6 - Viele Tiere und ich
Die dünne Zudecke mit dem bunten Dschungelmuster hatte ich mir weit über den Kopf gezogen. So richtig warm war es nicht. Federbetten, so kuschelige wie zu Hause, gibt es wohl nicht in Amerika?
An meiner Bettseite war auf dem Fußboden ein Gitter eingebaut. Daraus strömte in Abständen warme Luft heraus. Die Pumpen machten es zu einem lautstarken Erlebnis. So arbeitet die Heizung dieses Hauses. Wir beschlossen: „Dann lieber erfrieren!“ Bücher sind doch sehr nützlich, ein großes und schweres aus Barrys Sammlung legten wir über das Gitter und es war eine idyllische Ruhe in unserem Zimmer.
Aus der Stube hörten wir bekannte Geräusche eines Fernsehers. Mit einer Kindersendung wurde hier der kleine Chase betreut.
„ Kiddi, kiddi, kiddi!“ schrie Carrie mit greller Stimme. Peter zuckte im Bett. Das war der Lockruf für die Kat-zen. Gleichzeitig landeten ein paar trockene Futtermurmeln im Napf. Vor lauter Hunger schluckten die kleinen Schnurrer es. Sicher wissen die Erwachsenen dort nicht, dass davon ein kleines Kätzchen nicht groß werden kann. Sie hätten ja selber mal etwas Gesundes probieren können, statt Hamburger. Ich nutze jedenfalls jede Gelegenheit, wenn ich alleine war, um die Kleinen zu verwöhnen. So ein richtiges leckeres „Deutsches Kat-zenmahl“; ein angewärmter Brei aus Milch, Butter, Toast und etwas Truthahn. Das war ein Spaß. Die kleinen Köpfchen schauten nicht eher hoch bis der Napf leer war. Im Anschluss startete die große Putzaktion. So eine kleine schwarze Katze mit weißem Milchbart sieht ja auch wirklich nicht schick aus.
Draußen war es richtig angenehm, die Sonne strahlte an diesem Tag noch nicht. Angenehm konnte ich meinen Erkundungsgang im T-Shirt beginnen. Jetzt war es Zeit heraus zu bekommen, was hier so an Tieren lebt.
Am lautesten zu hören war ein größerer heller Hund. Im Zwinger lief er aufgeregt hin und her. Ein Englisch Setter mit einer schlanken Körperform, wie ein richtiger Jagdhund. Sein Reich war nicht gerade komfortabel eingerichtet.
„Wer bist Du denn?“ dachte ich. Barry hatte gesagt: „Mein Haus ist auch Dein Haus!“ Also: Ist Barrys Hund auch mein Hund. Ich öffnete den Zwinger und packte den erfreuten Hund am Halsband. Er schleckte mich ab und tobte herum. Ich fand eine alte Wäscheleine, schnitt mir ein passendes Stück ab und knotete es so zu-sammen, dass es die Funktion einer Leine erfüllte. So waren wir nun zu zweit. Ich erzählte ihm einiges in Deutsch und wenn ich konnte auch in Englisch, aber es war ihm relativ egal.
Hinter dem Haus war ein großes Gehege mit zwei Teichen. Auf dem Boden lagen viele Blätter, es sah aus wie bei uns im Herbst. Ganz am Ende gackerten die weißen Gänse. Das waren die, erfuhr ich später, die nächstes Jahr auf der Speisekarte stehen. Ein Emu sah mich seitlich an und verschwand wieder. Es ist kein Streicheltier, sie nutzen die Eier. Eins davon habe ich im Kühlschrank liegen gesehen.
Im Hühnerstall waren zehn fleißige Hühner und ein Hahn zu Hause. Sie hatten noch keine Ahnung von der Vogelgrippe, aber auch sie wohnten in einem Gehege mit Dach. In einer ziemlich alten Voliere flatterten ein kleiner blauer Wellensittich und ein Nymphensittich. Wer für die beiden verantwortlich war, weiß ich nicht.
Die Sau hatte ein kleines eigenes Haus. Was für ein fettes, schwarzes, borstiges, faltiges Vieh. Es lag “brä-sig“ mit der Schnauze nach draußen im Eingang. Ich war nicht sicher, ob die kleinen Beinchen überhaupt in der Lage waren, den gewaltigen Körper zu tragen. Da fielen mir die Reste in der Küche ein, die ich schnell holte. Als ich meine Spaghettis in die Futterschale tat, setzte sich das Teil in Bewegung und kam auch wieder zum Stehen. Es war eine Herausforderung! Die Sau die! Eine Nudel nach der anderen zog sie schmatzend ein, wie es Kinder gerne tun. Da erschien noch ein weiteres lebendes Exemplar zum Fressen. Am Kopf standen zwei schneeweiße Federn, die anderen hatten irgendwann vielleicht auch mal diese Farbe. Das konnte man jedoch nur ahnen. Die Füße waren sehr kurz, das Tier sah aus wie abgesägt. Wer weiß, was das für eine Züchtung war? Sicher so ein Truthahn, wie beim Thanksgiving Essen!
Im Zaun war ein Loch, und ich stieg mit meinem Gefährten durch. Der etwas größere Teich lag gleich dahin-ter. Ein netter Platz. Der Boden hatte eine kräftig orange Farbe und war sehr feucht und glitschig. Mit jedem Schritt sackten wir tiefer ein. Das Wasser war trübe und sah aus wie Milchkaffee. Auf der anderen Seite war ein kleiner Steg, der fast bis zur Mitte des Wassers reichte. Da sprang doch tatsächlich was und kurz darauf noch einmal. Ein Fisch! Mein Entschluss stand fest, hier werden wir angeln. Nun gut wir drehten wieder um.
Am Haus traf ich Peter und mit einem Hund ließ ich mich gerne zu einem Spaziergang überreden! Wir gingen die Straße entlang, bis die Häuser endeten und der Wald begann. Aus jedem Auto, das an uns vorbeifuhr, grüßte uns jemand freundlich. An jedem Haus, an dem wir vorbeikamen, bellte uns ein Hund an.
