Ja, es hat keiner gemeckert und einige Leser haben sich ja gefunden, so
mache ich einfach mal weiter und geb Euch nach und nach Teil 2 meiner Geschichte zum Lesen.
Freunde für immer
Maiby, Schwerin 2006
Der Winter war lang in diesem Jahr. Aber nun erwarteten wir den Frühling. Ich hatte mich voll in meine Ar-beit gestürzt. Oft leitete ich morgens und abends eine Veranstaltung Malerei. In meiner Werkstatt gab es viel zu tun. Mein Mann Peter war mit seinem Job beschäftigt. Unsere Tochter Jana gab in der Schule ihr Bestes. Das war bestimmt nicht immer einfach in Amerika. Wir und auch ihre Gasteltern, Carrie und Barry Ford, wa-ren stolz auf sie. Jeden Tag erfuhr ich, was in der Familie los war. Mein Computer war meistens an, wenn ich zu Hause war.
1 – Ostern mit Aprilwetter
„Ich koche jetzt Kaffee!“, sagte ich zu Peter, als ich am Morgen ganz ohne Wecker erwachte. Es war ein Feiertag, Karfreitag. Langsam krabbelte ich aus meinem Bett. „Das mache ich!“ rief mein Mann mir hinterher. Er mag es nicht, wenn ich schlaftrunken Kaffee koche und möglicherweise die Menge des Kaffees nicht richtig einschätze. „Auch gut“ dachte ich und verschwand im Bad.
Unsere Stube war ein wenig zu Ostern dekoriert. Auf einen Birkenstrauß hatte ich verzichtet, denn die Ostereier hingen an meinem großen Christusdorn. Wie war das eigentlich mit den volkstümlichen Traditionen? An welchem Tag werden die Ostersachen versteckt? Es war auch egal, denn diese Aufgabe hatte ich nicht in diesem Jahr, denn wir hatten kein Kind zu versorgen.
Warum werden überhaupt so viele Eier gegessen? An der Kasse in der Kaufhalle hatte ich in der letzten Woche einen Mann beobachtet. Er wollte sechs Packungen Eier bezahlen und so begann er sich sofort zu rechtfertigen: „Wir sind zu Ostern elf Personen, da braucht man schon mal 60 Eier!“ Die Kassiererin tat inte-ressiert. Doch ihr „Ja, ja“, schien mir eher eine andere Bedeutung zu haben. Diese schwierige Rechenauf-gabe konnte ich nicht lösen, aber ich wusste, dass wir nicht so viele Eier essen. Erst recht nicht an diesem Tag, denn ich hatte keine Lust, welche zu kochen.
Meine Tasse, mit der richtigen Mischung aus Kaffee und Milch, stand für mich bereit. Es war Zeit, in Ruhe zu frühstücken. Besonders schön an diesem Tag war, dass der Briefkasten leer war. Kein lautes Knistern mit der Zeitung und Peter bombardierte mich nicht mit Angeboten der bunten Prospekte. Frische Brötchen wa-ren in der Plastiktüte, weil mein Mann daran gedacht hatte, sie am Abend davor dort einzupacken, damit sie an diesem Morgen noch frisch waren. Während wir gemütlich kauten, freute Peter sich schon auf die nächs-te Mahlzeit. Er fragte mich: „Wann gibt es Mittag?“. Ich antwortete entschlossen: „Dreizehn Uhr“. Mein Vor-schlag wurde anstandslos akzeptiert. Allerdings griff Peter noch ein weiteres Mal in die Brötchentüte.
Vor uns lag ein schöner Tag, völlig ohne Termine. Ich schaltete meinen Computer an, schaute in meinen E-Mail Postkasten. Aber es waren keine Nachrichten angekommen. So blieb ich gleich an meinem Schreib-tisch sitzen und ließ einen Zettel nach dem anderen durch meine Finger gleiten. Der Papierkorb wurde im-mer voller und langsam war das Holz meiner Arbeitsplatte wieder zu sehen. Ein Erlebnis welches ich lange nicht mehr hatte. Zum Abschluss meiner Sortier- und Aufräumaktion folgte eine Feuchtreinigung. Mein Ar-beitsbereich am Computer strahlte vor Sauberkeit.
Dann allerdings war es Zeit, den Job in der Küche zu erledigen. Eigentlich mag ich ganz gerne kochen, es ist eine der interessantesten Aufgaben im Haushalt. Warum viele Leute damit allerdings so viel Zeit verbrin-gen, kann ich nicht verstehen. Um ein ordentliches Mittag zu kochen, brauche ich selten länger als eine hal-be Stunde.
