"Wo der Ketzer nein sagt, beginnt der Theologe zu interpretieren.", schrieb einst Walter Kaufmann...


Aber fangen wir von vorne an.

Sobald jemandem Schaden zugefügt wurde, muß eine Wiedergutmachung folgen.
Und zwar im Sinne des Rechtssystem der jeweiligen Gesellschaft. Und da die Menshen zur Übertreibung neigen, setzt Gott Grenzen: "Auge um Auge, Zahn um Zahn", und nicht mehr.
Hier muss selbst ein bekennender Christentumverachter, wie ich mit Empörung auf die Antithesen verweisen:

"Ihr habt gehört, dass gesagt ist :»Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel. Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will." (Mt. 5; 38-42)

Du sprichst von Wiedergutmachung und scheinst den Begriff von Vergeltung (obwohl in deinem Wikizitat vorzufinden) abzulehnen. Allerdings scheint dein Begriff der "Wiedergutmachung" hier nur eine Euphemie für Rache und Vergeltung zu sein.

"Wiedergutmachung ist die Kompensierung eines Unrechts durch Beseitigung oder Abmilderung seiner Folgen oder Leistung eines Ausgleichs."(Wikipedia)


Ein Beispiel:
Ein Mann steckt ein Haus in Brand. Die Bewohner können sich retten, aber das Haus ist zerstört. Wiedergutmachung wäre nun, wenn der Täter den Bewohnern bei dem Wiederaufbau des Hauses hilft, diesen finanziell unterstützt, oder ihnen als Ausgleich sein Haus überlässt.
Den Täter aber einzusperren (dies wäre als präventive Maßnahme natürlich durchaus gerechtfertigt), ihn zu quälen, oder gar zu töten, wäre aber keine Wiedergutmachung, sondern einfach nur die Befriedigung von Vergeltungs - und Rachegelüsten. Nun könnte man hier natürlich so argumentieren, dass die durch die Brandstiftung entstandenen psychischen Folgen durch Rache eventuell abgemildert würden, der eigentliche Schaden, nämlich das zerstörte Haus würde aber erhalten bleiben. Wenn Rache eine Form von Wiedergutmachung ist, dann ist sie eine sehr primitive, archaische und wenig nützliche Form von dieser, welche selbst Jesus v. Nazareth (zumindest teilweise) ablehnt (siehe Bergpredigt).

Worin liegt aber nun die "Wiedergutmachung" im Kreuzestod des vermeintlichen Christus? Es gibt sie nicht! Gott ist sauer, dass die Menschen sündigen, also lässt er zur Wiedergutmachung seinen Sohn hinrichten. Was wird dadurch wiedergutgemacht? Gott hat diesen Weg ausdrücklich gewählt:

"Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der sich selbst für unsre Sünden dahingegeben hat, dass er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters" (Gal. 11, 3 u. 4.)

Durch diesen Kreuzestod werden nicht die Folgen unserer Sünden wiedergutgemacht. Ermordete Kinder stehen nicht von den Toten auf, zerstörte Häuser strahlen nicht in neuem Glanz und gestohlende Gegenstände finden nicht zu ihren Besitzern zurück.
Die einzige Wirkung des Kreuzestodes ist somit, dass der Zorn Gottes gemildert wird. Das heißt das Ziel des Kreuzestodes ist, und so bestätigt es die Bibel oft genug, Rache!


Zwar lässt sich in das Wirken Jesu, wenn man so will, tatsächlich resozialisierende und präventive Maßnahmen hineininterpretieren, doch die Frage ist doch, weshalb dafür ausgerechnet eine blutige Hinrichtung erforderlich ist?

Du sagst hier, dass es für das Verständnis der damaligen blutrünstigen Menschen hilfreich war für die "Wiedergutmachung" (welche, wie wir sehen eigentlich Rache ist) ein bekanntes Mittel einzusetzen.

Nun, dass dies eher dafür spricht, dass der Sühnetod Jesu nur eine bloße Erfindung der damaligen Menschen ist, somal auch schon andere Gottessöhne am Kreuz starben, sei mal dahingestellt.

Im Prinzip gestehst du ja die enorme archaische Inhumanität des Sühneopfers Jesu ein. Ob dies auf "freiwilliger Basis" geschah bezweifel ich mal
Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mt. 15, 34).

Auch wenn die Kreuzigung für die damaligen Menschen sicherlich hilfreich war um die "Wiedergutmachung" zu sehen so war dies für Gott doch wohl nicht die einzige Möglichkeit.
Anstatt das Leid in der Welt zu mindern, verstärkt er es durch eine weitere Hinrichtung? Anstatt die von Jesu geforderte Feindesliebe zu befürworten, greift er auf Methoden zurück, die in Rache und Vergeltung gipfeln? Anstatt gerade den damalig ethisch hochdefizitären Menschen zu zeigen, dass Probleme gewaltlos gelöst werden sollten, ist er der erste der nach Hinrichtungen fordert? Und anstatt eine für alle Zeiten Wiedergutmachungs/Vergebungsmethode zu wählen, die einen allgütigen, gerechten und liebenden Gott repräsentiert, muss er eine Methode wählen die in einer aufgeklärten Gesellschaft eigentlich nur noch Abscheu hervorruft?

Die Ideale und die Strategie dieses Gottes sind also äußerst fraglich.

Naja, aber der moderne und progressiveTheologe schreckt ja vor noch so keiner intellektuell unredlichen Methode zurück, um auch in die schrecklichsten Glaubensinhalte noch einen liebenden und gerechten Gott zu sehen...
Nu verfälscht dies das was der Kreuzestod Jesu knapp 2000 Jahre bedeutet hat und auch noch heute weltweit (außer den in den ganz aufgeklärten Teilen Europas) bedeutet, nämlich ein Sühneopfer, das auf Rache und Vergeltung beruht!

Damit wären wir wieder beim einleitenden Satz Walter Kaufmanns...