Ich möchte dieses Forum einmal benutzen um einige ganz persönlich Gedanken zu schreiben.
Ich bitte dies NICHT als persönliche Angriffe zu sehen! Es sind lediglich meine Gedanken, die aus meinen Erfahrungen resultieren!

Ist eigentlich ein Dialog mit einer Religion, die in sich einen absoluten Wahrheitsanspruch trägt möglich? Ganz klar muss ich sagen Dialog ja, aber Übereinstimmung nein.

Dialog ist wichtig, um die Beweggründe seines Gegenübers zu verstehen und um Verständnis für seine Ansichten zu werben. Übereinstimmung nein, weil die Militanz eines absoluten Wahrheitsanspruches keine andere Meinung zulassen darf. Wo immer und wann immer, wird dieser Wahrheitsanspruch gewahrt und verteidigt und muss missionarisch verbreitet werden. Gehört die Begrifflichkeit Nächstenliebe auch zu dieser Religion, dann gebietet die „Nächstenliebe“ schon, seinem Gegenüber diese Wahrheiten weiter zu geben.

Es gibt zur Zeit nur zwei wesentliche Absolutheitsreligionen, der Islam und das Christentum.
Grundträger ihres Anspruches ist die Verkündigung der absoluten Wahrheit, die sich jeweils auf die Offenbarung von Gott beruft. Beiden ist zugleich gemein, dass sie als ihren Ursprung die mosaische Religion benennen. Eine Religion, in deren Schriftgut nicht ein einziges Mal der Begriff Wahrheit erscheint, ja sogar in der Definition der beiden großen Religionen gänzlich fremd ist. Mit „wandelbarer Erkenntnis“ die kein Absolutheitsanspruch in sich trägt, wird das erfassen der Botschaften Gottes wiedergegeben. Selbst ein Jesus konnte einem Pilatus den Begriff Wahrheit, auf dessen Anfrage hin, nicht erklären, weil es dafür schlicht und ergreifend in der damaligen mosaischen Religion und Sprachwelt keine Worte gab.

Erkenntnis ist wandelbar und ein jeder wird aus seinem Leben selbst die Erfahrungen gewonnen haben, dass wir ständig neue Erkenntnisse gewinnen, die alte Erkenntnisse ablösen, was gemein hin auch als ein Lebenslernprozess bezeichnet wird, in dessen Folge man an Weisheit und Erkenntnis zunimmt. Ein allein gültiger Wahrheitsanspruch ist nicht wandelbar, er kann sich nicht verändern, nimmt nicht ab und auch nicht zu, sondern bleibt immer gleich bestehend. Er wird immer in Form eines unverrückbaren Grundsatzes = Dogma festgelegt. Der Begriff Dogma, der für beide großen Religionen gilt, da sie ihre Glaubensgrundsätze für dogmatisch erklären, beinhaltet auch immer die Begriffe Dogmatik, Diktat, Diktatur und Paradigma (im Sinne von Abgrenzung und Ausgrenzung).

Martin Luther sagte einst in aller Deutlichkeit: „Tolle assertiones, et Christianismum tulisti. - Nimm die festen Aussagen (seine“ biblischen“ Dogmen) weg, und du hast das Christentum weggenommen.“

Die Existenz der beiden großen Religionen begründet sich auf den Dogmatismus, der Unverrückbarkeit von Glaubensgrundsätzen, wie Luther richtig erkannt hat. Damit reihen sich beide Religionen religionswissenschaftlich gesehen, in alle großen antiken Religionen ein, wie z.B. altägyptische Religion, persische Religionen, hellenistische Religion, die teilweise auf ein Bestehen von 4000 Jahren zurückblicken können. Erstaunlich ist, dass alle diese großen dogmatischen Religionen bis in unsere Zeit, die gleichen Wesenstrukturen bis hin zu den Glaubensinhalten in sich tragen. Doch das ist ein Thema für sich, welches ich hier nicht anschneiden will.

Wie geht nun eine nichtdogmatische Religion, mit einer dogmatischen Religion um? Wie geht ein Mensch, für den unvorstellbar ist dogmatischen Glaubensgrundsätze zu kennen, mit einem Menschen um, der dogmatisch geprägt ist? Es kann darauf nur eine Antwort geben, man kann damit gar nicht umgehen. Hier treffen zwei völlig verschiedene Welten aufeinander, die sich weder tief greifend ergänzen noch gegenseitig verstehen können. Das Glaubensverständnis eines dogmatisch geprägten Menschen endet bei seinen Glaubensgrundsätzen, die, wenn überhaupt, nur bedingt, in Frage gestellt werden können um nicht der eigenen Religion den Boden unter den Füssen wegzuziehen und damit seinem eigenen Glaubensfundament die Basis zu entziehen. Dieses Fundament ist fixiert in Schriften, die als Glaubensvorlagen und Glaubensgrundsätzen für unverrückbar und damit auch als heilig gelten.