Um halb eins schloss ich die Küchentür von innen. Die Sinfonie in der Küche konnte beginnen. Als alles ruhig war startete ich das erste Instrument, die Geschirrspülmaschine. Sie macht von allen Geräten das lauteste der Geräusche. Nicht wesentlich leiser ist allerdings der Wäschetrockner. Beide zusammen bilden ein harmonisches Duo, sozusagen das Orchester meines Musikstücks. Gleichzeitig steigerten sich auch die Temperaturen in meinem Raum. Aus diesen Gründen fällt es mir nicht schwer, in dieser Mietwohnung auf den Luxus einer Fußbodenheizung zu verzichten. Nun schaltete ich meine Kochplatten an. Das Wasser im Kochtopf begann leise zu sprudeln, die Töne wirken gleichmäßig und beruhigend. Man muss aber genau acht geben, um es zu hören. Das Solo spielte die Margarine in der Pfanne, sie brutzelte im mittelschnellen Takt. Leider ging es im Gesamtwerk etwas unter. Die grünen Nudeln landeten im kochenden Wasser. Es war Zeit, die Abzugshaube arbeiten zu lassen. Der Geräuschpegel steigert sich zum ohrenbetäubenden Lärm.
Meine geschälten Kartoffeln wurden geraspelt und ein bekannter Kartoffelpufferbrei angerührt. Auf meine „Pflinsen“, wie meine Mutter die Kartoffelpuffer immer nennt, kommt der Fisch. An diesem Osterfest gab es Filet des Viktoriabarsches. Wenn ich nicht in diesem Moment das Fenster geöffnet hätte, wäre ich wohl erstickt. Auf den Herdplatten zischte es laut. Ich öffnete die Tür, holte einmal tief Luft und erinnerte Peter rechtzeitig einen Rotwein zu öffnen; damit dieses edle Getränk vor dem Essen atmen konnte. Der letzte Arbeitsgang war die Herstellung der klassische „Sauce Hollandaise“, die ich mit ein paar Kräutern und Käse verfeinert. Ich deckte den Tisch. Das Poltern mit den Tellern war der Schlussakt. Freundlich drehte ich mich in meiner Küche, bedankte mich bei allen Mitwirkenden und schalte alle Geräte ab. Ich schloss das Fenster und rief meinen Mann zum Essen. Als wenn nie irgendetwas gewesen war, saßen wir pünktlich beim Festmahl.
Nach unserer Mittagsruhe schien die Sonne und sie lockte uns nach draußen. Wir setzten uns auf unsere Fahrräder, fuhren die Straße entlang. Die dunklen Wolken bedeckten den Himmel und schon nach den ers-ten dreihundert Metern bekam ich den ersten Tropfen ins Gesicht. „Wird es mehr regnen?“ überlegte ich, denn meine Regenjacke war auf dem Gepäckträger eingeklemmt. Eigentlich sah es nicht so aus. Entschlos-sen radelten wir weiter, bis an unserer Kongresshalle, die dicken Hagelkörner auf den Boden knallten. Das Dach des Tanzlokals Achteck rettete uns. Während Peter mir die Eisbrocken aus meinem Haar sammelte, dachte ich an Jana. Sie lag zur selben Zeit mit ihrer Familie und ihrem Freund Jake braun gebrannt am At-lantikstrand. Mit dem Campinganhänger verbrachten sie das Osterfest in Myrtel Beach. Nur wir durften uns mit diesem typischen Aprilwetter herumplagen. Doch es wurde wieder heller, so dass wir unsere Tour fort-setzen konnten. Wir radelten weiter und besuchten unsere Familie. Am Abend schaute Peter Fußball und ich versackte an meinem Computer. Ich übersetzte meine Geschichte in die englische Sprache, bis ich daneben ins Bett fiel.
Am Sonnabend klingelte mein Wecker wieder früh. Ein Arbeitstag für mich. Während unsere Stadt noch zu schlafen schien, saß ich bereits im Auto. Die Bäume und Büsche des Flieders zeigten kleine grüne Spitzen. Ich achtete in diesem Jahr besonders darauf. Wenn die verschiedenen Farben Blüten in dunkelviolett, vio-lett-rot und weiß die Natur schmücken, sollte unser Kind wieder zu Hause sein. Am Herrentag, wenn die Fliederblüten die Fahrräder und Autos schmücken, wollten wir eine gemeinsame Tour machen.
