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Baum-Darstellung

  1. #11

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    Ich habe dazu einmal (unten) folgendes Gleichnis ausgesucht, weil es uns in drei Versionen durch Markus, Matthäus und Lukas überliefert ist und somit zu den wenigen Gleichnisworten gehört, welches man ohne große Probleme gegenüberstellen kann:

    Mk 4/ 11 Da sagte er zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen gesagt; 12 denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; / hören sollen sie, hören, aber nicht verstehen, / damit sie sich nicht bekehren / und ihnen nicht vergeben wird.

    Matth. 13/ 11 Er antwortete: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen; ihnen aber ist es nicht gegeben.
    12 Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.
    13 Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, weil sie hören und doch nicht hören und nichts verstehen.
    14 An ihnen erfüllt sich die Weissagung Jesajas: Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen; / sehen sollt ihr, sehen, aber nicht erkennen.

    Lk 8/ 9 Seine Jünger fragten ihn, was das Gleichnis bedeute.
    10 Da sagte er: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu erkennen. Zu den anderen Menschen aber wird nur in Gleichnissen geredet; denn sie sollen sehen und doch nicht sehen, hören und doch nicht verstehen.

    Ich habe die vorliegenden Texte aus der Einheitsübersetzung bezogen.

    An dieser überlieferten Gleichniserzählung ist ganz viel bemerkenswert. Es ist nicht nur die Fülle der Textmenge, welche von Lukas über Markus bis zu Matthäus stetig zunimmt und es ist auch nicht nur der jeweils unterschiedliche redaktionelle Beginn, der als Einleitung für die „Worte Jesu“ gebraucht wird. Es ist vielmehr die frühkirchliche, theologische und redaktionelle Entwicklungsgeschichte, welche an diesem Gleichnisspruch sich rekonstruieren lässt.

    Setzen wir eins vorab voraus, Jesus sprach zu seinen Zuhörern um seine Lehren nicht zu verdunkeln, wie wir aus anderen Gleichnissprüchen wissen und was Gleichnissen an sich unzuträglich ist, sondern er sprach in Gleichnissen um seine Lehre bildlich zu veranschaulichen. Das Wesen aller Gleichnisreden, ob jesuanisch oder rabbinisch diente immer diesem einen Zweck, Veranschaulichung eines Sachverhaltes oder Lehre. Gleichnisse sind nicht zur Verdunkelung da, sondern zur Beleuchtung! Doch gerade dieser Gleichnisspruch scheint auf den ersten Blick genau das Gegenteil zu behaupten. Mehr noch, Jesus wird in den Mund gelegt, dass er durch seine geheimnisvolle Redeweise Menschen zu Fall bringen will – laut Markus. Eine unglaubliche Behauptung, die scheinbar überhaupt nicht in das Sendungsbewusstsein Jesu passen will.
    Es lohnt sich also sehr wohl diesem „angeblichen“ Jesusspruch nachzuspüren um dessen wirklichen Inhalt zu beleuchten.

    Zur Gattung der Gleichnisreden kann ich hier nicht ausführlich eingehen. Das Thema würde selbst schon ein Buch füllen. Nur soviel in Kurzform dazu. Wir kennen ganz verschiedene Gleichnis- und Parabelerzählungen aus der Antike, welche ganz unterschiedlich sind. Wir haben griechische Gleichnisse von den Philosophen, wir haben Mysteriengleichnisse aus den hellenistischen Kulten, wir kennen Gleichnisse aus der Theaterkunst der Antike, wir kennen rabbinische Gleichnisse und wir kennen die Gleichnisse Jesu, welche in ihrem Ursprung den rabbinischen Gleichnissen ganz ähnlich sind. Letzte Gruppe diente immer dem gleichen Zweck, Menschen anzusprechen und Lehrinhalte zu vermitteln. Die Antiken Gleichnisreden der Theaterkunst, der Philosophen und selbst der Mysterienkulte war hingegen in aller Regel nur gebildeten Schichten verständlich und nur bedingt im Alltag umsetzbar. Dieser Tatbestand, der das Gleichnis als theatralische Kunstform benutzt, war dem rabbinischen Judentum und auch den Gleichnissen Jesu fremd. Deutlich wird dies insbesondere dann, wenn die Gleichnisse auf irdische Verhältnisse bezogen sind (Flora und Fauna, Alltagssituationen, realistische Lebensdarstellungen). Hier kann von künstlichen Dichtungsformen nicht gesprochen werden, denn diese Gleichnisse beziehen sich auf aktuelle Situationen, die dann perspektivisch zu Gott gestellt werden. Das ist der wesentlichste Unterschied zu den Gleichnisreden antiker hellenistischer Literaten. Die heute noch ansprechende Lebendigkeit der rabbinischen Gleichnisse und ebenso der jesuanischen Gleichnisse ist ein klassisches Indiz dafür, wie Lebensnah die Gleichnisreden am Alltag und Umfeld der einfachen – zumeist - ländlichen Bevölkerung angesiedelt ist. Mit ethischen Parabelerzählungen antiker Literaten ist hier nur schwerlich ein Vergleich möglich, auch wenn es hin und wieder Berührungspunkte gibt (Weisheitserkenntnis).

