichkeit, von Gott, die den Menschen zur Abkehr von Gott treibt. Umkehr zu Gott, der eigentlich diesen Prozess beenden könnte wird durch ein eigenes Rechts- und Gut-Böseempfinden verhindert. Die Suche des Menschen nach dieser verlorenen Unsterblichkeit treibt den Menschen zu immer neuen Höhenflügen und zugleich treibt er ihn in einen Wahnzustand, der in seiner letzten Konsequenz die Auslöschung menschlichen Daseins in sich trägt. Die göttliche Logik: Wer sein Leben gewinnen will, der wird es verlieren, wer sein Leben verliert wird es gewinnen, widerstrebt unserem Bewusstsein von Gut und Böse, denn der Mensch hat den Kontakt zu seinem paradiesischen Wurzel, die Gut und Böse nicht kannten, denen Leben und Tod fremd waren, verloren. Er ist zum bodenständigen Diesseitigen geworden, der dem Jenseitigen widerstrebt. Der Mensch schafft sich selbst ein Paradies auf Erden, das allerdings zum gigantischen Desaster mutiert. Auch das ist eine Rebellion gegen Gott, die darauf abzielt die Unabhängigkeit von Gottes Gesetzmäßigkeiten zu erreichen. Gott erlaubt dem Menschen dieses „Schattenreich“ (Erde) auf Zeit.

Das eigentliche Vergehen des Menschen – in seiner konsequenten Tragweite - ist nach jüdischem Verständnis nicht ein Zustand der einzelne Straftaten gegen die Schöpfung Gottes beinhaltet, sondern ist die Ablehnung von Gottes Willen, so bitter er auch für uns sein mag. Spätestens am Totenbett, oder beim Verlust eines geliebten Menschen, wird die Tragweite des getrennt sein von Gott zur bitteren Realität. Genau hier versagt bei den meisten Menschen die Zuversicht auf ein DANACH mit Gott. Der Unglaube und die Ablehnung Gottes ist dann Realität und trägt seine Früchte bis hin zum Völkermord und Religionswahn.

Der Gedanke, dass Gott nicht das Weltenruder in der Hand hält wäre sicher falsch, doch der Gedanke, dass er den Dingen keine Eigendynamik erlaubt, wäre ebenso falsch. Weil Gott die Eigendynamik (Gesetzmäßigkeiten) kennt, kann er sie auch zulassen, allerdings lässt Gott folglich auch die daraus resultierenden Konsequenzen zu. Gott ist kein Diktator, sondern er ist Imperator und Gott steht über den Dingen und nicht mitten drin. Wir selbst haben das Recht in unseren „Spielgrenzen“ frei zu wählen, in unseren von Gott gegebenen Möglichkeiten und wir selbst entscheiden über das für und wider. Wir sind zur Verantwortung verpflichtet und ebenso zur Selbstständigkeit und das impliziert eigentlich, dass wir nur eine Wahl haben, aber wir reden uns ein, wir könnten dem unausweichlichen Schicksal, welches uns bestimmt ist, der Konfrontation mit Gott entfliehen. Da entstehen dann Lehren, die uns regelrecht ins Königtum der Himmel loben oder befördern. Ein wirklicher Trugschluss. Doch wer tut das, es sind Menschen! Nicht Gott!
Das Gott gelegentlich eingreift ist immer auf die Freiwilligkeit der angesprochenen Personen zurückzuführen. Ein jeder Gesalbte hätte eben auch Nein sagen können, selbst ein Jona! Gott zwingt uns nicht in seinem Bund, er zeigt uns aber die Notwendigkeit dafür auf.


Teil 2

Weil Gott den Menschen mit Vernunft, mit Herz und Verstand, mit Gefühl und Gewissen ausgestattet hat, darum darf und muss er Gott die Frage nach dem Warum stellen. Das stumme hinnehmen von Leid verursacht neues Leid!

Der Begriff Leiden trägt in sich so viele verschiedene Aspekte, wie das Leiden selbst ganz verschieden Auswirkungen hat. Wir können physisch-, seelisch-, psychisch Leiden, Mitleiden mit Menschen, Tieren und der Schöpfung und wir können auch an Gott leiden und das auf ganz vielen Ebenen.

