Die Zwangsheterosexualität setzt sich selbst als das Original, das Wahre, das Authentische. Die Norm, diedas Reale bestimmt, impliziert, Lesbisch-"Sein" sei immer eine Art Nachahmung, ein vergeblicher Versuch, an dem unfaßlichen Überfluß naturalisierter Heterosexualität Anteil zu haben; ein Versuch, der immer und in jedem Fall fehlschlagen wird. Und obwohl die Idee der Mimesis nahelegt, daß es zunächst ein Modell geben muß, das kopiert wird, kann die Mimesis auch bewirken, daß dieses a priori vorhandene Modell als
rein phantasmagorisch entlarvt wird. (...)
Wo diese Vorstellung des "Richtigen" operiert, da wird sie immer, und jeweils unrichtigerweise, als Effekt eines Zwangssystems eingesetzt. Die Travestie konstituiert die profane Form, in der Geschlechtsidentitäten appropriiert, theatralisiert und angelegt werden; sie impliziert, daß jedes "Gendering", jedes Spiel mit der Geschlechtsidentität, eine Form der Darstellung und der Annäherung ist.
Wenn das stimmt, so scheint es, dann gibt es keine durch die Travestie imitierte originäre oder primäre Geschlechtsidentität, sondern die Geschlechtsidentität selbst ist eine Imitation, zu der es kein Original
gibt.
Mit anderen Worten: die naturalistischen Effekte heterosexualisierter Geschlechtsidentitäten werden durch Imitationsstrategien produziert. Die Heterosexualität befindet sich immer im Prozeß der Imitation der phantasmagorischen Idealisierung ihrer selbst und der Annäherung an sie - und sie scheitert daran.Gerade weil sie scheitern muß und doch erfolgreich sein will, wird das Projekt der heterosexuellen Identität in eine endlose Wiederholung seiner selbst getrieben.
Mit anderen Worten:
obligatorische heterosexuelle Identitäten, jene ontologisch gefestigten Phantasmen "Mann" und "Frau", sind theatralisch produzierte Effekte, die als Grundlagen, als Originale, als normatives
Maß des Realen posieren.
Betrachten wir also den homophoben Vorwurf, Tunten und butches und femmes seien Imitationen des heterosexuellen Realen. Der Begriff "Imitation" wird hier im Sinne von "abgeleitet" oder "sekundär" gebraucht, im Sinne der Kopie eines Originals, das selbst Grundlage aller Kopien ist, aber selbst keine
Kopie von etwas ist.
Diese Auffassung eines "Originals" ist logisch zweifelhaft, denn wie kann etwas als Original funktionieren, wenn es keine sekundären Konsequenzen gibt, die seine Originalität rückwirkend bestätigen?(
http://www.emma.de/ueber_die_dekonst...hter_6_99.html)
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