Auf unserem Gelände im Rasen reinigte ich meine Schuhe, wie ich es zu Hause gelernt habe. Meine schwar-zen Lederschuhe sahen ganz schön miserabel aus. Auf der Terrasse zog ich sie aus und versuchte den Dreck mit ein paar Servietten abzubekommen. Nach dem Trocknen sahen sie dann noch schlimmer aus als vorher. Ich fragte meinen Lieblingsmann, ob er nicht die unendliche Güte hätte, sie für mich zu putzen. Willig stiefelte er zu Barry, um nach Materialien zu fragen. Kurz darauf kam er mit einem dicken Pinsel in der Hand wieder und lachte sich fast kaputt. So werden also Schuhe geputzt. Am nächsten Tag kauften wir eine Tube Schuhkrem, damit ich wieder stadtfein herumlaufen konnte.
Dann trennte ich mich von meinem Hund. Er ließ sich ohne Probleme auch wieder in seinen Zwinger schie-ben.
Die Familie war im Haus damit beschäftigt, ihre Taschen auszupacken, die Wäsche zu waschen und alle Weihnachtsdekorationen wieder in der Kiste zu verstauen. Wir konnten nicht helfen, aber Jana musste mit ran. Wir retteten sie, weil wir los wollten, und Jana sollte uns den Weg zeigen.
So setzten wir uns in unser neues Auto, was uns für die Urlaubszeit zugeteilt wurde. Es war ein Oldsmobil. Peter drehte erst mal an allen Knöpfen, um deren Funktionen zu testen. Aber da Männer ja so viel techni-sches Verständnis haben, konnte Peter auch diese Probleme anstandslos lösen. Er war stolz unser Chauf-feur nach Lanchester zu sein. Wir fanden eine tolle Eisdiele und wir schlemmten fürstlich.
7 - Janas Schule
Carries Arbeitswoche begann bereits um 6:30 Uhr. Erheblich später startete unser 2.Januar mit einem gemüt-lichen Frühstück. In der fremden Küche versuchte ich mich zurechtzufinden. Peter freute sich, dass ich diese Aufgabe übernommen hatte. So wartete er, bis ich ihm irgendetwas Essbares und frischen Kaffee servierte. Es gab zwar keine Tageszeitung, aber er genoss es immer wieder, seine Prospekte durchzublättern.
Ich nahm den großen Kanister mit der Milch aus dem Kühlschrank, den wir für den Kaffee brauchten. Ich suchte nach einer Scheibe Wurst, Schinken oder überhaupt irgendwas, was man auf ein Brot schmieren konnte. Von einem leckere Fleischsalat keine Spur. Im Angebot nur Marmeladen oder verschiedene Korn-flaks. Abgelehnt!
Dieses große Kaltlager war wirklich voll, unten standen unzählige Soßen. In der Mitte lagen viele undefinier-bare Tüten, deren Inhalt nicht klar war, vielleicht war es auch Tierfutter? Ich tat einen Teufel und ging da nicht bei. Außerdem interessierte es mich auch nicht wirklich. Ein bisschen erinnerte es mich an einen Män-nerhaushalt!
Zum Glück entdeckte ich frische Eier. Ruck zuck landeten sie als Rührei in der Pfanne.
Anschließend merkte ich, wie es Peter juckte etwas Neues zu entdecken. Jana wollte uns ihre Schule zei-gen. Eine gute Idee. Den Weg dorthin konnte sie gut beschreiben. Kein Wunder, denn jeden Morgen fuhr sie diese Strecke zusammen mit ihrem Bruder Andrew im Schulbus. Wir stiegen ins Auto und fuhren, vorbei an dem kleinen Wartehäuschen, welches Barry oben an der Straße für die Teenager gebaut hatte, vorbei an den ersten Häusern der kleinen Stadt. Lanchester war sicher nicht größer als Crivitz. Wir stellten unser Auto auf dem großen Schul-Parkplatz ab und bei herrlich blauem Himmel und warmen Sommerwetter gingen wir die letzten Schritte zu Fuß. Alles war verschlossen, denn es war der letzte Ferientag. Eine riesige Rasenfläche - ein richtiger Park umschloss diesen großen Komplex. Gegenüber vom Haupteingang waren mit Pflanzen die Buchstaben „LHS“ Lanchester High School abgesetzt. Das Gebäude war aus roten Backsteinen gebaut und hatte zwei Etagen.
Etwas erhöht war ein Sportplatz angelegt. Die hochmoderne Laufbahn strahlte im leuchtenden Dunkelrot. Diese Anlage kann zu jeder Zeit von jedem genutzt werden. Eine junge farbige Familie lief an uns vorbei. Sie hatten leuchtende hellblaue und rosa Jogginganzüge an. Die kleine Tochter hatte zu Zöpfen zusammen ge-flochtene, schwarze Haare. Warum nur war hier alles normal. Hier würde keiner auf die Idee kommen die Straßenseite zu wechseln, weil ein Ausländer vorbei geht. Alles war friedlich, harmonisch und die Sauberkeit überall, eine Freude für das Auge.
Am nächsten Tag war in der Schule ordentlich „Action“. Barry lud uns zur Besichtigung ein. Der Parkplatz war richtig voll, aber wir fanden noch einen Platz. Am Eingang kam uns gleich ein stattlicher Polizist entgegen. Die schwarze Uniform hat sicher eine Konfektionsgröße, die wir hier zum Glück nicht kennen.
Am Empfang wurden wir registriert, und wir erhielten jeder einen dicken Aufkleber. Die fachkundige Führung übernahm ein farbiges Mädchen. Ihre Sprache konnte ich überhaupt nicht verstehen. Na ja nicht schlimm, denn man konnte es sich denken. Wir liefen gemeinsam durch die langen Gänge, schauten uns die Aula, die Bibliothek und die riesige Sporthalle an.
Jeder der Lehrer, der uns begegnete, sprach uns an und begrüßte uns herzlich: „Nice to meet you!“. (Schön, Sie kennen zu lernen!) Immer das gleiche Spiel! Das hatte ich auch schnell drauf. Die Antwort war einfach, das Gleiche noch mal sagen und am Ende „too“ (ich auch) ergänzen. In Kombination mit einem freundlichen Lächeln reichte es immer.
Zwei Mädchen liefen hinter uns her und gackerten. Sie hatten unsere deutsche Sprache erkannt. Wir konnten sie trotz aller Bemühungen nicht verstehen. Sie wiederholten es, bis wir begriffen. Sie sagten: „ Volkswagen „ im South Carolina Dialekt. Sie lachten sich fast kaputt. Sie hatten also ein deutsches Auto.