    In den vorliegenden Gleichnisworten haben wir jedoch noch wesentlich mehr als nur einen Jesusausspruch vor uns. In diesen Worten liegt zugleich Missionspredigt. Das wird besonders an Markus deutlich, der das theologische Verstockungsmotiv des Paulus (Römer 11) hier einfließen lässt und ins Vernichtende steigert. Doch schauen wir uns Markus genauer an. Markus steigert all diese Aussagen zum Superlativ. Deutlich wird dies wenn man den Schlusssatz von Markus in den Vergleich zu Lukas und Matthäus stellt.
    Markus greift hier einen, aus dem Zusammenhang gerissenen, Jesajatext (6/9) auf und arbeitet es argumentativ in seine Darstellung mit ein. Doch wie kann man sagen, dass Markus dies selbst tat und nicht Jesus sagte? Markus selbst gibt uns die Antwort darauf, indem er besagten Satz aus der griechischen Jesajaversion einfügt. Ja mehr noch, er greift hier auf Lukas zurück, der ebenso diesen Satz aus Jesaja anführt. Doch genau dieser Jesajasatz trägt in sich eine ganz verräterische Essenz, die uns sofort von Jesus – als Worturheber – abbringt. Markus wie Lukas zitieren diesen Satz aus einer griechischen Jesajapassage und genau dieser Sachverhalt bringt uns zu einem schwerwiegenden inhaltlichen und grammatikalischen Problem. Da laut aller Evangelien Jesus nur zu seinen Jüngern spricht und nicht zum Volk, ändert sich die Satzform aus Jesaja von der zweiten Person zur dritten Person Plural. Damit steht dieser Satz konträr zum hebräischen Jesaja und damit wird auch der Sinn des Satzes entfremdet, denn in dieser Form ist ein hebräischer Ausspruch nicht möglich. Das bedeutet Jesaja muss umgestellt werden, um überhaupt hier Geltung finden zu können und genau das tut dann auch Markus und Lukas, indem sie zuerst die Grammatik des griechischen Satzes brechen und dann in dessen Folge sogar den Satz umstellen müssen, damit er noch einen Sinn ergibt. Das heißt, dieser Satz aus Jesaja lag ursprünglich schon in Griechisch vor und wurde dann auf die Bedürfnisse der Aussage und der griechischen Textangleichung – Wortverlauf mit Sinnzusammenhang umgestellt. In einem hebräischen Kontext würde dieser Satz so nie einen Sinn ergeben, denn wenn Jesus tatsächlich Jesaja angeführt hätte, dann hätte die Logik des Markus von der Verwerfung in Jesaja keine Begründung gefunden, denn hebräisch Jesaja spricht in einen Zeitwort das auf eine Begrenztheit verweißt.

