7 - Janas Schule
Carries Arbeitswoche begann bereits um 6:30 Uhr. Erheblich später startete unser 2.Januar mit einem gemüt-lichen Frühstück. In der fremden Küche versuchte ich mich zurechtzufinden. Peter freute sich, dass ich diese Aufgabe übernommen hatte. So wartete er, bis ich ihm irgendetwas Essbares und frischen Kaffee servierte. Es gab zwar keine Tageszeitung, aber er genoss es immer wieder, seine Prospekte durchzublättern.
Ich nahm den großen Kanister mit der Milch aus dem Kühlschrank, den wir für den Kaffee brauchten. Ich suchte nach einer Scheibe Wurst, Schinken oder überhaupt irgendwas, was man auf ein Brot schmieren konnte. Von einem leckere Fleischsalat keine Spur. Im Angebot nur Marmeladen oder verschiedene Korn-flaks. Abgelehnt!
Dieses große Kaltlager war wirklich voll, unten standen unzählige Soßen. In der Mitte lagen viele undefinier-bare Tüten, deren Inhalt nicht klar war, vielleicht war es auch Tierfutter? Ich tat einen Teufel und ging da nicht bei. Außerdem interessierte es mich auch nicht wirklich. Ein bisschen erinnerte es mich an einen Män-nerhaushalt!
Zum Glück entdeckte ich frische Eier. Ruck zuck landeten sie als Rührei in der Pfanne.
Anschließend merkte ich, wie es Peter juckte etwas Neues zu entdecken. Jana wollte uns ihre Schule zei-gen. Eine gute Idee. Den Weg dorthin konnte sie gut beschreiben. Kein Wunder, denn jeden Morgen fuhr sie diese Strecke zusammen mit ihrem Bruder Andrew im Schulbus. Wir stiegen ins Auto und fuhren, vorbei an dem kleinen Wartehäuschen, welches Barry oben an der Straße für die Teenager gebaut hatte, vorbei an den ersten Häusern der kleinen Stadt. Lanchester war sicher nicht größer als Crivitz. Wir stellten unser Auto auf dem großen Schul-Parkplatz ab und bei herrlich blauem Himmel und warmen Sommerwetter gingen wir die letzten Schritte zu Fuß. Alles war verschlossen, denn es war der letzte Ferientag. Eine riesige Rasenfläche - ein richtiger Park umschloss diesen großen Komplex. Gegenüber vom Haupteingang waren mit Pflanzen die Buchstaben „LHS“ Lanchester High School abgesetzt. Das Gebäude war aus roten Backsteinen gebaut und hatte zwei Etagen.
Etwas erhöht war ein Sportplatz angelegt. Die hochmoderne Laufbahn strahlte im leuchtenden Dunkelrot. Diese Anlage kann zu jeder Zeit von jedem genutzt werden. Eine junge farbige Familie lief an uns vorbei. Sie hatten leuchtende hellblaue und rosa Jogginganzüge an. Die kleine Tochter hatte zu Zöpfen zusammen ge-flochtene, schwarze Haare. Warum nur war hier alles normal. Hier würde keiner auf die Idee kommen die Straßenseite zu wechseln, weil ein Ausländer vorbei geht. Alles war friedlich, harmonisch und die Sauberkeit überall, eine Freude für das Auge.
Am nächsten Tag war in der Schule ordentlich „Action“. Barry lud uns zur Besichtigung ein. Der Parkplatz war richtig voll, aber wir fanden noch einen Platz. Am Eingang kam uns gleich ein stattlicher Polizist entgegen. Die schwarze Uniform hat sicher eine Konfektionsgröße, die wir hier zum Glück nicht kennen.
Am Empfang wurden wir registriert, und wir erhielten jeder einen dicken Aufkleber. Die fachkundige Führung übernahm ein farbiges Mädchen. Ihre Sprache konnte ich überhaupt nicht verstehen. Na ja nicht schlimm, denn man konnte es sich denken. Wir liefen gemeinsam durch die langen Gänge, schauten uns die Aula, die Bibliothek und die riesige Sporthalle an.
