5 - Silvester im anderen Land
Seit elf Stunden saßen wir im Auto, was für eine lange Zeit. Peter war sehr froh, dass er nur Beifahrer war. Die Familie war extra mit zwei Autos gekommen, damit auch wir Platz hatten. So brauchten wir kein Auto zu mieten.
Mit seinem Handy sendete er Silvestergrüße nach Deutschland. Die Erinnerung daran kam uns, als wir zu Hause die Rechnung sahen.
War es wirklich der richtige Tag? In Deutschland sollten die Sektkorken knallen und wir fuhren mit 75 Meilen pro Stunde immer den Highway entlang, gerade auf South Carolina zu. Am Himmel nicht eine Rakete, keine Knaller und überhaupt schien das Neue Jahr hier Niemanden zu interessieren.
Wir stoppten, denn Carrie war müde und sie brauchte eine kleine Pause. Die Autos wurden voll getankt. Je-der ging auf Toilette und auch die kleinen Hunde. Carrie schrie mit greller Stimme: „ go pi, go pi“. Sie sollten sich an dieses Geräusch gewöhnen und auf Befehl ihr Geschäft erledigen. Sie hüpften auf der Wiese herum und es klappte auch. Peter nutzte die Chance und kaufte eine Kiste „Berliner“, na ja „Donaus“, wie die Amis halt sagen. Aber Alkohol gab es an der Tankstelle nicht, keine Flasche Sekt.
Weiter ging es. Endlich tauchten die Lichter von Lancaster auf. Wir erklärten Barry unsere Tradition und un-sere Problem, keinen Sekt zum Anstoßen zu haben. Kurze Zeit später bog er zu einem Laden ab. Der Schlüssel steckte schon im Schloss der Tür und es sah sehr schlecht aus! Da waren wir also im großen Ame-rika und nach 19.00 Uhr gab es nichts zu „saufen“. Verrücktes Amerika: so war das also gemeint. Doch Barry war ein echter Freund, er hatte noch eine Idee er gab nicht auf. Er fand eine Kaufhalle die geöffnet war. Mit der ganzen Familie schritten wir zur Alkoholsuche. Wir fanden jede Menge Sekt. Die Bezeichnung auf den Etiketten war uns genauso egal, wie der Preis. Wir griffen eine Flasche und gingen zur Kasse.
Mit einer ordentlichen Geschwindigkeit raste Barry am Wald entlang, es wurde immer dunkler, alle Lichter verschwanden wieder. Ich schaute aus dem Fenster und wunderte mich: „Hier soll noch jemand wohnen?“ fragte ich mich. Tatsächlich, links und rechts am Straßenrand standen Briefkästen. Jeder sah aus wie ein Polizei-Blitzer.
Plötzlich bogen wir scharf in die Einfahrt ein. Das Haus der Familie Ford lag inmitten von vielen Bäumen vor uns. Es hatte eine ungewohnte Form, wie es wohl so auch kein zweites gibt. Es war mit schwarzen Brettern gebaut und etwas mit Rot abgesetzt. Das Dach war rund und aus Blech.
Wir rannten Barry mit all unserem Gepäck hinterher. Der erste Raum war eine Art Vorflur. Zwei große Kühl-schränke hatten hier Platz. An der Seite stand ein großes selbstgebautes Regal mit jeder Menge Futter für Tiere, Töpfen und Schalen. Es schien möhlig, aber es war alles am richtigen Platz. Da alle Schuhe bereits in einer Ecke standen, wollten wir auch unseren die Möglichkeit geben, dabei zu sein.
Hinein ging es in die gute Stube! Gleich kamen wieder Weihnachtsgefühle auf. Der erste Blick fiel auf den großen kunterbunten Tannenbaum. Auf der Treppe saßen zahlreiche Teddys und Snupi´s in allen Varianten. Auf dem weißen glitzernden Kunstschnee war eine Eisenbahn liebevoll gestaltet. Das ganze Zimmer war voll mit vielen weihnachtlichen Kleinigkeiten. Auf dem Foto hatte ich diese Dekoration bereits gesehen, aber so in echt sah es noch viel netter aus.
Ich war sehr froh, dass es nicht so eine piekfeine Vorzeigewohnung war, in der man vom Fußboden essen könnte. Nein, hier konnte man sehen, dass hier jemand wohnt.
Wir wurden in Janas Zimmer einquartiert. Es war klein aber sehr nett eingerichtet. Gegenüber vom Schreib-tisch wächst ein dicker Baum mit zwei Stämmen.
Es war wirklich nicht viel Platz in diesem kleinen Haus. Die beiden Jungs hatten auch jeder nur ein winziges Zimmer. Janas Notlager wurde in einer Bücherecke aufgebaut. Die Liege füllte den gesamten Innenraum komplett aus.
Carrie war froh, endlich wieder zu Hause zu sein. Es dauerte nicht lange, da kam sie wieder aus ihrem Zim-mer und hatte bequeme „Tobersachen“ an. Ihre Schwester schaute mit ihrem Freund ein. Sie hatten, wäh-rend alle weg waren, auf Haus und Hof geachtet.
Barry packte die zahlreichen Kisten mit Nahrungsmittel aus und suchte für uns alle etwas Essbares. So ent-schieden wir uns für ein „Sandwich“. Hört sich schon besser an, als eine einfache Stulle. In der Küche waren alle Sachen in einer Reihe aufgestellt. Salatblätter, Tomaten, die Reste vom Truthahn und Käse, dazu gab es windelweiches Weizenbrot. Auch wenn es nicht traditionell Kartoffelsalat mit Bockwurst war, schritten wir einer nach dem anderen an diesen Platz, und mampften es mit viel Appetit.
Besonders schön an diesem kleinen Heim war der Pool. Ein angebauter Schuppen mit allerhand verschiede-nen Materialien verkleidet. Die Wände hatten Bambusstangen und die Decke diese Badematten, auf denen man am Strand liegt. Sie hatten bunte Lampen aus Korea aufgehängt. Sie waren sicher von der Gastschüle-rin, die im letzten Jahr in dieser Familie lebte. Jede Menge Kerzen in Gläsern, in allen Duftnoten waren am Rand aufgestellt. Das Becken war mit leuchtend türkisfarbener Folie ausgeklebt. Das Wasser lud, mit gleich bleibender Temperatur von 35 °C zu jeder Tageszeit zum Schwimmen ein. An diesem Tag lockte es beson-ders, So sprangen wir ins Wasser und hatten viel Spaß. Es ging also auch ohne „Dinner for one“ im Fernse-hen.
Inzwischen war es schon nach 23:00 Uhr. Einige Schlafanzüge waren inzwischen schon aufgetaucht. Da kam schon etwas Müdigkeit auf. Peter streikte. „Jetzt wird nicht geschlafen!“. Das traute sich auch keiner. Wir spielten noch etwas mit den Katzen. Zwei schwarz-weiße Hundebabys, kleine Chinesische Schopfhunde, durften unter Aufsicht mit in die Stube. Sie hatten es noch nicht so richtig verstanden, dass man sein Ge-schäft draußen erledigen muss. Sie waren sehr wild und klebten ständig zusammen.
Peter öffneten die Flasche Sekt. Wir fanden im Schrank vier gleiche Gläser. Die beiden Teenager durften „zur Feier des Tages“ auch ein kleines Schlückchen trinken, welches wir in ein Saftglas gossen.
Prosit Neujahr! Da startete es auch bei uns, das Jahr 2006. Wir aßen jeder noch einen Berliner und ehe wir uns versahen, waren alle im Bett verschwunden.
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