    Ende Teil 1

    Teil 2

    Wir sehen also, dass Lukas und mehr noch Markus sich einer griechischen Jesajavorlage bedienten und diese in ihrem Inhalt umstellten und Markus dann daraus eine Verwerfungslehre baut, die hebräisch Jesaja so nicht kennt. Diese Theologie geht ganz eindeutig auf Paulus zurück, der mehrfach auf diese theologischen Gedanken anspielt. Deutlich wird das gesagte an Apg. 28/25-28, wo Paulus genau diese Gedankengänge darlegt. Paulus selbst suchte durch seine Verstockungsworte seine Ansichten biblisch theologisch zu erklären und genau dieser Trend wird in Markus dann zur Verwerfung gesteigert. Doch Markus, Lukas und auch Matthäus bedienen sich noch eines redaktionellen Eingriffes und dieser lässt sich – wie wir noch sehen werden - an Matthäus belegen. Sie versetzen die Gleichnisse Jesu aus der realen Lebenswelt in den mystischen – geheimnisvollen Bereich. Die Gleichnisse werden nun zu geheimen Botschaften stilisiert. Dieser Kunstgriff ist nötig, um Jesaja zu erklären, der hier angeführt wird. Die Jünger Jesu sind nun die Eingeweihten, sie sind es, die allein Gottes Absichten kennen und verstehen und alle anderen sind nun außen vor und somit unverständig. Der Absolutheitsanspruch der jungen Kirche kommt hier deutlich zum tragen (Kol. 4/3 + 4/5, Röm. 16/25, etc) und hat keines Wegs etwas mit der Urgemeinschaft zutun! Deutlich wird das wieder an Markus, denn dieser Satzeinschub wird in Vers 13 relativiert: 13 Und er sagte zu ihnen: Wenn ihr schon dieses Gleichnis nicht versteht, wie wollt ihr dann all die anderen Gleichnisse verstehen? Wie ist dieser Sachverhalt zu erklären? Eben noch waren es die Jünger, denen die Geheimnisse Gottes anvertraut waren oder die Erwählten, welche die Gleichnisse erkennen können und nun diese Schelte? Schaut man sich den Fortgang in Lukas und Matthäus dazu an, so finden wir diesen Sachverhalt dort nicht, wohl aber erweißt sich Lukas 8/ 16 – 18 als ebenso Kontraproduktiv zu den Worten aus 8/ 10. Bewusst möchte ich jetzt diese Worte gegenüber stellen:
    8/ 10 Da sagte er: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu erkennen. Zu den anderen Menschen aber wird nur in Gleichnissen geredet; denn sie sollen sehen und doch nicht sehen, hören und doch nicht verstehen.
    8/ 16 Niemand zündet ein Licht an und deckt es mit einem Gefäß zu oder stellt es unter das Bett, sondern man stellt das Licht auf den Leuchter, damit alle, die eintreten, es leuchten sehen. 17 Es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar wird, und nichts Geheimes, das nicht bekannt wird und an den Tag kommt. 18 Gebt also Acht, dass ihr richtig zuhört! Denn wer hat, dem wird gegeben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er zu haben meint.

    Nur schwerlich wird man diese beiden Lehraussagen Jesu in einem Kontext miteinander versöhnen können, wenn man nicht eine gewisse gespalten Zunge unterstellen will.
    Als Untermauerung noch ein Satz dieses Sachverhaltes möchte ich noch anfügen: Markus 8/ 17 Als er das merkte, sagte er zu ihnen: Was macht ihr euch darüber Gedanken, dass ihr kein Brot habt? Begreift und versteht ihr immer noch nicht? Ist denn euer Herz verstockt?
    18 Habt ihr denn keine Augen, um zu sehen, und keine Ohren, um zu hören? Erinnert ihr euch nicht:

    Wie ist diese Aussage im Kontext zu Markus 4/ 11 – 12 zu werten? Sind die Jünger nun doch nicht die Träger des Gottesgeheimnisses oder müssen sie es gar durch erlernen erst werden? Also keine geheimnisvolle Gabe oder Gnade von oben, wie Matthäus erklärt (13/16) sondern Schulung? Wie anders könnte man die häufige Kritik Jesu an seinen Schülern verstehen, welche uns besonders in den alten Textschichten der Synoptiker noch begegnet (Lk 9/45, Mk 9/32, Mt 17/ 23, Lk 18/34, etc)?

