Lieber Absalom,
Was denkst du zu Krister Stendahls argumentation, das Paulus quasi mit dem brief an die römer versucht die kurve zu kriegen, zurückblickt auf sein bisheriges wirken und versöhnlicher wirkt?
Lieber Absalom,
Was denkst du zu Krister Stendahls argumentation, das Paulus quasi mit dem brief an die römer versucht die kurve zu kriegen, zurückblickt auf sein bisheriges wirken und versöhnlicher wirkt?
Frage einen Rabbe und du wirst eine und viele sehr lange Antworten bekommen und daraus entnehmen, dass du selber die Tora und den Talmud studieren musst.
Frage einen Professor und du wirst eine und viele sehr lange Antworten bekommen und daraus entnehmen, dass du selber studieren musst.
Warum schien Paulus in Vergessenheit geraten zu sein? Und warum rückte er, nur wenige Jahre später bei Marcion und dann auch in der jungen Kirche wieder und gleich derart in Erinnerung und Vordergrund?
Wissenschaftlich gesehen wird eher nur festgestellt, dass in der jungen Kirche Paulus eine gewisse Zeit lang in Vergessenheit geraten ist. Wieso das geschah, darüber sind sich die Gelehrten der heutigen Zeit nicht einig.
Ein Teil vertritt die Ansicht, dass die paulanischen Gemeinden ca. 40 Jahre den Tod von Paulus überlebt hätten und dann schlicht weg sich auflösten und recht schnell vergessen wurden, da seine Lehren sehr Personenbezogen auf sich selbst ruhend lebten.
Ein anderer Teil der heutigen Gelehrten führt das zeitweilige Verschwinden des „echten“ Paulinismus auf die damalige frühchristliche Grunderwartung zurück, welche eine unmittelbare Wiederkunft Christi als gegeben an sah und somit kein Apostel eine sonderlich wichtige Aufmerksamkeit erhielt, so auch Paulus in Vergessenheit geriet. Kulturwissenschaftlich nennt man dies Parusie. Wenn damals überhaupt sich die frühe christliche Kirche noch an Paulus erinnerte, bzw., so die Meinung einiger Kulturwissenschaftler, dann beschäftigten sie sich mit ihm, meist auf heliniestischer Seite im Umdeuten aller paulanischen Aussagen, also einem Anpassen seiner Lehre zur unmittelbar vorstehenden Erwartung der Christi Wiederkunft und dem Beginn des ewigen Reiches. Eine parallele damalige frühchristliche Bewegung waren die gnostischen Häretiker, welche nicht umdeuteten, sonder bereits ihren Lehren entsprechend, interpretierten daraus entstand u. a. das Johannesevangelium.
Marcion hätt nicht nur, nach dem Ausbleiben der Wiederkehr Christi und dem nicht beginnen des ewigen Reiches, dem daraus entstehendem Zweifel und der drohenden Abkehr zum frühen Christentum, Paulus wieder in die Erinnerung geführt, sondern auch als erster Christ einen tragischen Keil zwischen Judentum und Christentum getrieben, denn er begann von einem guten G“tt der Liebe, dem G“tt des neuen Testaments und dem bösen G“tt des alten Testamentes zu predigen und Werke zu schreiben.
Man könnte fast sagen, die Wiederaufnahme Paulus zu den Aposteln (er ist ja streng gesehen kein Apostel, da er Jesus nie gesehen hat) gleicht einem Rettungsanker der frühen jungen christlichen Kirche, welche feststellen musste, dass Christus scheinbar doch nicht so schnell wieder kommen würde und die Zeit noch lange nicht am Ende war.
Shalom
Isaak
Geändert von Isaak (25.03.2009 um 15:02 Uhr)
Hier ein Link zu einem Thread für Interessierte, welche wert darauf legen, dass Glaube deutlich getrennt von Wissenschaft nebeneinander behandelt werden sollten.
click it ►Wissenschaft und Glauben ◄ click it
Gruß
Isaak
Lieber Rega, eine sehr schwierige Frage, sehr schwierig! Wäre ich Paulus, ich wüsste eine schlüssige Antwort, ich kenne jedoch nur diesen Brief und jene anderen Briefe von ihm.
Klar habe ich mir schon Gedanken darüber gemacht und ich habe es im "Paulusbrief" schon leicht angesprochen. Der Brief birgt in sich sehr viele Besonderheiten und Geheimnisse, was viele Spekulationen erlaubt und allgemein sagt man mitlerweile, ja das mit der Kurve kriegen hat was. Das er am Schluß allein war, scheint wohl auch Paulus einmal zum Nachdenken und zur inneren Einkehr bewogen zu haben. Wer weiß?
Eventuell schreibe ich später einmal mehr dazu.