Dietrich Bonhoefer sagt: „Gott lässt sich aus der Welt hinausdrängen. Unsere Welt ist Gottlos und Gottlos sind unsere Taten.“
Er erlaubt uns diesen Schritt, wir dürfen Gott mit Nichtachtung abstrafen, wir dürfen Ihn aus unserem Dasein verbannen, wir dürfen Ihm wehtun, indem wir uns seiner Liebe verweigern und vor allem ihm unsere Liebe entziehen. Wir Leiden und wir lassen leiden!

Wir alle kennen den Unterschied zwischen wollen und tun und wir alle wissen wie oft sich unsere Wünsche von der gelebten Realität unterscheiden. Zugleich wissen wir auch, dass all unser Handeln durch unsere Werteerziehung geprägt wird, also gut und böse auch eine Frage der Anerziehung ist. Doch da gibt es dann eben oft diesen göttlichen Initialfunken der die Biographie eines Menschen aus der Bahn wirft, er sich dann folglich gegen das Gelernte und Anerzogene aufbäumt und Gottes Willen folgt. Das sind seelische Prozesse, die unseren menschlichen Geist beeinflussen und dann auch zu körperlichen Reaktionen führen (Taten). Ein Mensch – nicht ein einziger!!! kann sündlos durch diese Welt gehen. Das gab es nie und wird es nie geben. Dazu ein simples Beispiel. Gott gebot uns nicht zu morden. Dieses Gebot erstreckt sich auf alles von Gott Belebte. Ausgenommen davon sind die Dinge die wir zum Überleben brauchen, das müssen wir töten, dass ist aber dann kein Morden. Wissenschaftler haben errechnet, das ein Mensch in seinem Leben soviel Tiere sinnlos mordet, nämlich durch sein Dasein, dass aufeinander geschüttet, diese einem Berg von Tierleichen in etwa der Höhe eines Menschen entspricht. Von Pflanzen wollen wir gar nicht sprechen. Wie das? Nun wir zertreten durch unsere Fortbewegung allein Unmengen von Kleintieren. Durch sinnlose Bebauung, Umweltvergiftung, etc, etc, zerstören wir unendlich viel Lebensraum in der Flora und Fauna und das obwohl wir das alles nicht zum Überleben bräuchten. Wir morden also bewusst - unbewusst. Das ist ganz klar gegen Gottes Anweisungen, wenn man diese nun wirklich ganz streng für sich gelten lässt.

Warum gibt es Leid?

Die häufigste aller gestellten religiösen Fragen ist, warum gibt es Leid. Es mag nicht verwundern, dass gerade diese Frage die meist gestellte ist, denn wir alle erfahren Leid und oft ohne ersichtlichen Grund. Leiden wird als unverdiente Strafe empfunden und ganz besonders dann, wenn es die schwächsten Glieder der Gesellschaft trifft. Unbegreiflich stehen wir nur all zu oft vor der Tatsache, dass es mal wieder die „Falschen“ getroffen hat.

Seid alten Zeiten sehen sich Menschen dieser Fragestellung ausgesetzt und die Antworten seid diesen Urzeiten sind im Wesentlichen nur Teilantworten, denn Leiden lässt sich eben nicht in ihren Ursachen ergründen, wohl aber in dessen Wirken. Das heißt, die Ursachen erkennen wir oft nicht, doch das Wirken durchleiden wir dann.

Die vielfältigen biblischen - traditionellen begründeten Ursachen für Leiden sind ein Spiegel dieser Tatsache des unfassbaren Geschehens. Es gibt keine eindeutigen Aussagen zu Leid, sondern jede Generation sucht auf ihre Weise Begründungen für diesen Zustand. Sei es Strafe, Erziehung, Missachtung der Gebote oder Verachtung Gottes, selbst gewähltes Leiden, etc. oder eben einfach nur Gottes Wille. Die Aspekte sind jeweils zu differenzieren und situationsabhängig und dürfen nicht als Pauschalerklärung und Enderklärung gelten! Das führt nämlich zu einem Automatismus, der dann den Leidenden in eine Schublade der Aburteilung wirft.