Durch einige Türen konnten wir die Schüler und die Lehrer in gemütlicher Runde sehen. Völlig zwanglos sa-ßen sie zusammen. Mit dem Unterricht in den USA läuft es etwas anders. Es gibt einige Pflichtfächer und solche, die man frei wählen kann. So entscheidet sich jeder Schüler zu Beginn des Schulhalbjahrs für vier Unterrichtsfächer und die entsprechende Schwierigkeitsstufe. Dann ist jeder Tag gleich, immer die gleiche Reihenfolge und das ein halbes Jahr lang. Zum Ende des Halbjahres gibt es einen Bericht, halt wie unser Zeugnis. Jana hatte die Fächer Sport, Theater, Spanisch und Geschichte. In allen Fächern erreichte sie ein Superergebnis: 100% das heißt A.
Dann klingelte es. Aus allen Räumen strömten die Schüler auf den Flur hinaus. Es war laut – aber kein Lärm. Jeder ging schnell – aber keiner rannte. Auf der Treppe war das Nadelöhr. Zwei geregelte Schlangen schli-chen sich nach oben und nach unten. Wir reihten uns brav ein und erreichten wenig später den Empfang. Still saßen wir an dem Rand, um keinem im Wege zu sein. Jana wurde über die Sprechanlage ausgerufen. Es dauerte nicht lange, da war sie bei uns. Erfreut stellte sie uns noch einige ihrer Lehrer vor. Mit ihrem Fleiß und ihrer aufgeschlossenen Art hatte sie alle bezirzt!
Sie zeigte uns ihre Mensa in der gerade Betrieb war. In der langen Schlange standen ihre zwei Schulkame-raden. Britnay, Janas beste Freundin, eine sehr großes, schlankes Mädchen, kam gleich auf uns zugestürmt. Sie umarmte uns innig, als wenn sie uns schon immer kannte. Ich musste grinsten bei dem Gedanken, dass in diesem Essenraum 1800 Schüler sitzen und hier täglich Hamburger, Pommes frites und Pizza essen. Wie sie es wohl in den Griff bekommen, das viele Essen gleichzeitig fertig zu haben. Sicher sind sie froh, wenn es einigen Schülern aus dem Hals hängt und sie auch mal nicht kommen.
Wir knipsten noch ein Foto mit dem Wahrzeichen der Schule dem „Schwarzbären“. Mit dem Klingelzeichen brachten wir Jana zum Unterrichtsraum zurück. Sie flehte uns an: „Bloß nicht mit reinkommen!“ Das ist doch peinlich, am ersten Tag des neuen Schulhalbjahres.
Auf der Heimfahrt fuhr vor uns ein Schulbus. Es war ein Erlebnis. Wenn an diesem Schülerzubringer die Warnleuchten blinkten, kippte der Fahrer vorne aus seinem Fenster ein Stopp-Schild herunter. Wenn der Bus stand, kam auf beiden Seiten sämtlicher Verkehr sofort zum Stehen. So ein Schulbus ist für alle heilig. Jeder wartet, bis er seine Fahrt wieder antritt. Da sich dieses Halteschauspiel alle 200 Meter wiederholte, versuch-ten wir ihn möglichst schnell zu überholen.
Schöne Geschichten
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8 - Kreativ-Nachmittag
Erster! Ich war angezogen und startbereit, während Peter und Barry noch daran arbeiteten. Es war Zeit tief durch zu atmeten und ich ahnte, dass heute wieder einer der Tage werden sollte, von denen wir sagen, sie gefallen uns.
Neben mir plätscherte das Wasser von einem Becken zum anderen. Die Bauart dieses Komplexes erinnerte mich an die Sandkisten, die es in unseren Baumärkten zu kaufen gibt. Aber sicher hatte Barry dies alles in mühsamer Kleinarbeit, mit eigenen Händen gebaut. Ein Springbrunnen sprudelte Tag und Nacht. Auch das große Wasserrad stand nie still. Diese Anlage passte sehr gut in diese natürliche Umgebung. Es ist der Le-bendbereich für zahlreiche Fische, die bereits eine stattliche Größe erreicht hatten.
Mir wurde bewusst, was ich an deutschen Vorgärten nicht mag. Jeden Quadratzentimeter, der gar so kostba-ren Fläche, haben sie mit Rabatten akkurat gestaltet.
Aus der Gärtnerei werden die verschiedensten Pflanzen herangetragen, die, die bereits zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt der Blütenpracht waren, die, die ab Werk nur noch eingehen. Einige Menschen sind be-strebt mit viel Kraft und Liebe den Zeitpunkt des Verblühens hinauszuzögern. Vielleicht gelingt es manchen sogar einige Pflanzen zu vermehren. Andere hingehen scheuen sich nicht, möglichst schnell in diesen Kreis-lauf einzugreifen. Sie freuen sich, sich wieder mit neuen blühenden Pflanzen belohnen zu können und das möglichst früher als es der Nachbar es schafft.
Besonders „reizvoll“ finde ich immer wehende Preisschilder an den Blumen, Büschen oder Pflanzen. Viel-leicht geben die Käufer damit zu, dass sie sich die Namen der Pflanzen nicht merken können. Aber es sieht doch so aus, als wenn sie es tun, damit alle besser sehen können, was sie sich etwas Teures leisten haben.
Alle da! Los ging es! Barry fuhr uns im Track zu Carries Arbeit. Wir stoppten am Pförtner der Firma Allvac. Er genehmigte uns auf dem großen Gelände eine Schleife zu drehen. Überall lagen Metallteile, Rohre und Ähn-liches. Hier schuftet Carrie als Dispatcher. Sie sorgt am PC dafür, dass die Arbeitsgebiete immer die nötigen Rohstoffe haben. So ganz genau habe ich es allerdings auch noch nicht begriffen. Diese Firma ist Weltführer in der Produktion von Nickel-, Kobalt- und Titanlegierungen. Sie fertigen Spezialstähle für die Luftfahrtindust-rie an. Die hergestellten Metalle sind außergewöhnlich verschleißfest und hitzebeständig. Carries Arbeitsplatz haben wir zwar nicht gesehen, aber ich weiß jetzt, wo sie die Woche über ihre Zeit verbringt und E-Mails an mich schreibt.