In der Werkstatt suchte ich meine Bastelmaterialien und Werkzeuge zusammen und stapelte die Klappboxen im Auto. Schon nach fünf Minuten kam meine Mutter, um mir zu helfen. Sie wollte mich an diesem Tag nach Gägelow begleiten. Alles war fertig. Einsteigen und ab ging es nach Wismar. Es ist eine schöne Fahrstrecke. Ich kenne den ersten Teil dieses Weges, weil ich ihn als Teenager oft mit dem Fahrrad gefahren bin. In den Wäldern gab es noch Stellen, wo die Ein-Euro-Jobber nicht aufgeräumt hatten, wo die weißen Buschwindrö-schen sich nach der langen Kälte in großen Flächen unter Baumwurzeln und Gestrüpp zeigten. Gerne wäre ich in dieser Gegend herumgestrolcht, auf der Suche nach irgendwelchen interessanten Baumpilzen, Wur-zeln oder irgendetwas Brauchbarem. Doch ich hatte Pflichten und selbst das missfiel mir nicht.
Nach vierzig Minuten erreichten wir den Parkplatz am Einkaufszentrum. Wir besorgten uns zwei Einkaufs-körbe, in die wir alle meine Boxen einluden und in das Center schoben. Wenn man die Managerin nicht gleich draußen am Eingang trifft, dann läuft sie einen spätestens in den nächsten fünf Minuten über den Weg. Diese quirlige und couragierte Frau ist der gute Geist dieses Hauses. Mit ihrer freundlichen Art und ihrem strahlenden Lächeln gelingt es ihr immer wieder, alle Käufer und Verkäufer anzustecken.
Meine Tische und Bänke standen zusammenklappt in der Ecke. Wir bauten alles nach meinen Vorstellungen auf. Auf einem separaten Tisch dekorierte ich meine gebastelten Gestecke, Osterhasen und Eier, einige Figuren aus Ton und meine Bilder. Alles leuchtete bunt. Eine Menge Leute und besonders viele Familien waren an diesem Sonnabend unterwegs. Doch meine Hoffnung war nicht groß, meine Sachen zu verkaufen. Das Angebot in den vielen Geschäften ist riesig. Während einige meinem Stand nicht einmal einen Blick schenkten, schauten andere wenigstens interessiert.
Pünktlich um elf Uhr ertönte die Stimme aus den Lautsprechern. Die Centermanagerin des MEZ Gägelow war sich nicht zu schade alle Besucher selbst zu begrüßen. Während sie alle Aktionen im Center durchsag-te, hatten die ersten Kinder mich bereits entdeckt. Die erste Frage war immer, was es kostet mitzumachen. Es ist eine Freude, dann erklären zu können, dass es nichts kostet, weil alle Materialien und auch mein Ho-norar vom Center bezahlt werden. Die drei Mädchen waren begeistert und setzten sich zu mir. Interessiert betrachteten sie meine Musterstücke. Ich bot ihnen an, Mäuse aus Moos zu fertigen oder Sandbilder mit den Motiven eines Marienkäfers, einer Schnecke oder eines Kükens zu gestalten. Alle entschieden sich einheit-lich für ein Ostermotiv. Bei dieser Technik braucht man keine lange Einweisung. Das erste Team begann selbständig zu arbeiten. Meine helfenden Hände wurden nicht gebraucht.
Das war gut so, denn so soll eine Bastelaktion sein. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, nach ungefähr zehn Minuten war das erste Kind fertig. Das Mädchen zeigte mir stolz ihre Osterkarte und sagte: „Die ist für Oma“. Ich freute mich mit ihr und steckte ihr kleines Kunstwerk in einen Briefumschlag, damit es heil bei Oma zu Hause ankommt. In diesem Moment zog ein weiteres Mädchen ihre Mutti ganz dicht an meinem Tisch vorbei. Die Kinderaugen erkannten sofort, dass dieses Basteln Spaß macht. Bei den Erwachsenen ist es anders. Die junge Frau scannte meine Sachen förmlich ab. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Brauche ich das oder nicht. Da! Ein Fun-keln in den Augen: die Mutti hatte sich in eine Moosmaus verliebt. Gerne versuche ich die Gedanken der Besucher zu erraten. Vielleicht dachte sie: „Diese Mause fehlt noch zu Hause. Sicher passt sie auf den Fern-seher oder neben die Schale beim Spiegel.“ Ich glaube ihre Dekorationsideen waren grenzenlos. Der richti-ge Zeitpunkt, um die Leute anzusprechen: „Möchten sie auch mit basteln?“ Es kam keine Antwort, nur ein Schmunzeln. Nachdenkliches Schweigen. Aber ich hatte noch einen Trumpf: „Heute ist es kostenlos, das Center lädt Sie ein!“ Nun kamen sie näher. Es war immer noch Ruhe. Es war nicht zu übersehen, dass die Tochter ein Sandbild basteln wollte und die Mutter eine Moosmaus brauchte. Langsam erklärte ich die Technik der Sandbilder. Anschließend griff ich mit der Hand in das nasse Moos und zeigte, was gemacht werden muss. Manchmal krabbelte eine kleine Spinne oder Ameise heraus. Die beiden Parteien äußerten sich. „Niemals mache ich so eine Moosmaus“, stellte das Mädchen fest. „Aber wir brauchen keine Osterkar-ten, wir rufen alle an“, erklärte die Mutti. Ein wahrer Familienstreit war entfacht.