Wir müssen erstmal grundsätzlich zur Kenntnis nehmen, Leiden geschieht, weil es zu unserem Dasein gehört und wir alle sind in diesen Prozess eingebunden. Ob Menschen, Tiere, Pflanzen, ja selbst das ganze Universum ist ein einziger Leidensort. Werden und Sterben und dessen Begleiterscheinungen, diesem Prozess sind wir alle unterworfen und das ist ein wesentlicher Aspekt von Leiden! Leiden geschieht, ob wir es wollen oder nicht, wir haben nur begrenzte Möglichkeiten Einfluss auf gewisse Prozesse auszuüben. Dieses Leiden, dass jenseits unserer Gestaltungskraft liegt, findet seine Ursache in Gott und damit sind wir in dieses Szenario eingebunden doch dafür nicht verantwortlich, doch diesem unterworfen. Ungerecht könnte man jetzt sagen und genau hier kommen wir zu oben gesagten, die Akzeptanz von Gottes Schöpferwirklichkeit.

Wo war Gott in Auschwitz?

Diese Frage meiner Mutter, die mir zum Vorwurf macht, dass ich noch immer an diesem „wahnwitzigen Gott“ festhalte, hat mich lange beschäftigt und mir unsagbar viele schlaflose Nächte geraubt. Ich kenne jedes Detail der Schilderungen meiner Mutter, die ihre Kindheit in Auschwitz durchlitt und das uns nur all zu oft nacherleben ließ. Wie oft schrie ich zu Gott, fragte an, klagte an, verurteilte, resignierte, kapitulierte vor dem Nichtverstehen der unfassbaren Ignoranz Gottes zu menschlichen Treiben. Keine Erklärung von Menschen vermochte mir Antworten zu geben und noch weniger „heilige Sprüche“ der Bibel, die Massenmord und Rassenwahn rechtfertigen wollten. Wollte Gott Auschwitz, Dachau, Bergen-Belsen…? War es nötig wie mir einmal menschlicher Unverstand erklärte, damit Israel wieder zu seinem Land kommt? Welch hoher Preis ist das? Welche „perverse“ Ideologie sollte da Gott vertreten? Welche krankhafte Entschuldigungslüge.
Als ich mich irgendwann vom Entsetzen beruhigt hatte, war die Zeit für Gott gekommen um mir Antworten zu geben. Und diese waren sehr kurz und deutlich. Gott fragte mich: „Warum entschieden sich so viele Menschen, die ihnen von MIR gegebene Freiheit für derart verheerende Ziele zu nutzen? Sage mir mein Kind warum? Warum haben mich Menschen in die Gaskammern geschickt, warum hat man mich gequält und gefoltert, entwürdigt, gepeinigt und mich verfolgt? Sage mir mein Geliebter, warum taten das mir Menschen an?
Stunden lang lag ich auf meinem erbärmlichen Angesicht und weinte mit meinem „Vater“. Ich fragte Gott, du warst dabei? Überall, in den Kammern in den Öfen, an den Mauern und Zäunen? Gott sagte ja, sollte ich denn meine Kinder allein lassen? Ich hatte meine Antwort!

Die Logik Gottes entspricht nicht meiner menschlichen Logik! Würde ich es anders sagen, wäre ich ein Lügner. Doch ich verstehe so ganz langsam die Dimension, die Gott selbst durchleiden muss. Doch warum durchleidet Gott, der Schöpfer allen Daseins selbst diese Prozesse? Die Antwort ist sehr simpel und einfach. ER selbst ist mit all seinem Wesen Bestandteil dieser Schöpfung. In jedem Atom, in jeder Faser, Gott ist darin substantiell enthalten. Um es ganz menschlich auf den Punkt zu bringen, schlage ich mein Kind, schlage ich mich selbst, mein eigen Fleisch und Blut, nur dass ich im Gegensatz zu Gott dies selbst nicht physisch spüre, Gott unphysisch sehr wohl. Diese Dimension von Gottes Gegenwart ist so umfassend, dass es all unsere Vorstellungen sprengt. Wie im Guten so auch im Negativen!!! Jede Anmaßung von Erklärungsversuchen menschlicher Seite findet hier seine Abstrafung durch Unvollkommenheit des Verstehens! Ijob sollte uns dazu eine Lehre sein.

Teil 3

Ijob

Schuldlos wie schuldig bringt er um ... Ich sage zu Gott: ... lass mich wissen, warum du mich befehdest" (Jb 9,17-22; 10,2).