Unsere Sehnsucht nach Kartoffeln, Gemüse und einem braun gebratenem Fleisch lockte uns in den Wal-Mart. Wir suchten nach einigen Zutaten, damit ich an diesem Abend ein schönes deutsches Essen vorberei-ten konnte. Wir fanden frische Koteletts und eine Dose Erbsen. Die fertigen Möhren gab es nur in Sirup, also richtig süß. Peter drehte die Dose hin und her und rümpfte die Nase. Wir stellten sie wieder in das Regal und griffen sicherheitshalber zu frischem Gemüse. Ja Semmelmehl hätte ich noch gebraucht zum Panieren. Aber das gab es nicht. So nahm ich Toastbrot mit, welches ich später nach dem Toasten rieb.
Wunderbar. Wir hatten alles zusammen, um Jana mit ihrem Lieblingsessen zu verwöhnen.
Neugierig schoben wir trotzdem weiter durch die helle und menschenleere Kaufhalle. Ich amüsierte mich über die Reste der Weihnachtsware. Überhaupt sah ja fast alles irgendwie anders aus als bei uns in Deutschland. Beeindruckend war auch das Angebot an Waffen. Verschiedene Gewehre und Pistolen standen zum Kauf in der Vitrine. Eine ganze Ecke war voll mit Angelzeug und Campingartikeln. Es gab jede Menge Tarnzeug, als Jacken, Pullover, Mützen und Gummistiefel.
Als wir am Alkoholregal vorbeikamen, entdeckten wir den gleichen Wein in rose, der uns am Abend zuvor von Barry angeboten wurde. Wir stellten einen 5 Literpack als Nachschub in unseren Korb. An der Kasse schau-te uns die Verkäuferin mit großen Augen an. Sie sprach sehr schnell, wir stutzten. Jana dolmetschte. Am Sonntag darf man keinen Alkohol kaufen. Jetzt wusste Jana es auch.
Später zu Hause sah ich, dass jemand meinem Lieblingshund frisches Wasser gegeben hat. Ein Schlauch endete im Trog, der bereits seit einiger Zeit voll war. Die Wassermenge im Zwinger hätte gereicht, um eine Schwimmstufe belegen zu können. Ich suchte und fand den Hahn zum Abstellen. Jetzt wo, ich auch den Na-men meines Freundes kannte, verstand ich sofort, dass er spazieren gehen wollte. Wir verließen das Grund-stück, überquerten die Straße und bogen in den Wald ein. „Wenn man nicht vom rechten Weg abgeht…“ so dachte ich und so sagte auch die Großmutter Rotkäppchens: „ dann wird man sich auch nicht verlaufen!“. Apropos „Laufen“ das konnte „Darley“ wirklich gut. Ein richtiger Jagdhund. Er jagte mich und zwar von einem Baum zum anderen. Sicher witterte er wilde Tiere. Vielleicht einen Hasen oder weiß der Fuchs, was da für Tiere leben. An den Bäumen waren die Ranken eines Geißblatts herauf gewachsen. Ihr Spitzname ist auch „Je länger – je lieber“. Ich versuchte, ein besonders langes Stück heraus zu brechen. Es gelang und ich fing mit den Fingernägeln an, die Rinde abzupulen. Lange Fasern ließen sich auf einmal ablösen und in kurzer Zeit zeigte sich eine helle glatte Oberfläche, wie ungelacktes Kiefernholz. Was liegt näher, als daraus einen Kranz zu wickeln.
An einer Lichtung fielen mir schon von weiten leuchtende hellgrüne Flecken auf. Es war wunderschönes Is-land-Moos. Ich breitete mein
T-Shirt aus, wie Sterntaler ihr Kleidchen, als sie den Goldregen auffangen wollte. So viel ich tragen konnte, zupfte ich ab. So trat ich voll beladen den Heimweg an.
Barry und Peter kamen gerade aus dem Haus. Sie fragten mich gar nicht erst, ob ich sie begleiten wollte. Sie wollten sich noch einiges in der Nähe ansehen. Sie stiegen ins Auto und verschwanden.
Jetzt suchte ich mein Notfall-Bastelset. Eigentlich ist es immer griffbereit in meiner Handtasche, aber in die USA war gar keine mitgekommen. Außerdem darf man Cutter und Nagelschere auch nicht im Handgepäck transportieren. So suchte ich im Koffer nach meinen Arbeitsmaterialien. Ich fand auch noch zwei kleine Ton-töpfchen von einem noch übrigen Gastgeschenk. Ein geeigneter Arbeitspatz war die Holzabdeckung des Brunnens. Weiter ging es mit meinem Kreativ-Nachmittag. Ich wickelte mit meinem Nähgarn etwas Moos auf meinem Kranz, befestigte noch einige andere Naturmaterialien und auch, die kleinen Töpfe. In einem Balkon-kasten steckte ein alter Strauß, den sicher keiner vermissen würde. Ich riss die Köpfe der Blumen ab und befestigte sie mit Draht. Perfekt! Stolz trug ich mein Werk in die Küche. Nun, wo die Weihnachtsdekoration weggeräumt war, schien fast überall etwas zu fehlen. Ich fand einen geeigneten Platz, gleich an der Ein-gangstür. Auf unserer Reise war mir aufgefallen, dass es wirklich nirgends irgendwelche Gestecke, Türkrän-ze oder ähnliches zu finden waren. Wenn es überhaupt jemand, ganz vereinzelt, mit einer Gestaltung ver-suchte, war es ein Strauß Kunstblumen in der Vase.
Ich spielte mit dem Gedanken, das Plastik-Stillleben auf dem Stubentisch zu zerstören. Es hätte sowieso nur noch einen Stoß gebraucht, dann wäre es auseinander gefallen. Ob Carrie mich wohl steinigen würde? Mit mir hätte man das nicht machen dürfen. Aber ich beantwortete mir meine Frage selbst und sammelte mutig, alle Kunstblumen, Plastikgrünpflanzen und ein paar Körbe ein.
Ich schaute neugierig in Barrys Werkstatt. Gleich auf dem ersten Blick fiel mir eine große Astschere auf. „Na Klasse!“ dachte ich und gleich schlich ich wieder zurück in den Wald, um auch ein paar dicke Ranken zu be-sorgen. Aus dem Moos wickelte ich Kugeln in verschiedenen Größen. In Kombination mit einzelnen Blumen aus meinem Fundus entstanden mehrere Gestecke und Tischschmuck. Für den Pool habe ich eine zwei me-terlange Girlande aus Buchsbaum gefertigt und mit bunten Blättern verziert.
