Jesu tiefster Schmerz

Was war im Todesleiden
Wohl Jesu tiefster Schmerz?
Was ist's, das auch noch heute
Ihm bluten macht das Herz?

War's, als im stillen Garten
er mit dem Tode Rang,
als Blut in heißem Kampfe
ihm aus den Poren drang?

War es die Dornenkrone,
die man ums Haupt ihm wand?
War's, dass mit Geißelhieben
ihn schlug der Feinde Hand?

Als auf dem Kreuzeswege
er kraftlos niedersank
und still den Kelch der Leiden
bis auf die Neige trank.

Wie wurde da belastet
sein todwundes Herz!
Doch war's für unsern Heiland
noch nicht der tiefste Schmerz.

Als auf dem Marterhügel
Er hing am Kreuzesstamm,
durchbohrt an Hand' und Füßen
als stilles Opferlamm.

Da stieg aus seiner Seele
trotz bittrer Todeswehn
für seine größten Feinde
ein tiefes, heißes Flehn.

"Vergib, o Vater, ihnen
die größte Sündenschuld!"
So betet der Erlöser,
welch wundersame Huld!

So offenbart er Liebe,
doch keiner hat's geglaubt!
Zum Lohn hat man bedecket
mit Schmach sein heilig Haupt!

Das war im Todesleiden,
des Heilands tiefster Schmerz.
Das ist's was auch noch heute
ihm bluten macht das Herz.

Dass er die Menschen liebte,
sich gab dem Tod zum Raub,
auf dass er sie erlöste -
und keiner hat's geglaubt!

[anonym]