Ijob ist das erste und in seinem Umfang einzige Buch der Bibel, das den Ursprung von personellen Leiden suchen, erfassen und erfolglos erklären will. Im gleichen Atemzug muss man auch Kohelet nennen der ebenfalls auf seine ganz eigene Art diese Thematik aufgreift und ganz unpersonell (allgemein) (Es gibt nämlich Toratreue Menschen, denen es so ergeht, als hätten sie wie Torabrecher gehandelt; und es gibt Torabrecher, denen es so ergeht, als hätten sie wie Toratreue gehandelt. " (Koh 8,14).) zu verarbeiten sucht.

Beiden Büchern ist zu Eigen, dass sie die vielfältigen Aspekte von Leid untersuchen und verschieden Varianten von Schuld und Unschuld durchspielen. Bei Jiob wird es durch die personelle Erfahrung und im Dialog mit seinen Freunden erörtert, bei Kohelet durch Beobachtung des Weltgeschehnes. Fünf Aspekte treten bei beiden zum Vorschein: (1) Leid als Vergeltung und Vorbeugung für Vergehen, (2) als Vorwegnahme der Strafe im Jenseits, (3) als Prüfung und Läuterung der Gerechten, (4) als Glaubenszeugnis und Ausdruck reiner Gebotserfüllung und (5) stellvertretendes Leiden.

Die Rabbinen sind bezogen auf die 5 Aspekte für das Leiden zu folgenden Rückschluss gekommen: "Als R. Eliezer krank ward besuchten ihn seine Schüler. Da sprach er zu ihnen: Ein gewaltiger Zorn herrscht in der Welt. Da begannen sie alle zu weinen, während R. Akiba lächelte. Sie fragten ihn: Weshalb lächelst du? Er entgegnete ihnen: Weshalb weint ihr? Sie erwiderten ihm: Ist es denn möglich, dass, wenn die Tora in Schmerzen weilt, wir nicht weinen sollten? Er entgegnete ihnen: Deshalb lächle ich; solange ich gesehen, dass beim Meister der Wein nicht sauer der Flachs nicht zerschlagen, das Öl nicht übel riechend und der Honig nicht verdorben wird, dachte ich: vielleicht hat der Meister, behüte und bewahre, seinen Lohn bereits erhalten; nun ich aber den Meister in Schmerzen sehe, freue ich mich. Da sprach dieser zu ihm: Akiba, habe ich vielleicht etwas von der ganzen Tora unterlassen? Dieser erwiderte: Meister du selber hast uns gelehrt: "Es gibt keinen Frommen auf Erden, der nur Gutes täte und sich nicht verschuldige" (Koh 7,20).

Grundsätzlich muss man diesen Tatbestand bejahen und doch fragt sich, ob wir hier von Strafe Gottes sprechen müssen, oder wir nur das Ernten, was wir aussäen, nämlich dass Gott uns an seinem Leiden anteilhaftig werden lässt. Das heißt, erleben wir Gottes Leiden über uns Menschen mit?

Am Beispiel Ijobs scheint dies nicht belegbar zu sein oder doch? Die Erfahrung lehrt, dass der Tun-Ergehen-Zusammenhang oft nicht eintrifft, dass es Sündern gut und Gerechten schlecht geht. Deswegen sind Modelle wichtig, die insbesondere das Leid des Gerechten erklären.
Dazu bietet uns Psalm 44 ein klassisches Beispiel: Hätten wir den Namen unseres Gottes vergessen und zu einem fremden Gott die Hände erhoben, würde Gott das nicht ergründen? Denn er kennt die heimlichen Gedanken des Herzens. Nein, um deinetwillen werden wir getötet Tag für Tag, behandelt wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. Wach auf! Warum schläfst du, Herr? Erwache, verstoße nicht für immer! Warum verbirgst du dein Gesicht, vergisst unsere Not und Bedrängnis? Unsere Seele ist in den Staub hinabgebeugt, unser Leib liegt am Boden. Steh auf und hilf uns! In deiner Huld erlöse uns! (21-27).

Im gleichen Atemzug argumentiert Ijob und die Klagelieder, die vor Anklage gegen Gott nicht zurück weichen (Ijob: 9/ 19-24 + 27/2 + Klgl. 2/20 – 22).