„Hallo Tante“ begrüßte mich ein kleiner Junge, der schon oft mit seinem Vater bei mir gebastelt hatte. Die Karte mit dem Marienkäfer wollten sie anfangen, und das taten sie auch. Am anderen Ende des Tisches saß ein Mädchen im Teenageralter, sie wollte eine Moosmaus herstellen.
Meine beiden Kampfhähne waren sich noch nicht einig. Die Kleine war schon verzweifelt. Obwohl ich es wusste, fragte ich:„Was möchtest Du denn basteln?“ Mit leiser Stimme piepste sie: „Eine Osterkarte“. Ich schaute zur Mutter. Ihre roten Fingernägel glänzten an den langen dünnen Fingern und sie sah nicht so aus, als wenn sie eine linke und eine rechte Hand hätte. Ich schlug ihr trotzdem vor, selbst so eine Maus zu bas-teln. Erschrocken und entsetzt schaute sie zu den Materialien. Sie gab auf und kleinlaut äußerte sie: „Nein, nein! Mein Kind, bastele du mal eine Karte.“ Das Mädchen hüpfte vor Vergnügen. Zuerst wollte sie das Os-terei auf der Karte gestalten. Die Mutter ergänzte: „Mache es so, wie Du möchtest. Welche Farbe gefällt Dir denn?“ Die Kinderhände griffen zur Schale mit dem lilafarbenen Sand. Die kreischende Stimme war schon wieder zu hören, die Mutter begann zu erziehen! „Aber das Ei vom Küken ist immer weiß. Du musst weißen Sand nehmen.“ Traurig schaute die Kleine zu mir. Langsam beugte ich mich zu ihr und fragte sie, ob lila ihre Lieblingsfarbe sei. Das war es. „Warum soll dieses Osterei nicht lila sein?“ fragte ich und schaute die Mutter an. Endlich war sie sprachlos und auch dieses Kind konnte die Bastelaktion genießen.
Auch Erwachsene basteln gerne. Wenn die Eltern oder Großeltern in der Nähe sind oder sogar neben ihren Kindern sitzen, muss ich oft aufpassen, dass die Kleinen noch etwas selber machen dürfen. Mutti, Vati oder Oma übernehmen in ihrem Eifer gerne die Leitung. Oft lassen sie sich überrede, einfach selbst eine Karte zu gestalten. Meine Sitzplätze sind oft heiß begehrt und eine dicke Traube Leute steht um mich herum. „Die Klebe ist alle. Ich brauche einen Kopf. Darf ich noch eine zweite Karte machen…Meine Aufgaben reißen nicht ab. Oft bleibt nicht einmal Zeit, um zur Mittagszeit etwas zu essen. Doch heute hatte ich meine Mutter mit, die dann loslief, um mir Kaffee und Bratwurst zu kaufen.
Am Nachmittag gab ich kurz vor siebzehn Uhr die letzte Sandkarte heraus. Einer muss der Letzte sein. Doch da fing ein kleines Mädchen an zu weinen, weil es so gerne ausprobiert hätte, wie so eine Sandkarte ge-macht wird. Während meine Mutter die Tische aufräumte und meine Sachen einpackte, werde ich schwach und ließ auch diesen kleinen Fratz noch basteln. „Wenn sie darf, will ich auch noch eine Karte machen!“
Schon waren es wieder zwei. Dann war aber wirklich Schluss! So langsam versagte meine Stimme, mein Rücken schmerzte, denn zum Sitzen war ich nicht gekommen. Die Centermanagerin verabschiedete sich von mir, denn auch sie hatte zu dieser Zeit Feierabend. Ich hoffte, dass sie mit der Aktion und mit meiner Arbeit zufrieden war. Den Umschlag mit meinem Verdienst steckte ich in meine Tasche.
Die letzten Materialien landeten im Einkaufskorb und wir schoben los. Am Ende des Centers beim Bäcker kaufte ich noch ein frisches Brot. Draußen genoss ich die frische Luft. Eine Kiste nach der anderen wurde im Auto gestapelt. Endlich durfte ich sitzen. Schön, dass meine Mutter bei mir war und wir während der Fahrt erzählen konnten. Ich freute mich auf zu Hause, auf ein heißes Bad und auf ein schönes Abendbrot.
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