Zum Abendbrot machen war es noch zu früh. Angel-Zeit! Ich rührte mir Teig an und schnappte Hund und Angel. Wir stiegen durch das dichte und stachlige Gestrüpp bis zum Steg. Die Angel landete schnell im Was-ser und ich überlegte, ob ich meine Schuhe ausziehe und auch die Füße eintauche. Doch da fielen mir Ja-nas Worte ein. Barry hatte erzählt: „ Da sind Blutegel und Schnapp-Schildkröten drinnen!“ Mit den Schildkrö-ten hatte er Jana sicherlich reingelegt. Aber Blutegel, das könnte schon sein. Allerdings warum sollten die Fische dann meine weiße Teigmurmel fressen? Taten sie ja auch nicht. Einmal musste ich mein Gespräch mit meinem Hund doch unterbrechen, schnell stand ich auf, das Flott war verschwunden, ich zog an, spürte noch etwas Widerstand. Vorbei! Traurig, ich war zu blöd, es war nicht zu ändern. Es stand fest: Es war der falsche Köder! Wir waren nicht traurig, es war Zeit Kartoffeln aufzusetzen.
Das bisschen Haushalt war kein Problem. Erst recht nicht, wenn man so lange wie ich, nichts gemacht hat. Ein Handgriff nach dem anderen saß, auch wenn es nicht die eigene Küche war. Pünktlich auf die Minute hatte ich das Essen fertig, alle Teller aufgefüllt und Leitungswasser aufgestellt. Carrie kam von der Arbeit und wir konnten zusammen Hamburger Schnitzel mit Erbsen und Möhren und Salzkartoffeln essen.
Ein herrlicher Brauch ist es, wenn man nach dem essen so richtig voll und träge ist, lehnt man sich zurück. Die Kinder sind dran. Unter dem Tisch wird mit den Fingern eine Zahl zwischen 1-10 gezeigt. Jeder der Kin-der hat die Chance, die Zahl zu raten. Wer dichter am Ergebnis war, musste abwaschen. Hoffentlich hat Jana dieses Spiel nicht vergessen, wenn sie wieder bei uns ist.
Carrie freute sich, über das leckere deutsche Mahl und auch über die gelungene Dekoration. Sie strahlte über das ganze Gesicht und sagte sogar in Deutsch “Danke!“
9 - Mallorca für Amerika
Trotz unseres Besuchs ging für Jana alles wie gewohnt weiter. Viel freie Zeit blieb ihr nicht in der Woche. Gegen 16:30 Uhr kam sie nach Hause und setzte sich sofort an ihre Hausaufgaben. Bei der Planung für den nächsten Tag erfuhren wir, dass sie sich schon mit ihren Leuten verabredet hatte. So hatten wir also keine Chance sie zu sehen.
Der Wetterbericht im Fernsehen versprach nur Gutes. Peter schlug vor, ans Meer zu fahren. Er kennt mich schon gut und wusste, dass dieses Ziel wohl so ziemlich das Einzige war, was mich von dieser Naturidylle weglocken könnte. Ich zögerte keine Sekunde und packte ein paar Sachen zusammen.
Nach dem Frühstücken stiegen wir ins Auto. Als der Sicherheitsgurt eingerastet war, flog sofort ein großer Stapel Karten auf meinen Schoß. Peter piekte mit dem Zeigefinger auf den Punkt, wo wir uns gerade befan-den und danach auf einen weiteren, wo wir heute hinwollten. „Na toll!“ dachte ich. Was Peter an diesen Kar-ten liebte, dass schien mir zu missfallen, diese Unmengen von Namen und Nummern!
Wenig später war wieder so ein typischer Fall. Du denkst, du weißt genau wo du bist, hast alles in Griff! Schon standen wir ohne Vorwarnung an der Kreuzung. Ich sah das Schild mit Zahlen, die ich nie zuvor gele-sen hatte. Es beginnt mit dem großen Zweifeln - die Entscheidung fällt – natürlich die falsche Abfahrt! In sol-chen Situationen ist Peter sehr tolerant. Gerne und in aller Ruhe wendet er, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen.
So richtige Dörfer gab es gar nicht auf dem Lande. Irgendwie wohnten überall Leute. So gab es auch keine Ortseingangsschilder, so dass man selten wusste, wo man sich gerade befanden. An den Abfahrten der gro-ßen Bundesstraßen las man immer wieder im Wechsel die Ankündigung der verschiedenen Fastfood Buden. Wir kannten sie inzwischen alle. Mindestens fünfzehn verschiedene Namen könnte ich aus dem Stand auf-zählen. Unser Hunger war noch nicht groß genug und wir konnten uns nicht für eine entscheiden. So rollten wir auf der US-Bundesstraße Highway 17 immer weiter nach Nordosten, nahe der Grenze zu North Carolina.
Gegen Mittag erreichten wir Myrtle Beach. Die Stadt ist heute das Mallorca der Amerikaner. Die Preise sind erschwinglich. Es ist einer der bedeutendsten Urlaubsorte an der amerikanischen Ostküste. Es gibt jede Men-ge Freizeitparks, Golfplätze und Theater. Wir parkten unser Auto irgendwo in der zweiten Reihe und stiefelten erst einmal in Richtung Meer. Es gab jede Menge Cafes, Bars und Restaurants. Alle waren geschlossen. Ein 4-D Kino hatte einen brüllenden Dinosaurier an der Hauswand. Es war ein riesiger T-Rex und er konnte sein Maul weit aufreißen. Aber es reichte nicht, um uns am helllichten Tag in diese Dunkelkammer zu locken.
Wir wollten jetzt den Atlantik sehen. Kurz hinter den Häusern tauchte er vor uns auf. Wir gingen zum Wasser und ich tauchte meine Hände ein. Es schmeckte salzig und sofort steigerte sich die Lust hineinzuspringen. Die Wellen schoben eine nach der anderen den weißen Schaum an Land, und mein Badeanzug lag im Auto! Der Strand war spiegelglatt und ohne Steine. Wir schlenderten ein Stück. Ganz vereinzelt fand ich ein paar Muschelteile, die schon nach etwas größeren Lebewesen aussahen. Ein paar riesige Möwen beobachteten uns und die etwas kleineren Vögel liefen um ihre Beine Slalom. So weit das Auge reichte, ein Hotel neben dem anderen und weit und breit kein Mensch in Sicht. Das ist Urlaub pur!