Ijob trifft das Leid in einem unerwarteten Moment und Ausmaß. Gott – nicht Satan(!) schägt Ijob (Jb. 23/16 Gott macht mein Herz verzagt, / der Allmächtige versetzt mich in Schrecken.) Gott lässt es zu, Gott ist es im Endeffekt, der Macht über Ijobs Dasein hat. Ijob selbst erkennt Gott als Ursache seines Leidens und sucht bei ihm eine Erklärung dazu. Seine Freunde geben Ijob Erklärungsmodelle, die jedoch Ijob von sich verweißt und uns davor warnen, nur all zu schnell eine Sündendiagnose für unser Schicksal zu erstellen. Ijob sucht verzweifelt nach einem Ausweg und einer Erklärung und genau hier liegt die eigentliche Dramatik der ganzen Geschichte. In diesem entscheidenden Sätzen zeigt sich das ganze Ausmaß der Katastrophe für Ijob: "Wüsste ich doch, wie ich ihn finden könnte, gelangen könnte zu seiner Stätte" + „Geh ich nach Osten, so ist er nicht da, / nach Westen, so merke ich ihn nicht, nach Norden, sein Tun erblicke ich nicht; / bieg ich nach Süden, sehe ich ihn nicht.“ (Jb. 23/3 + 8-9)

Ijob, der Mann Gottes weiß nicht wo er Gott finden kann, er der Gerechte an der Tora weiß nicht wo er diesen Gott, dem er so aufrecht folgt, suchen soll? Der Himmelssohn Satan weiß es! Hier genau an diesem Punkt zeigt sich all unser elendes Versagen, unser Vater ist uns fremd oder um nochmals mit Bonhoefer zu sprechen: „Vor und mit Gott leben wir ohne Gott.“

Nach der Lehrstunde Gottes an Ijob, erklärt Ijob selbst: 42/ 5: „Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein „Auge“ dich geschaut.“

Was hier zum Ausdruck kommt ist ein regelrechter Generalangriff auf Gottes Urabsicht, nämlich mit dem Menschen eine liebevolle Gemeinschaft zu haben. Gott wird ohne innige Beziehung gefolgt, gleich wie ein Esel seinem Herrn folgt weil er Futter und Wasser von seinem Herrn bekommt. Doch genau hier setzt Gott an und er lässt an diesem Trennungszustand Ijob mitleiden, ja er zeigt erst Ijob auf, was es heißt aus der so frommen Geborgenheit in die Realitäten Gottes geworfen zu werden. Gottes leiden an der Abwendung des Menschen zu ihm, wird für Ijob zur erfahrbaren Realität, weil sich Gott von ihm abwendet und den Chaosmächten menschlichen Daseins überlässt. Gott ließ Ijob nicht strafen, auch wenn es für Ijob so empfunden wurde, Gott lies Ijob anteilhaftig werden an dem, was Gott durch treue Menschendiener erfährt!

Wir lassen Gott leiden und dadurch leiden wir! Das Schweigen Gottes ist die Antwort auf unser Schweigen auf ihn!

Hierin liegt eine der Hauptquellen des Zustandes den wir als „Zulassen Gottes“ erfahren. Nicht nur Gott hat eine Verantwortung für uns, wir haben auch eine Verantwortung für Gott! Wir sind eine Familie, die vom Geben und Nehmen bestimmt sein sollte! Vater und Mutter gibt gern, ohne Zweifel, doch getätigte Einseitigkeitsliebe wird zur Leidensliebe! Diese Erfahrung kann ein jeder Ermessen, der an seinen Kindern verzweifelt, man leidet an der Liebe zu diesen und erntet weiteren Hohn und Spott dafür.

Gott lässt gelegentlich Erwählte diesen Tatbestand erkennen und diese fühlen sich berufen an dem Leiden Gottes an seinen Kindern Anteil zu nehmen. Sie nehmen Leiden unverschuldet auf sich. Sie fühlen sich verantwortlich und berufen, durch ihr Leiden Gott mit den Menschen auf der Ebene des Mitleidens zu versöhnen. Das stellvertretende Sühneleiden wird hier zum aktiven Tatbekenntnis, indem diese Menschen für Menschen, in dessen und ihr eigenes Versagen, eintreten. Sie nehmen ganz innig Anteil an dem Leiden Gottes, ja sie beziehen es auf ihr Dasein und begeben sich damit in eine ganz innige Gemeinschaft mit Gott. Die letzte Konsequenz aus dieser Für- und Mitliebe heißt sich hingeben für den Nächsten um dessen Umkehr willen.