Liebe Grüße auch an dich Rega.
Absalom
So änliches führte ich ja schon aus und die Hintergrundinfo zu Marcion ist absolut zutreffend.Marcion hätt nicht nur, nach dem Ausbleiben der Wiederkehr Christi und dem nicht beginnen des ewigen Reiches, dem daraus entstehendem Zweifel und der drohenden Abkehr zum frühen Christentum, Paulus wieder in die Erinnerung geführt, sondern auch als erster Christ einen tragischen Keil zwischen Judentum und Christentum getrieben, denn er begann von einem guten G“tt der Liebe, dem G“tt des neuen Testaments und dem bösen G“tt des alten Testamentes zu predigen und Werke zu schreiben.
Man könnte fast sagen, die Wiederaufnahme Paulus zu den Aposteln (er ist ja streng gesehen kein Apostel, da er Jesus nie gesehen hat) gleicht einem Rettungsanker der frühen jungen christlichen Kirche, welche feststellen musste, dass Christus scheinbar doch nicht so schnell wieder kommen würde und die Zeit noch lange nicht am Ende war.
Danke Isaak
Wir könnten ja dem Paulus eine PN schicken und ihn selber fragen. (lol)
Ach ja, geht nicht, er ließ ja mitteilen, dass er die Korespondenz eingestellt hat.
Gut ist es, unter uns, dass wir immer deutlich herauslesen können, was wir über Paulus denken und klar dargestellt ist was (er) geschrieben hat und wie wir es verstehend interpretieren. Eben deutlich Glauben und Wissenschaft nebeneinander erklären können.
Shalom
Isaak
Ich finde Stendahl's analyse schlüssig und faszinierend. Vor allem, weil er als Lutheraner die klassiche lutherische botschaft auf dem kopf stellt. Aus einem "wir sind die besseren der gnade wegen" wird ein "bildet euch nicht zuviel darauf ein, nun dazugehören zu dürfen".
Das Paulus dies an eine gemeinde schrieb, die er nie besucht hat, sehr vorsichtig ist in seine wortwahl und in seinem rückblick, vermute ich schon, das er die kurve kriegt.
Eigentlich würde römer viel besser am ende der briefe passen. Das es am anfang gesetzt worden ist, hat wahrscheinlich auch zur überinterpretation geführt.
(smile) natürlich habe ich auch dieses mal alles von dir gelesen und ich denke nicht, dass ich dir das Handtuch reichen könnte, im Punkto Wissen zur Religionswissenschaft und würde dies auch nie tun wollen. Mein Fachbereich ist ein anderer. (smile)
Auch ich bedanke mich für deine qualitativ hochwertigen Beiträge (soll keine Bewertung sein, sondern mein Respekt und Lob zum Ausdruck bringen)
Der Dank ist auf meiner Seite.
lehit
Isaak
Absalom schrieb:
"Liebe Mirjamis, du kannst mich aber auch in Anspruch nehmen - lach -."
Lieber Absalom,
ich hoff, ich geh dir nicht allzu sehr auf die Nerven mit meinen vielen Fragen.
Du hast aber auch ganz schnell geantwortet. Staun.
Ja, ich seh es ein - ich werde mich mal wieder ein bisschen zurückhalten - bis .... Grins.
Aber ganz herzlichen Dank dir für deine ausführlichen Antworten.
Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du dir sooooooo viel Zeit dafür nimmst.
Und auch dir, Isaak, ganz herzlichen Dank für deine Ausführungen.
Das ist alles so interessant - mir raucht schon wieder der Kopf. Muss ich alles noch mal in Ruhe lesen.
Ha, und wieder ein Stück des Puzzles zusammengesetzt...Ich hatte im Zuge der historischen Entstehung der Offenbarung nach Johannes ein paar Bücher durchforstet (über google :-)), die natürlich auch die komplette Entstehung der kanonischen Bibel beleuchteten; aber diese Bücher waren schon etwas älter (um 1980, glaub ich), und von Paulus war da nicht allzu viel die Rede.
Danke für diese klasse Übersicht der Thematik!
Ich beobachte auch zunehmend, wie sich gewisse Kreise gegen die Historie der Bibel wenden und sie zunehmend "vergöttlichen", wie ein verzweifelter Versuch, allen Widerspruch sofort im Keim zu ersticken. Ich finde das fast schon beunruhigend. Vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein, dass der Fundamentalismus zunimmt und die Toleranz ab. Vielleicht war das schon immer so: Es geht mal hoch, es geht mal runter. Das stellte ich auch bei meinen Recherchen zur Offenbarung fest - die Naherwartungshaltung ist in der Zeit periodisch, mal stärker, mal schwächer vorhanden.
"Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und zu sagen: Nein!" (Kurt Tucholsky)
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