Moin net.krel,

Eine (wie gesagt ja imho auch geniale) Lösung bestünde hierbei eben ja in der von Dir angewandten Tiefenpsychologischen Auslegung die dann den zB AT-Straf-Steinigungs-Gott in ein zB psychologisches Defizit der Gesellschaft verwandeln würde... welches es zu beheben gilt. (nur als Beispiel jetzt).
Ich weiß jetzt nicht so genau was du mit "psycholgischem Defizit der Gesellschaft" meinst, aber grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, dass man sich auf mehreren Ebenen solch alten Texten nähert. Und da gehört neben dem wortwörtlichen Sinn, den man sich natürlich auch immer bewusst machen muss, auch der historische Kontext und der Sinnzusammenhang hinsichtlich der überlieferten Textstellen dazu. Die Menschen wollten in ihren Texten ja etwas ganz bestimmtes zum Ausdruck bringen und das hat auch immer etwas mit ihrem Lebens- und Gottesverständnis zu tun. Wenn man das einmal besser verstehen kann, dann nähert man sich auch den psychologischen Ursachen für diese speziellen Sichtweisen an. Und wenn man diese dann schlussendlich auf das Verhalten der Menschen überträgt, dann merkt man ganz oft, dass sie von einer ganz ähnlichen Motivation getrieben wurden, wie wir es auch heute noch erleben. Affekte wie Angst, Schuld, Scham, oder auch Neid, Missgunst, Zorn spielen da dann eine ganz entscheidende Rolle und eröffnen uns die Möglichkeit uns selbst in diesen Geschichten zu spiegeln.

Man kann das Verhalten dieser Menschen dann z.B. nicht einfach mehr als nur grausam und barbarisch verurteilen und dabei das Grausame und Barbarische im eigenen Leben ignorieren. Es ist wie im Gleichnis: "wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." Die Frage ist deshalb, was erzählen diese Texte eigentlich über mich und was erzählen sie uns hinsichtlich der Reaktion Gottes auf dieses Verhaltensweisen? Die Bibel sagt eigentlich recht wenig "die da damals", sie sagt aber ganz viel "du, heute und jetzt".

Allerdings... wer sich genrell gegen tierfere Sichweisen verperrt wird sich dem entweder ebenfalls versperren oder aber - falls nicht - diese Form der Exegese ebenfalls oberflächlich anwenden so daß am Ende doch wieder das gleiche rauskommt...
Ich persönlich gebe mich da eigentlich keinen Illusionen mehr hin. Der Biblizismus ist einfach viel zu attraktiv, als das er wirklich nachhaltig überwunden werden könnte. Ich kann die Gläubigen sogar grundsätzlich verstehen. Sie suchen nach einem Sinn im Leben, stellen sich die Frage nach Gott und nehmen deshalb die Bibel zur Hand. Sie haben in aller Regel keinerlei historisches Grundwissen, wissen also nichts mit antiker Orientalik anzufangen, kennen nicht den jüdischen Geist, der sehr stark im Leben verankert ist und weit weniger abstrakt als der hellenistische Geist. Den hellenistischen Geist kennen sie aber auch nicht wirklich, obwohl sie heutzutage natürlich stark von ihm geprägt sind. Das alles kennen sie nicht und dann lesen sie die Texte und verstehen sie so, wie sie da halt stehen. Und es lässt sich dann ja auch durchaus ein Sinn in diesen Texten finden. Also das funktioniert ja durchaus.

Blöd nur, dass das Gottesbild dann in aller Regel dem eines Himmelsdiktators gleicht, der die absolute Mehrheit seiner Geschöpfe, die er ungefragt geschaffen hat, für alle Zeiten und ohne jede Hoffnung auf Rettung, in einen metaphysichen Ort Namens Hölle landen und dort für immer quälen lässt. Mit dieser Vorstellung muss man ja erstmal klar kommen. Vor allem auch, weil Gott ja angeblich die Liebe ist und dann auch noch von den geretteten Geschöpfen erwartet, dass sie im Wissen um die unendlich vielen Verdammten, trotzdem für alle Zeiten glückselig im Himmel leben.

Unterhalte dich mal mit einem Biblizisten hinsichtlich dieser Vorstellungen. Die bekommen das irgendwie hin...

Ich zB machs mir ganz einfach und verwerfe einfach all jene Texte wo "Dark-Gott" ;-) sich eindeutig zeigt. Für mich: Eine legitimer Standpunkt. Klappt auch supi.
Für dich persönlich mag das ja prima funktionieren, aber damit wirst du niemanden überzeugen können, der gerne die gesamte Bibel ernstnehmen möchte und als Gottes Wort versteht. Außerdem öffnest du dann halt auch wieder unbewusst diese Kategorien aus "gut und böse". Und schlussendlich könnte man dich dann auch noch fragen, woher du denn wissen willst, dass jetzt die Bibel in der einen Geschichte zum Guten und in einer anderen Geschichte zum Bösen gehört? Die Unterscheidung zwischen "Dark-Gott" und "Real-Gott" bringt zahlreiche Probleme mit sich. Du öffnest damit z.B. dem Dualismus Tür und Tor und eigentlich glaubst du aber doch gar nicht an einen Dualismus, oder?

Einzig und allein das eigene Bewustsein entscheidet am Ende der Fahnenstange --> wie und sogar auch welche "Information" aufgenommen wird.

Ich meine damit übrigens auch das Unterbeuwstsein (und nicht nur das "Wachbewustsein" welches ja nur die Spitze des Eisbergs ist)... welches eine große und imho auch Maßgeblich-Entscheidende Rolle bei diesem Vorgang spielt.
Ja, selbstverständlich ist Informationsverarbeitung auch ein bewusster Vorgang. Tatsächlich sind aber 7/8 unseres Bewusstseins unterbewusst. Deshalb hab' ich halt so meine Probleme damit, dem Bewusstsein den ersten Platz in meiner Spiritualität einräumen zu wollen...

All das gesagt, vertrete ich daher die Ansicht daß die "beständige Erweiterung des eigenen Bewustseins" ... den "Fortschritt" bestimmt. Egal auf welcher Ebene... inkl. der spirituellen Ebene.
Also für mich persönlich ist Spiritualität die Ganzheit des Menschen und seines Lebens. Davon ist das Bewusstsein ganz sicher ein Teil, aber mein vorrangiges Ziel liegt nun trotzdem nicht darin, mein Bewusstsein zu erweitern. Mir reicht es sozusagen schon, dass ich im Bewusstsein leben darf, dass Gott da ist, das er mich liebt und ich mein Leben aus seinen Händen, als seine Gabe empfangen darf. Hier und Jetzt, immer wieder neu, im Anfang!

LG
Provisorium