    Dieser Sachverhalt, der sich bei Markus schon auftut und in Lukas nur wenige Verse später deutlich wird ist ein Produkt von Redaktionsarbeiten an diesen Schriften. Deutlich wird das aus folgenden Texteinschub, den wir erstaunlicher Weise in Markus 4/33 – 34 lesen können: 33 Durch viele solche Gleichnisse verkündete er ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten.
    34 Er redete nur in Gleichnissen zu ihnen; seinen Jüngern aber erklärte er alles, wenn er mit ihnen allein war. Diese redaktionelle Schlussbemerkung späteren Alters ist gerade zu erstaunlich und steht nun wieder im krassen Gegensatz zu den Versen aus 11 und 12. Jesus redete also sehr wohl verständlich für seine Zuhörer und erklärte zudem noch offene Fragen seinen Jüngern, womit wir hier doch deutlich in die Gegenwart einer rabbinischen Praxis zurückkehren!!!
    Zu diesem Sachverhalt kommt noch hinzu, dass hier ein echtes Jesuswort in einen neuen textlichen Zusammenhang gestellt wurde und für apologetische Zwecke verwendet wurde aber dadurch seinen Sinninhalt gänzlich verloren hat. Deutlich wird an Markus 4/13, dass der Textinhalt von Markus 4/ 11 – 12 nicht ursprünglich sein kann. Gleiches kann man zu Lukas sagen gleich wohl Lukas den wahren Kern der Geschichte sehr wohl berichtet doch dann paulinische Theologie anfügt. Genau dieser Spagat führt bei Lukas zu ganz seltsamen Ausführungen welche sich dann z.B. in Lk 9/10 oder wie oben schon angeführt, widerspiegeln. Bemüht um Historische Hintergründe und doch gefangen von apologetischen und theologischen einwürfen schwankt Lukas hin und her. Doch wie verhält es sich mit Matthäus? Matthäus selbst liefert eine ganz neue Version mit verschiedenen Textstücken aus Markus und Lukas und formt sie zu einer großen Gleichniserzählung um. Matthäus ist bemüht verschieden Lukaszitate neu zu ordnen (Lk 8/9 + 10/ 23 – 24 + 17/22) und in einen homogenen Text einzubauen. Ganz offensichtlich hat schon Matthäus die Zwiespältigkeit bei Markus und Lukas erkannt und hat versucht die Logienworte neu zu ordnen und zu einem neuen Text aufzubauen. Dabei folgt er dem markinischen und lukanischen Schlussfolgerungen und verbindet diese vorliegende Theologie mit Gnade und Erwählung und stellt noch deutlicher den Bezug zu Jesaja her. Doch genau dieser Sachverhalt nötigt Matthäus dazu Jesaja nun noch weiter umzuschreiben und auf diese Bedürfnisse anzupassen. So wird aus dem Satz: griech. Jesaja 6/ 10 Verhärte das Herz dieses Volkes, / verstopf ihm die Ohren, / verkleb ihm die Augen, damit es mit seinen Augen nicht sieht / und mit seinen Ohren nicht hört, damit sein Herz nicht zur Einsicht kommt / und sich nicht bekehrt und nicht geheilt wird; der Matthäussatz: 15 Denn das Herz dieses Volkes ist hart geworden / und mit ihren Ohren hören sie nur schwer / und ihre Augen halten sie geschlossen, / damit sie mit ihren Augen nicht sehen / und mit ihren Ohren nicht hören, / damit sie mit ihrem Herzen / nicht zur Einsicht kommen, / damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile.

    Theologisch wird hier der Auftrag Gottes an Jesaja aus seinem Kontext gerissen, dann verworfen und textlich neu umgestaltet um dann in eine neue Theologie eingebaut zu werden. In konsequenter Folge von Markus und Lukas setzt Matthäus diese weiter fort und baut diese noch aus. Allerdings verwirft Matthäus die Schärfe der Markusworte und auch deren letztendliche Schlussfolgerung.

    Hier nun schließt sich der Kreis einer Odyssee eines Jesuswortes, welches textlich neu gestaltet, theologisch verformt und dann redaktionell neu verbaut wurde. Doch was ist nun der eigentliche Hintergrund dieses Logoswortes? Matthäus hat in der Tat und Lukas in etwas veränderter Form den hebräischen Grundkonsens noch zum Inhalt, der eine Rekonstruktion noch ohne Ausrichtung auf griech. Jesaja erkennen lässt. Hier nun der eigentliche Grundgehalt dieser Logie: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Königtum Gottes zu erkennen, jenen (Außenstehenden) aber ist es nicht gegeben. Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, und hören und doch nicht hören und nicht verstehen.