Beim Nichtdogmatiker ist jedoch das Glaubensverständnis auf die völlige Freiheit und Selbsterkenntnis fixiert, die sehr wohl auf Traditionen und Erfahrungen seiner Religion zurückgreifen und sogar einen bedingt verbindlichen Rahmen erlaubt, doch die Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis steht über jeglichen Lehrsätzen, sofern sie keinem anderen Menschen Gewalt und Leid zufügen. Hier findet zum Beispiel das schöne Sprichwort: Zwei Juden, drei Meinungen, seinen Ursprung. Doch noch ein Wesensmerkmal tritt hervor, die Vielfalt der religiösen Erfahrungen wird als Reichtum angesehen und zugleich als Kennzeichen für den eigenen Gott empfunden, der als Schöpfer dieser unglaublichen irdischen Vielfalt gilt. Also, was sich im irdischen widerspiegelt, wird auch geistig so empfunden. Um es auf den Punkt zubringen, es gibt nicht nur schwarz und weiß, es gibt die unsagbare Vielfalt, die auch schwarz und weiß beinhalten könnte, aber nicht muss. So wie Gott im unsagbaren Licht wohnt, so wohnt er eben auch in der unsagbaren Dunkelheit. Alles ist möglich, so wie bei Gott alles möglich oder auch unmöglich sein kann. Wir sind angehalten, das für uns Größte mögliche zu erfassen und zu ergreifen. Suchen und zu finden, dass ist der Sinn des Daseins. Die persönliche Begegnung mit seinem Gott, kann in diesem Verständnis nie eine Gruppenerfahrung sein und doch wird sie zur Bereicherung für eine Gruppe empfunden, da man in dieser unendlichen Fülle, die Größe Gottes wahrnimmt. Ein Paradigma wäre hier gänzlich unpassend und würde als entmündigend und freiheitsberaubend empfunden werden. Ein Dogma gar als anmaßend und unglaubwürdig.
Die Worte von Karl Rahner: „Dogmen sind wie Laternenpfosten - nur Betrunkene halten sich daran fest!“ – sprechen da zwar sehr provokant, wohl aber ganz aus dem Herzen eines solchen Menschen, der Gott nicht als Gesetzgeber begreift, sondern als Wegweisungsgeber versteht.

Warum, so fragte sich schon gelegentlich so mancher Religionswissenschaftler, wurde gerade der mosaische Glaube zur Mutter zweier Weltreligionen? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Es war diese unerhörte Freiheit des Glaubens, die Freiheit der Interpretation, die fehlende Gesetzlichkeit (die von den Propheten den Israeliten regelmäßig austrieben wurde – ganz besonders Jesus tat dies voller Leidenschaft in seiner Zeit!) und vor allem der gerade zu sprichwörtliche Obrigkeitsungehorsam (ganz besonders auch hier Jesus!), der seine Ursache in der Mündigkeit und Aufgeklärtheit dieses Volkes hat. All das bot beste Voraussetzungen, um sich ohne wesentliche Gegenwehr dieser Religion zu bedienen, die gerade zu revolutionäre Gedanken und Ideen dieser Welt gab. Angefangen von einer gesunden Ernährung bis hin zur Selbstaufgabe für seinen geliebten Nächsten! Ideen und Gedanken, die ihre Ursache in der unendlichen Freiheit des Glaubens, des Studierens, des Denkens, des Erlebens und des lauschen der Wegweisungen Gottes haben. Ideen und Gedanken, die Gott seinem Volk gab und diese wie Kinder annahmen und mal zum Schlechten und mal zum Guten auf ihr Dasein projizierten. Die Verantwortung für ihr Dasein und die Erde von Gott annahmen, von der guten Behandlung der Mutter Erde bis hin zu Tierschutz, Umweltverschmutzung, Pflanzenachtung und Feindesliebe. Im ewigen Kampf gegen Irrungen und Wirrungen und den inneren menschlichen Schweinehund, dem all die Anliegen Gottes für seien Schöpfung und Geschöpfe, egal sind. Dazu bedarf es einer unglaublichen Liebe und Freiheit, welche immer im Widerspruch zu Machtinteressen stehen wird, denen sich ein mündiger Mensch nie unterordnen kann und darf. Genau bei dem letzt gesagten, wird jede große Religion zum scheitern verurteilt sein und muss sich mittels Unantastbarkeit auf sicheres Gebiet zurückziehen, also Grundlagen schaffen, die irdisch unverrückbar stehen. Denn Größe hat auch immer etwas mit Macht zu tun, die verteidigt, bewahrt und wenn möglich ausgebaut werden will und ganz besonders leicht geht dies mit den Verweis auf Gott. Oder wie Luther sagte: Nimm die festen Aussagen (seine „biblischen“ Dogmen) weg, und du hast das Christentum weggenommen.“

Wir leben heute in einer unglaublichen Freiheit, die erlaubt, dass man über Glauben ziemlich frei reden darf, was noch vor 100 Jahren so nicht möglich war und vor 500 Jahren auf dem Scheiterhaufen geendet hätte. Ein Zustand der jedoch große Probleme aufwirft, denn mit dieser Freiheit umzugehen ist nicht leicht, denn Freiheit bedeutet zugleich auch immer sich Situationen aussetzen zu müssen, die unbequem und vor allem in Frage stellend sind. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten damit umzugehen, man stellt sich den Fragen, gibt Antworten und korrigiert sich wenn nötig, oder man verschließt sich und übt Paradigma.

Können sich zwei so verschiedene Glaubenssysteme wirklich begegnen? Ich glaube nicht! Entweder wird der eine um seine Glaubensfreiheit fürchten, oder der andere wird um seine Glaubensdogmen fürchten. Beides passt nicht zusammen.

Das erscheint mir das nüchterne Fazit zu sein.


Samu