Vor uns stand das Hotel mit dem Namen „Holiday Inn“. Diese Kette wurde uns vielfach empfohlen. Wir fan-den den Eingang und checkten ein. Warum lange suchen! Der Preis stimmte, alles klar. Wir holten unser Auto und besichtigten erst mal unsere Zimmer in der 5.Etage. Mir fiel sofort auf, dass die Bettdecke und die Gardinen das gleiche Muster hatten. Der Stoff war dennoch unterschiedlich. Die Gardinen waren aus glän-zendem Satin. Wir schoben sie weit auf und öffneten die Tür zum Balkon. So genossen wir eine Zeit das Rauschen des Meeres.
Wir spazierten an den vielen Hotels entlang. Für die Kinder hatten sie riesige Anlagen gebaut, als Spielplatz und für Minigolf. Ab und an fegte ein Mitarbeiter den Gehweg, oder eine kleine Baubrigade tat ihr Werk. Wir schauten in einen kleinen Laden. Auf bunten, blauen, gelben und roten T-Shirts stand der Schriftzug Myrtle Beach. Quitsch bunte Kleidung überall. Muschelkästchen, Tassen und Teller mit Aufdruck. Ich hatte meine Hände provokativ tief in der Hosentasche, weil es bei dem Angebot keine Veranlassung gab, sie dort heraus-zuholen.
Kurz darauf lächelte uns die Leuchtreklame von Burger King an. Wir brachen nicht gleich in Jubel aus, aber auf einen heißen Kaffee freuten wir uns schon. Natürlich gab es auch einen kleinen Burger, denn wir wussten ja nicht, wann wir etwas anderes finden würden.
Peter hatte in einem Prospekt die Werbung gesehen, von einem Hardrock Cafe in einem großen Komplex, mit vielen Restaurants und Geschäften: „BRODWAY AT THE BEACH“ Der sollte also irgendwo in der Rich-tung sein, in die wir schlenderten. Langsam setzte auch die Dämmerung ein. Wir dachten: Sicher hinter der nächsten Kreuzung. Da war aber noch nichts! Neugierig trieb der Hunger uns voran. Es wurde dunkler. Wir zwei bescheuerten Deutschen trabten immer noch alleine durch die Nacht. Kein Wunder, dass wir keine Men-schenseele trafen, solche Strecken fährt man einfach mit dem Auto. Irgendwann erreichten wir die Einfahrt. In der Mitte des riesigen Parks sahen wir den Parkplatz und an dessen Seite die Lichter der Gaststätten. Aber auch bis dahin konnten wir nicht fliegen. Mit Mühe und Not erreichten wir unser Hardrock Cafe. Es war eine hübsche große Pyramide mit großen Palmen an beiden Seiten. Wir gingen hinein. Durch das Geschäft er-reichten wir erstaunt das Restaurant. Es waren einige Leute dort, von denen man erwartet, dass sie wissen was schmeckt. So ließen wir uns erschöpft nieder. Das erste Bier leerten wir gleich mit dem ersten Zug. Wäh-rend wir in der Speisekarte blätterten, sahen wir, wie am Nachbartisch ein Riesenteller mit wahnsinnigen Mengen serviert wurde. Wir stutzten und einigten uns dann darauf, erst mal gemeinsam so eine Portion zu verspeisen. Es gab richtig leckeres Essen, mit verschiedenen Fleischsorten, gebratenen, panierten Zwiebel-ringen, Salat und viele Soßen. Den Gedanken, die ganze Strecke wieder zurück zu laufen, hatten wir schnell verworfen. Im Taxi war die Fahrstrecke schnell überwunden. Wir fragten unsere Taxifahrerin und sie erzählte uns, dass es 4 Meilen, also 6,5 km waren.
Der Morgen färbte den Himmel in den schönsten Farben. Er leuchtete durch den kleinen Spalt der Gardinen, die Peter zur Seite zog. Vor uns lag das Meer, mit seiner unendlichen Weite. Die Sonne begann sich am Ho-rizont zu zeigen. Vom Bett aus sahen wir zu, wie sie langsam höher und höher stieg. Ein toller Sonnenauf-gang! Dann verschwand der leuchtende, orange Ball unter einer Wolkenschicht, und auch wir drehten uns genüsslich noch einmal um.
Später begrüßte ich den neuen Tag auf dem Balkon. Die Wellen waren noch etwas kräftiger geworden. Ich dachte: „Unsere Ostsee braucht sich wirklich nicht verstecken!“ Während Peter seine Tasche zusammen-packte und dann „für Stunden“ im Bad verschwand, überlegte ich, ob ich nicht ins Meer springe. Einmal im Atlantic baden? Ich wusste, dass man mir diesen Wunsch nicht von den Augen ablesen konnte. Sollte ich nun in den Tagesablauf eingreifen und meinen Willen durchsetzen? Der Entschluss stand fest.
Wir checkt im Hotel aus und verstauten unser Gepäck im Auto. Ich erklärte Peter mein Vorhaben. Kein Prob-lem! Es war nicht so ungewöhnlich, als dass Peter sich darüber wunderte. Ich breitete mein Handtuch aus und schlüpfte in Windeseile in meinen Badeanzug. Nur nebenbei sei erwähnt, dass ich auch hier die Einzige war. Ich wagte mich hinein. Es kribbelte an den Beinen, denn das Wasser war richtig kalt. Der Sand wurde unter den Füßen weggespült. Einige Male lehnte ich mich gegen die Wellen, und sie zerbrachen an meinem Körper, an dem die Hamburger auch nicht spurlos vorbei gegangen waren. Gerne hätte ich jetzt einmal auf den Grund des Bodens geschaut, mit Tauchermaske und Schnorchel nach der Tierwelt gesehen. Aber diese Ausrüstung hatte ich bewusst im Auto gelassen. Denn der Kopf war nicht im Wasser, das will schon was hei-ßen. Auf den Balkons unseres Hotels hatten sich bereits einige Zuschauer eingefunden, die eine Verrückte beim Morgenbad beobachteten. Als ich völlig munter und gut durchblutet wieder auf meinem Handtuch saß, kam auch gleich ein Polizeiauto mit blinkenden Lichtern an. Peter stand mit dem Fotoapparat schützend vor mir. Doch sie zeigten kein Interesse und fuhren zum Glück langsam an uns vorbei
Wir führten unseren Erkundungsgang am Broadway dieser kleinen Touristenstadt dort weiter, wo wir am A-bend aufgehört hatten. Allerdings fuhren wir natürlich mit dem Auto hin. Es war gar nicht weit. Auch zu dieser Zeit waren kaum Leute unterwegs. Vor dem Hardrock Cafe nutzte ich die Gelegenheit, um mich endlich mal auf eine Harley zu setzen. Ich startete, und mit lautem Geräusch fuhr ich langsam los. Quatsch! Man glaubt doch nicht alles! Das Ding war am Eingang fest verankert und bewegte sich natürlich keinen Meter.