Jeder der Lehrer, der uns begegnete, sprach uns an und begrüßte uns herzlich: „Nice to meet you!“. (Schön, Sie kennen zu lernen!) Immer das gleiche Spiel! Das hatte ich auch schnell drauf. Die Antwort war einfach, das Gleiche noch mal sagen und am Ende „too“ (ich auch) ergänzen. In Kombination mit einem freundlichen Lächeln reichte es immer.
Zwei Mädchen liefen hinter uns her und gackerten. Sie hatten unsere deutsche Sprache erkannt. Wir konnten sie trotz aller Bemühungen nicht verstehen. Sie wiederholten es, bis wir begriffen. Sie sagten: „ Volkswagen „ im South Carolina Dialekt. Sie lachten sich fast kaputt. Sie hatten also ein deutsches Auto.
Durch einige Türen konnten wir die Schüler und die Lehrer in gemütlicher Runde sehen. Völlig zwanglos sa-ßen sie zusammen. Mit dem Unterricht in den USA läuft es etwas anders. Es gibt einige Pflichtfächer und solche, die man frei wählen kann. So entscheidet sich jeder Schüler zu Beginn des Schulhalbjahrs für vier Unterrichtsfächer und die entsprechende Schwierigkeitsstufe. Dann ist jeder Tag gleich, immer die gleiche Reihenfolge und das ein halbes Jahr lang. Zum Ende des Halbjahres gibt es einen Bericht, halt wie unser Zeugnis. Jana hatte die Fächer Sport, Theater, Spanisch und Geschichte. In allen Fächern erreichte sie ein Superergebnis: 100% das heißt A.
Dann klingelte es. Aus allen Räumen strömten die Schüler auf den Flur hinaus. Es war laut – aber kein Lärm. Jeder ging schnell – aber keiner rannte. Auf der Treppe war das Nadelöhr. Zwei geregelte Schlangen schli-chen sich nach oben und nach unten. Wir reihten uns brav ein und erreichten wenig später den Empfang. Still saßen wir an dem Rand, um keinem im Wege zu sein. Jana wurde über die Sprechanlage ausgerufen. Es dauerte nicht lange, da war sie bei uns. Erfreut stellte sie uns noch einige ihrer Lehrer vor. Mit ihrem Fleiß und ihrer aufgeschlossenen Art hatte sie alle bezirzt!
Sie zeigte uns ihre Mensa in der gerade Betrieb war. In der langen Schlange standen ihre zwei Schulkame-raden. Britnay, Janas beste Freundin, eine sehr großes, schlankes Mädchen, kam gleich auf uns zugestürmt. Sie umarmte uns innig, als wenn sie uns schon immer kannte. Ich musste grinsten bei dem Gedanken, dass in diesem Essenraum 1800 Schüler sitzen und hier täglich Hamburger, Pommes frites und Pizza essen. Wie sie es wohl in den Griff bekommen, das viele Essen gleichzeitig fertig zu haben. Sicher sind sie froh, wenn es einigen Schülern aus dem Hals hängt und sie auch mal nicht kommen.
Wir knipsten noch ein Foto mit dem Wahrzeichen der Schule dem „Schwarzbären“. Mit dem Klingelzeichen brachten wir Jana zum Unterrichtsraum zurück. Sie flehte uns an: „Bloß nicht mit reinkommen!“ Das ist doch peinlich, am ersten Tag des neuen Schulhalbjahres.
Auf der Heimfahrt fuhr vor uns ein Schulbus. Es war ein Erlebnis. Wenn an diesem Schülerzubringer die Warnleuchten blinkten, kippte der Fahrer vorne aus seinem Fenster ein Stopp-Schild herunter. Wenn der Bus stand, kam auf beiden Seiten sämtlicher Verkehr sofort zum Stehen. So ein Schulbus ist für alle heilig. Jeder wartet, bis er seine Fahrt wieder antritt. Da sich dieses Halteschauspiel alle 200 Meter wiederholte, versuch-ten wir ihn möglichst schnell zu überholen.
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