11 - Vanderbilt und Appalachen
Morgens starteten Peter und ich mit dem Auto in Richtung Norden. Trotz einer langen Fahrstrecke von unge-fähr 300 km war es ein entspanntes Fahren. Für mich allerdings noch mehr als für Peter. Die großen breiten Straßen waren fast leer, die Fahrer diszipliniert und es gibt keine Hektik. Mit dem Tempo nehmen sie es rich-tig ernst. Wir auf alle Fälle, denn sie hatten uns gewarnt. Wer die erlaubte Geschwindigkeit mit 10 Meilen pro Stunde überschreitet und erwischt wird, darf locker 500$ abdrücken. Das ist schon heftig und so stellte Peter brav seinen Tempomat auf Limit und wir rollten langsam dem ersten Ziel entgegen.
Das „Biltmore Estates“ ist das größte Haus der USA im Privatbesitz. Die unzähligen Hinweisschilder führten uns direkt zum Eingang. Neben der Kasse stand ein Modell, welches den riesigen Park mit seiner mehr als 30qkm Fläche zeigte. Das Gelände ist vergleichbar mit dem Potsdamer Park Schloss Sanssouci
Wir fuhren mit dem Auto im Schneckentempo hinein, stellten es wie angewiesen am Parkplatz ab und liefen das letzte Stück zu Fuß. Ich erfreute mich an den interessanten Bäumen, springenden Eichhörnchen und Vögeln. Peter erspähte schon von weitem das Bauwerk. Inzwischen hatte ich mich schon daran gewöhnt, dass es auf jeder Tour ein Schloss oder eine Burg sein musste. Es heißt ja auch Bildungsreise. Schau einer an dachte ich, da können wir Schweriner ja wirklich stolz sein, denn unser Schloss sieht diesem Anwesen wirklich sehr ähnlich.
Auch wenn es mich nicht sonderlich interessiert, habe ich inzwischen herausbekommen, dass dieses Haus 1889 nach europäischen Vorbildern gebaut wurde. Sechs Jahre später zog dort George Washington Vander-bilt ein. Er war der Enkel des Eisenbahnmagnaten Cornelius Vanderbilt,
Wir betraten das Haus. Sofort schwappte uns eine dicke Welle von Touristen entgegen. Die meisten hatten Stöpsel im Ohr und rannten wie verzaubert umher. Das hätte mir gerade noch gefehlt, dass mir da einer un-unterbrochen ins Ohr säuselt! Zum Glück war auch Peter damit zufrieden, dass er alles sehen konnte.
Es gelang uns trotzdem, das Billardzimmer und auch die Bibliothek als diese zu erkennen. Auch der Sinn des Esszimmers war uns klar. Peter schaute durch die Linse und drückte ab. Schon von weiten sah ich, wie einer der Aufpasser jetzt zielstrebig auf Peter zusteuerte. Er schimpfte, denn fotografieren war verboten. Peter konnte sich nur entschuldigen. Sein „Sorry“ schien ihn doch zu rühren und er verschwand wieder! Ist ja auch logisch, wer selber Bilder macht, kauft natürlich nicht die Broschüre. Aber wir taten es trotzdem nicht.
So schauten wir nun nacheinander in alle 250 Zimmer und versuchten krampfhaft, die 65 Kamine zu zählen. Irgendwie sind wir nach einer Zeit dann doch durcheinander gekommen. Mich hat viel mehr interessiert, wa-rum die Betten so kurz waren, als wenn dort eine andere Sorte Menschen lebte. In diesem Haus gab es ja bereits zu Bauzeiten elektrisches Licht und viele technische Geräte, die wir von unseren Schlössern und Bur-gen in Deutschland aus dem Mittelalter nicht kennen. Es gab auch schon ganz normale Toiletten, die eigent-lich wie zu DDR-Zeiten aussahen. Sogar eine Schwimmhalle hatten sie eingerichtet, eine Sauna und einen Fitness-Raum.
Dann streiften wir im Auto noch zahlreiche Brücken, die Reitställe, einige Gartenanlagen und Hotels, die uns allerdings nicht heraus lockten. Eine weitere Attraktion, die unser Interesse weckte, war das Weingut Blitmo-re, die Estate Winery. Durch Glasscheiben erhielt man einen kleinen Einblick in die Herstellung von Wein und Sekt.
Eine große Traube Menschen kündigte die Weinprobe an. Peter hatte eh Pech, denn unser Auto wartete draußen, er durfte nichts trinken. Wir marschierten an der Schlange vorbei zur Weinhandlung. Während ich alle möglichen Cremes und Soßen probierte, schwebte Peter mit den verschiedenen Weinsorten auf Wolke Sieben. Bereits zu Hause hatte er erfahren, dass dieser hochwertige Wein auf Grund der geringen Menge nicht exportiert wird. Peter trifft sich gelegentlich mit seien Weinkennerfreunden, um die eine oder andere teure Flaschen zu testen. So wurde er schwach und wir kauften eine Rote und eine Weiße für zu Hause.