    Ende Teil 2

    Teil 3

    Dieser versprengte Satz gehörte ursprünglich in den Kontext zu Lukas und muss heißen12/ 2- 6: 2a 2b
    2Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Königtum Gottes zu erkennen, jenen (Außenstehenden) aber ist es nicht gegeben. Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, und hören und doch nicht hören und nicht verstehen.
    2 a Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird.
    3 Deshalb wird man alles, was ihr im Dunkeln redet, am hellen Tag hören, und was ihr einander hinter verschlossenen Türen ins Ohr flüstert, das wird man auf den Dächern verkünden. 4 Euch aber, meinen Freunden, sage ich: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, euch aber sonst nichts tun können.
    5 Ich will euch zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet euch vor dem, der nicht nur töten kann, sondern die Macht hat, euch auch noch in die Hölle zu werfen. Ja, das sage ich euch: Ihn sollt ihr fürchten.
    6 Verkauft man nicht fünf Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch vergisst Gott nicht einen von ihnen. (Text Einheitsübersetzung 2a - 6)

    Hier gehört dieser Logion hin und ist in seinem ursprünglichen Kontext angesiedelt gewesen. Nur schwerlich lässt sich heute rekonstruieren warum einst diese Spruchquelle zerpflückt und auseinander getrennt wurde, doch es geschah.

    Es zeigt dieses kleine und unvollständig dargestellte Beispiel wie mühselig die Spurensuche ist und wie erfolgreich sie sein kann. Zugleich zeigt es wie durch redaktionelle Eingriffe Aussagen des N.T durch Eigenverschulden zu unsäglichen Fragestellungen und inhaltlichen Widersprüchen führen. Was allerdings überaus bedauerlich ist, dass diese uns unbekannten Redakteure nicht davor zurückschreckten, Textstücke des Tenach für ihre Zwecke zu vereinnahmen, umzudeuten und zu entstellen, wie uns an Jesaja klar wurde. Das sich diese Tendenz wie ein rotes Band durch die Evangelien zieht ist offensichtlich und dessen Vorläufer war Paulus, der in seinen Briefen diese Praxis tätigt und was wichtig ist, er war nicht der Erste der das Tat, seine Vorläufer fand er nicht im Rabbinismus, sondern bei den Essenern. Genau diese Schriftpraxis ist bei ihnen gang und gebe und schuf ein völlig neues Schriftgut, dass denen der Evangelien in vielen Bereichen überaus ähnlich ist, insbesondere der Schriftumdeutung und Textverfälschung.

    Unser Forschungsergebnis bestätigt einmal mehr das Selbstbewusstsein Jesu, der sich auch (nicht nur) zu den Verlorenen und Unverständigen, zu den Ausgestoßenen und Alleingelassenen gesendet fühlt. Ihnen das Königtum der Himmel öffnen will und eben nicht dieses in Geheimniskrämerei verschließen will. Das ist die wirklich Frohe Botschaft, welche ihren Bogen vom Sinai bis zur Berglehre spannt.

    Hier nun eine Rekonstruktion zu besagter Thematik der Logienquelle (Thema gestern) und ihrem ursprünglichen und zusammenhängenden Inhalt.

    Diese Logienquelle, war ursprünglich eine zusammenhängende Texteinheit und wurde später in drei Komplexe aufgeteilt und in den Evangelien ganz unterschiedlich anderen Texten an- bzw. zugeordnet.

    Wir glauben, dass wir hier ein inhaltlich authentisches Jesuswort rekonstruieren konnten.

    = (*siehe Anmerkung)
    „ Ich danke Dir, Vater, Herr der Himmel und der Erde, dass Du dies verborgen hast vor den Weisen und Verständigen, und es den Einfältigen (*1) offenbart hast.
    Ja, Vater, denn so war der Wille vor dir.
    Alles ist mir von meinem Vater übergeben, und niemand kennt den Sohn außer dem Vater, und niemand kennt den Vater außer dem Sohn, (*2) und wem der Sohn offenbaren will. (*3)
    Euch ist es gegeben, die Geheimnisse Gottes (Königtum?) zu erkennen, jenen aber ist es nicht gegeben. Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, und hören und doch nicht verstehen. Selig die Augen, die sehen, was ihr seht, und die Ohren, die Hören, was ihr hört. Wahrhaftig, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte begehrten zu sehen, was ihr seht, und haben nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben nicht gehört.“ (*4)