Die Gerechten Israels riskierten alles um dem Einzelnen und dem Volk als Ganzes die Liebesbotschaft Gottes zu übermitteln. (Siehe dazu auch Leidensknecht bei Jesaja). Ja, selbst kollektiv darf man das Leiden für Gottes Botschaft verstanden wissen, denn es traf nicht nur Einzelne, sondern oft auch das ganze Volk. Was insbesondere die Weheklagen der Propheten, Psalmen und Klagelieder zum Ausdruck bringen ist diese „unheilvolle“ Gemeinschaft mit Gott, die sehr wohl auch Aspekte der Wohlergehens beinhalten, aber mehr noch die Aufforderung zum Kampf für eine bessere Welt. Seid heilig, denn ich der Herr euer Gott ist heilig!, ist nichts geringeres als der Totalanspruch Gottes für eine unmittelbare Gemeinschaft – im Guten wie im Schlechten, in Freude und Leid – zu seinem Volk. Diese Dimension dieses Anspruches sprengt jeglichen menschlichen Rationalismus, der dem nichtheiligen des irdischen Daseins, den Stempel des Heiligen Jenseits aufdrückt. Gibt es eine größere Ambivalenz für ein irdisches Dasein? Nein, und genau diese Ambivalenz spüren Ijob, die Propheten, ja alle Gesalbten auch bei Gott. Jes. 45/ 7 Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, / ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil. / Ich bin der Herr, der das alles vollbringt.

Dieser Ambivalenz Gottes, die Schattenseiten und Sonnenseiten hat, müssen wir uns stellen und deren geheimnisvolles Wirken wird uns wohl ewig in seiner Fülle verschlossen bleiben.

Wir werden aber erkennen müssen, dass sich der Heiligkeitswille Gottes für unser Dasein nur schwerlich mit dem Daseinswillen menschlicher Bedürfnisse decken lässt. Hierin liegt ein Leidensfaktor um der Erwählung willen, weil sie dem diesseitigen Dasein widerspricht. Die Ursache dafür liegt in Gott selbst, der die Erde so geschaffen hat wie sie ist und der uns in dieses Dasein entlassen hat. Das hätte Gott in der Tat verhindern können, doch er tat es nicht und der Mensch hatte in diesem Fall die Wahl zur Qual.

Gott trägt unser Dasein mit aber er kann sich auch unserem Dasein verschließen, er kann Mitleiden und er kann es auch lassen. Das ist der Punkt der uns bewusst werden muss, wir kennen die Mechanismen Gottes nicht aber wir können ja versuchen und wie einst Ijob es geschah folgendes Angebot annehmen: Ijob 40/ 8 Willst du wirklich mein Recht zerbrechen, mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst?

Wir können dem Leid nicht entfliehen, wir können uns diesem nur stellen. Wir müssen deren Ursachen zu ergründen suchen und werden Antworten – ganz individuell – auch von Gott erhalten, wenn Gott es will. Sehen wir darin einen Aufruf unserem Nächsten das Leiden zu erleichtern und sehen wir darin die Erkenntnis, Gott leidet mit uns! Dadurch können wir das Böse überwinden, indem wir Akzeptanz finden das Gute zutun, auch wenn es unserem menschlichen Ansinne widerstrebt und vor allem eins endlich beherzigen, in unserem Gegenüber die Ebenbildlichkeit Gottes zu erfassen und vor allem auch Gott! Das hat auch Jesus vorgelebt und mahnte zur Nachfolge! Wer sich nicht selbst überwindet, so sagte einst Rabbi Jeshua, der wird überwunden. Dieses ursprünglich von Hillel ausgeführte Zitat geht noch weiter: „Denn wenn du nicht selbst für dich – für das „Leben“ bist, wer soll dann für dich sein? Was du aussäst wirst du ernten. So wähle zwischen Tod und Leben, wähle zwischen Gott oder gegen Gott.