Mit dem Dunkelwerden fanden wir ein kleines Hotel in der Stadt Asheville. Nachdem wir unser Zimmer bezo-gen hatten, ruhten wir etwas aus. Später erkundeten wir die Altstadt. Mit einem kleinen Stadtplan liefen wir den größten Teil des Zentrums ab. So richtig sagten uns die Gaststätten alle nicht zu. Peter wollte nicht zum Chinesen und ich mochte keinen Fisch. Einiges war uns zu teuer und zum Imbiss wollten wir auch nicht. Manche Gaststätten waren total voll, andere so leer, dass es verdächtig war. So suchten wir unschlüssig eine ganze Zeit lang.
Leider musste ich feststellen, dass es in dieser Stadt überhaupt keine dunkle Ecke gab. So wurde uns die Entscheidung abgenommen, weil ich dringend zum „Restroom“ zur Toilette musste. Während Peter sich bei den Wartenden am Eingang einreihte, startete ich gleich durch. Anders als bei uns kann man in den USA überall auf die Toilette gehen, ohne am Morgen danach mit „Garken“ am Mund aufzuwachen. Es ist einfach überall sauber, wie bei uns im 5-Sterne-Hotel. Die Toilettenbrille ist nicht ganz rund wie bei uns, sondern sie hat vorne eine Öffnung von 10cm, wahrscheinlich, damit da kein letzter Tropfen hinauffallen kann. Die Form des Beckens ist wie ein großes halbes Ei. Bis zur Hälfte ist es immer mit Wasser gefüllt. Unten befindet sich ein winziges kleines Löchlein. Sofort stellt sich die eine Frage: „ Passt da alles durch?“ Mit Luftdruck und Höl-lenlärm wurde abgesaugt. Für die Betätigung gab es verschiedene Varianten. Manchmal durfte man selber den Knopf drücken oder den Hebel drehen. einige Toiletten spülten sobald man aufstand. Aber das Aufre-gendste war, wenn die Absaugung in Intervallen erfolgte und man noch ahnungslos auf dem Topf saß. Mit einem Herzinfarkt fühlte man sich wie sterilisiert.
Wesentlich erleichtert hatte ich nun auch kein Problem noch einige Minuten zu warten, bis in dieser Kultknei-pe ein Platz frei wurde und wir an einen kleinen 2-er Tisch gebracht wurden. Auf der Karte standen 90 Biersorten. Die Kellnerin hatte Mitleid mit uns und nahm uns die Wahl ab. Die hauseigene Brauerei war direkt im Keller. Peter war erstaunt, denn das Bier schmeckte richtig gut. Am Nebentisch wurde ein riesiger Teller mit einer Pizza gebracht, die gut einen halben Meter Durchmesser hatte. Es sah richtig lecker aus und so stand meine Wahl fest. Ich bestellte ein einzelnes großes Stück und war auch sehr zufrieden. Peter las lange in der Karte und stutzte über das Wort: „Steak“. Ihm lief schon das Wasser im Mund zusammen. Dann ser-vierten sie das Essen. Peters Steak war in ganz kleine Stückchen geschnitten und wurde wie ein Burger ser-viert. Wir lachten, denn das hatte er nicht erwartet. Wieder war es kein Steak! Geschmeckt hatte es aber trotzdem prima, so gab es dann noch ein oder zwei Bier mehr. Am Morgen freute sich Peter schon auf sei-nen Blue Ridge Parkway. Das ist eine Straße, die sich auf den Kuppen des Grossen Smokey Mountains, eines Teils der Appalachian Bergkette, entlang schlängelt. Das Gebirge streckt sich von der westlichen Gren-ze von North Caroina bis Gatlinburg, Tennessee. Die Namen kommen von den Cherokee Indianern, die die Berge Shoconage nannten, weil die Berge einen blau-grauen Dunstschleier auf den Gipfel zeigen. Alle Pros-pekte versprachen eine landschaftlich reizvolle Fahrt mit spektakulären Aussichten. Neben der Straße fiel uns ein Besucherzentrum auf. Wir gingen hinein um noch ein paar neue Prospekte und Karten für Peter zu be-sorgen. Da erfuhren wir, dass es am Abend zuvor unerwartet geschneit hatte und sie aus Sicherheitsgründen diese Strecke gesperrt hatten. Das war ärgerlich und Peter war richtig enttäuscht. Ein paar Kilometer konnten wir noch fahren und so reichte es wenigstens für ein Foto mit den Bergen im Hintergrund.
Genau zur Mittagssuppe erreichten wir wieder die Stube der Familie Ford. Wir holten uns gleich zwei Scha-len und setzten uns dazu. Im Topf war eine Rinderbrühe mit Fleisch und Nudeln. Sie roch ganz prima. Das Rindfleisch hatte Barry von seiner Mutter gefroren mitgebracht. Ganz stolz sagte er, dass es richtiges Fleisch ist, nicht solches aus der Kaufhalle. Dazu gab es salzige Kräcker und süße Kekse, die dick mit Erdnussbutter aus einem großen Fass bestrichen wurden. Im ersten Moment schon etwas ungewohnt. Aber bereits nach dem zweiten schmeckte es uns auch. Aber sicher ist wohl auch, dass es besonders gut „dickt“!
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