Sie war in der Unterwelt von Chikago gelandet. Erst sah alles so verlockend aus, aber dann war nichts als Elend daraus geworden. Chikago - zweitgrößte Stadt der USA. Luxus, Wohlstand, Tingeltangel, Mietskasernen und düstere Hinterhöfe, Kneipen und Bars.
Sie amüsierte sich mit ihren Freunden und Freundinnen. Aber tief in ihrem Herzen bohrte das Heimweh einer verlorenen Tochter. Und all die Jahre hindurch wartete zu Hause jemand auf sie: ihre Mutter. Sie wartete auf ihr Kind, auf ihre Tochter. Sie wollte gern zu ihr gehen. Sie wollte sie gern suchen. Aber wo? Wo? -
Die Liebe findet Rat. Sie wird einen Brief schreiben. Aber wohin? Der Aufenthalt ihrer Tochter ist selbst für die Kriminalpolizei seit Jahren nicht feststellbar. Ihre Tochter ist verschollen. Sie weiß keine Anschrift. -
Sie lässt viele Bilder machen. Bilder von ihrem vor Kummer altgewordenen Gesicht. Die Bilder klebt sie auf Papier und schreibt darunter: "Komm heim! Mutter wartet auf dich!" Die Bilder bringt sie in die Gastwirtschaften der Chikagoer Unterwelt und bittet um Erlaubnis, sie dort aufhängen zu dürfen. Wird das etwas nützen? Wird ihre Tochter es lesen? Wird sie darauf hören? -
Draußen ist es dunkel. Drinnen nicht viel heller. In einem Nachtlokal spielt eine Kapelle Gassenhauer. Eine junge Frau mit einer leeren Seele und einem verdorbenen Leben bewegt sich durch diese zwielichtigen Räume. Plötzlich bleibt sie wie vom Schlag getroffen stehen. Da - was ist das? Da hängt an der Wand das Bildnis einer alten Frau .... "Komm heim! Mutter wartet auf dich!" - Ein herzzerreißender Schrei: "Mutter!!" -
Einige Stunden später ist sie zu Hause. Sechs Worte, das ist nicht viel. Aber in diesen sechs Worten leigt auch der Inhalt des Briefes, den Gott dir schickt. "Komm heim! Einer, der dich liebhat, wartet auf dich!" Du sollst es gut haben. Er will dir Frieden, Freude und Glück schenken. Komm heim!
Friedhelm König
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