Einen Augenblick hatten wir beide Freude daran, an den Schaufenstern entlang zu bummeln. Ein, zwei inte-ressante Läden schauten wir sogar von innen an, und wir waren froh, dass wir nichts zu kaufen brauchten. Die Anlage hatte viel Wasser, zahlreiche Brücken und war wie ein Vergnügungspark aufgebaut.
Das war unser Myrtle Beach. Leider mussten auch die letzten Besucher diese Stadt verlassen. Wir setzten uns in unser Auto und mit der Karte in der Hand lotste ich Peter wieder in Richtung Lancester.
10 - Auf den Spuren der Indianer
Da waren wir wieder! Gleich am Eingang des Hauses fiel mir ein seltsames Gartengerät auf. Es war so eine Mischung aus Spaten und Schaufel. Während wir unsere Reisetasche hineinschleppten, arbeiteten schon meine grauen Zellen. Ich überlegte, wo ich wohl die besten Regenwürmer finde.
Barry war neugierig. Sicher hat er jetzt einen Reisebericht erwartet. Etwas schwer für uns. So spuckte Peter den ziemlich einzigen Satz aus: “It was a very nice trip”! (Es war ein schöner Ausflug!) Mir fiel dann gerade noch ein: „I was swim in the Atlantic“. (Ich war schwimmen im Atlantic).
Barry fragte mich. „War es kühl?“ ich antwortete: „Nur cool“. Gemütlich tranken wir Kaffee und zeigten ein paar Bilder. Dann ließ Barry sich in seinen Sessel fallen. Peter versank selig in seine Prospekte. Es schien die „Jeder macht -Was er will - Zeit“ zu beginnen.
So nutzte ich die Gelegenheit, um eine Auszeit zu nehmen. Ich verschwand mit dem ulkigen Spaten hinter dem Haus. Beim Umgraben entdeckte ich ein einziges, winziges rotes Würmchen, welches sich kringelte und sich sträubte in meinen Coca-Cola-Becher einzuziehen. Sollte es alles sein, was an Leben was in diesem Grant-Canon Boden war? Ich versuchte es an mehreren Plätzen und fand wenigsten ein paar dieser kleinen Regenwürmer. Im Kühlschrank schnitt ich mir ein kleines Stückchen vom Kotelettfleisch ab. Ich griff Angel und Hund und zog los.
Ich probierte es auf der anderen Seite. Am Ufer ragten einige Pfähle aus dem Wasser, ich wollte Darley dar-an festbinden. Aber schon beim ersten Widerstand brachen die Hölzer in sich zusammen und schwammen auf der Oberfläche. So knotete ich meine Schnur um eins meiner Beine. Das war überhaupt nicht witzig. Der Hund wollte meist nicht in die gleiche Richtung wie ich. Bei jedem Schritt zog ich ihn hinter mir her. Jedes Mal, wenn ich mich etwas herunterbeugte, versuchte er mich zu überwältigen. Sicher hatte er lange kein Weibchen gesehen! Aber auf mich konnte er auch nicht zählen! Er nervte mich ganz schön.
Auf meinen Angelhaken zog ich gleich drei dieser winzigen Würmer und schmiss mein Flott mit der Wurfan-gel weit hinaus. Fast bis zur Mitte des Teiches. Ob der große Barsch in der Brühe meinen Köder sehen wür-de? Gegenüber am Steg sprangen die Fische. Es war so gemein und bei mir war tote Hose! Zwischendurch versuchte ich es mit Fleisch. Es war schon etwas nervig. Plötzlich, meine Angel lag schon hoffnungslos an der Seite, da zuckte mein Flott. Ich war voll bei der Sache und schaute gespannt, aber mehr tat sich nicht.
Mir ging durch den Kopf, was ich überhaupt mit diesem Fisch angefangen hätte. Wohl möglich hätte ich ihn noch selber braten müssen! Wer hätte ihn dann aber gegessen?
Die Sonne schien. Barry machte den Vorschlag, spazieren zu gehen. Ich freute mich und stutzte, denn auch von Jana kam kein: „ Ach nee! Nicht jetzt! Warum denn? Muss ich wirklich mit?
Wir zogen uns an und quetschten uns alle in den Truck. Carrie hatte Angst wegen der Polizei, aber Barry tat es mit einer Handbewegung ab. So platzierten wir Carrie zwischen den beiden Männern vorne, genau da, wo sich an unserem Auto der Schalt-Knüppel befindet. Ich amüsierte mich mit den drei Kindern auf der Rück-bank. Wir rollten auf dem Highway und ich wunderte mich, dass man so weit fahren muss, um ein paar Schritte zu laufen. So weit war es allerdings doch nicht. Ungefähr 20 Minuten fuhren wir.
Am Eingang des Landsford Canal State Park konnten wir gleich erst mal Parkgebühren löhnen. Das strö-mende Wasser des Catawba war schon von weitem zu sehen. Das war schon mal ein beachtlich breiter Fluss. Lachse waren nicht da, aber wer weiß, vielleicht gibt es da welche? Auf einer großen Tafel fanden wir Hinweise auf „Spider Lilie“, einer hübschen weißen Blume, die in dieser Gegend einen der letzten Standorte auf der Welt hat. Aber um diese Jahreszeit konnten wir keine dieser Blumen bewundern.
So wanderten wir neben dem Fluss, den Lehrpfand entlang, auf den Spuren alter Zeiten. Bevor die Weißen nach Amerika kamen, lebten dort ausschließlich Indianer. Wir erfuhren vom Stamm der Catawa. Es gibt über 1400 Indianer, heute versucht sich der Stamm in der Töpferei und Perlenstickerei.