    Soweit die Rekonstruktion der ursprünglichen Textquelle.
    Zu den Anmerkungen:
    1. Einfältig, dass hebräische Vergleichswort, welches hier greifen muss ist peta’im und bedeutet weit aus mehr als man mit einfältig wiedergeben kann. Es bedeutet sinngemäß, eine selbst auferlegte Einfältigkeit, die einen ganzen Komplex von Eigenschaften in sich beinhaltet. So z.B. Armut, ein Gott geweihtes Leben, Aussonderung und Absonderung, Friedfertigkeit, Barmherzigkeit, etc. Dieser ganze Themenkomplex begegnet uns schon in den Glückseligpreisungen der Berglehre Jesu und wird hier mit diesem „frommen“ Begriff zusammengefasst. Zugleich ist es auch ein sozialer Begriff aus der Zeit Jesu, der in sich die Menschen zusammenfasst, die um ihres Glaubens Willen oder um ihrer Herkunft willen an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind. Also Menschen, denen der privilegierte Zugang zu Bildung und zur oberen Gesellschaftsschicht verwehrt ist. Sie sind es, die ganz unmittelbar auf Gottes Zuwendung angewiesen sind, sie sind es, zu denen sich Jesus gesendet fühlt und denen er in Gleichnissen seine Botschaft verkündet. Übrigens bezeichneten sich die Essener selbst auch als die Peta’im!!! Quelle = (1QpHab. 12/4 + 4QpNah. 3/5, etc)
    2. Diese Selbstaussage Jesu als Gottes Sohn ist sehr üblich im rabbinisch, apokalyptisch und essenischen Verständnis.
    3. Dieser Ausspruch ist ebenfalls gut verbürgt und findet vielfältige Beispiele in der apokalyptischen und essenischen, ja sogar rabbinischen Literatur. Z.B. (essenisch) Du setzt mich zum Zeichen (Gottes) für die Erwählten der Gerechtigkeit und zum Botschafter (Verkünder / Dolmetscher vom Dawar) der Erkenntnis in wunderbaren Geheimnissen. (1QH 2/13) Ein solch hoher Selbstanspruch war selbst Jesu nicht zu Eigen!
    4. Dieser Ausspruch hat seinen Ursprung unzweifelhaft in prophetischen, essenischen und rabbinischen Vorlagen. Z.B.: Kein Ohr hat gehört und kein Auge hat gesehen, o Gott, außer dir, der so handelt für den, der deiner harrt. (Jes. 64/3) + … dem Lehrer der Gerechtigkeit, dem Gott kundgetan hat alle Geheimnisse der Worte seiner Knechte, der (alten) Propheten 1QpHab 7/3-5 + Rabbi Johanan: Was Gott den Gerechten für die Zukunft bewahrt hat, vermag ein Auge nicht zu sehen und ein Ohr nicht zu hören. Alle Propheten Israels haben uns bis zu den Tagen des Gesalbten (Messias) geweissagt, aber was die künftige Welt anbelangt, darüber heißt es in Jes 64/3 … (siehe oben) Dazu siehe auch Mt. 11/2-15 Lk. 7/8-23. Jesu will mit dieser Aussage deutlich machen, dass nun die messianische Ära anbricht und doch nicht sichtbar ist und diese Menschen lobend hervorhebt, die schon jetzt das kleine Korn sehen (Gleichnis vom Senfkorn). Dieser Satz ist zugleich die Einleitung zu diesem Gleichnis, welches den eigentlichen Abschluss dieser Logie darstellt.

    Die Gemeinsamkeiten des Selbstanspruches des Lehrers der Gerechtigkeit (Führer der Essener), von Jesus, mancher Rabbinen (z.B. Choni, Hillel) und früherer Propheten und Könige (z.B. David Jeremia, Jesaja, etc) sind sich in vielen Parallelen sehr ähnlich und bezeichnen eine ganz innige Gottesbeziehung und zugleich auch Salbung und Sendungsbewusstsein. Diesen Hintergrund darf man bei der Betrachtung zu Jesu Selbstverständnis nicht außer acht lassen und muss diesen Hintergrund auch immer aus dem israelitischen Selbstverständnis als Sohn/Tochter Gottes verstehen!

    Im Übrigen sei noch angemerkt, dass dieser Hymnus ein Singsang/Wortsang ist! Er wurde nicht gesprochen, sondern Jesus sang diesen! Deutlich wird dies an der rhythmischen Reimform und entspricht gänzlich altertümlich rabbinischen Prosahymnen. Leider geht dieser Charakter im deutschen Wort total verloren. Doch wir wissen heute, dass Jesus sehr oft in dieser typisch israelitischen Weise „sanggesprochen“ hat.
    Geändert von absalom (10.11.2009 um 10:38 Uhr)


 

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