Die alten Steinmauern, an den wir jetzt entlang liefen, waren früher die Seitenwände alter Handelsstraße. In diesen Kanälen wurde das Wasser gestaut. So konnten die Kajaks und andere Boote von beiden Seiten von Pferden gezogen werden. Hier wurden die verschiedensten Waren verkauft und getauscht. Jeder genoss diese Wanderung auf seine Weise. Der große Andrew wurde wieder ganz klein und versuchte wie ein Affe auf jeden Baum zu klettern. Er freute sich sehr, wenn Peter ihn knipste. Der kleine Chase war froh, dass er seine Mutter mal so richtig „zutexten“ konnte. Hier hatte Carrie endlich mal Zeit. Barry ging gern alleine. Man merkte, dass er diesen Ort liebte. Peter pendelte immer hin und her. Er war froh, sich zu bewegen und freute sich schon wieder auf das nächste Mal. Jana und ich hatten uns fest eingehakt und alberten voran. Wir schnackten über alle möglichen Themen, sangen alle deutschen Volks- und Wanderlieder durch, deren Texte wir kannten.
An der Erde fanden wir dicke fette schwarze Kugeln. Sie waren so ungefähr sieben Zentimeter groß. Ich wunderte mich. Barry zeigte uns, was es war. Wallnüsse, nur etwas größer als bei uns. Jana sagte gleich ganz spontan: „Solche Walnüsse kenne ich nicht“ Es dauerte etwas bis sie kapierte, dass die Schale entfernt werden muss, damit die Nuss aussieht wie aus dem Supermarkt.
Es war ein ordentlicher Marsch und der Rückweg unserer Schleife wurde immer länger. Die Familie Ford wurde immer ruhiger. Sie hatten einen richtigen Sauerstoffschock. Jana sagte, solche Aktionen stehen sonst nicht auf der Tagesplanung.
Der PC war frei. Die Computerecke mit einer Musikanlage stand in einer hellen Veranda. Ein Schaukelstuhl und ein Couch mit vielen Kissen luden zum Verweilen ein. Durch die Fenster, die sich in diesem Haus alle nicht öffnen ließen, konnte man die Teiche mit den Gänsen sehen. An einem der Bäume tobte meistens eins der kleinen blassgrauen Eichhörnchen herum. Es war ein Pärchen. Putzig verspeisen sie immer Nüsse und Eicheln. „Squirrels“ sagte Carrie, so heißen sie in englischer Sprache, gleichzeitig drehte sie ihre Hände, als wenn sie jemanden erwürgen wollte. Was an diesen niedlichen Tierchen, kann man denn nicht lieben, dachte ich und schaute sie fragend an. Sie erzählte dann, dass die beiden nachts auf dem Blechdach des Hauses herumflitzten und ihr den Schlaf raubten. So sind sie in ihrer Skala der Beliebtheit ganz unten gelandet. Als ich etwas schadenfroh grinste, musste ich flüchten, um nicht geboxt zu werden.
Über dem Keyboard hingen viele unterschiedliche Musikinstrumente. Ich kannte sie nicht, vielleicht waren sie von den Indianern. Barry war ein großer Fan von ihnen, von ihrer Einstellungen und ihrem Handeln. Gerne zitierte er sie: „Das Wichtigste ist die Natur - der Ursprung von allem!“
Das Leben im Haus am Wald mit den vielen Tieren bereitete dem Vorruheständler viel Freude. Trotz aller Hausarbeit verbrachte er viel Zeit unter freiem Himmel. Gerne schraubt und bastelt er an den zahlreichen Autos herum. Sie hatten einen richtigen Fuhrpark auf dem Hof. Die Techniker muss ich leider enttäuschen, aber zu den Marken kann ich leider keine Auskunft geben. Außer dem Truck einem Ford F250 und unserem Leihauto dem silberblauen 98 Olsmoble, gab noch ein rotes Chrysler LeBaron Kabriolett, eine Suziki 750, eine rote Covette, Pontiac Firebird und eine silberne Honda. Barrys größte Liebe galt den Trikes. Ein ganz besonderes Modell, welches er selbst gebaut hatte, war seine Samari.
Interessiert hatte ich danach gefragt, denn noch nie bin ich damit gefahren. Stolz holte Barry es aus der Ga-rage und wir bestaunte dieses irre Geschoss. Hinten waren dicke Boxen eingebaut und der Motor lag vorne frei ohne Verkleidung. „Das muss so sein“ sagte Barry. Damit Peter besser einsteigen konnte, nahm er das Lenkrad heraus. Ich rutschte auf den Beifahrerplatz, gerne hätte mal eine Runde gedreht. Aber irgendwas hatten wir gerade vor, wir mussten dringend weg.
So blieb es bei diesem Wunsch. Als wir wiederkamen, war das gute Stück wieder eingeparkt und sauber mit einer Plane abgedeckt.
Barry liebt seine Kinder und auch Jana, die genau wie seine eigenen behandelt wird. Die Kinder sollten den Sinn des Lebens lernen. Wahrscheinlich lief deshalb nicht den ganzen Tag der Fernseher. Seine Meinung war „Es vernebelt die Sinne!“ Ähnlich sah er es auch mit dem PC. Das fand ich allerdings nicht. Ich freute mich schon, wenn mein Kind mir gelegentlich eine E-Mail sendete. Leider musste ich feststellen, dass ich in der Reihenfolge der Wichtigkeit irgendwo in der Mitte von ihrem Freundeskreis gelandet bin. Wie gut, dass ich meine Carrie hatte, die mich mit den nötigen Informationen über mein Kind gerne versorgte.
Das Naturkonzept dieser Familie geht allerdings auch nicht so ganz auf. Ich habe zu Hause schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich den vollen Kaffeefilter in den Mülleimer werfe und nicht als Humus sammele. In diesem Haus hatte allerdings überhaupt noch keiner etwas von Mülltrennung gehört. So landeten Peters Bierflaschen, Papier, Plastik und einfach alles in der Mülltüte. Draußen stand die große Tonne, sie wurde aufgemacht und rein damit. Wenn die voll war, trat Plan B in Kraft. Auf dem Hof wurde alles vorbereitet für die eigene Verbrennung. Auf einem Haufen türmten sich die vielen schwarzen Plastiksäcke, die um unsere Rei-setaschen gewickelt waren, viele Weihnachtskartons, Joghurtbecher und vieles mehr. Bei der Entflammung dieses Höllenfeuers war ich nicht dabei, ist wohl auch besser so!
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