Helmuth Plessner kritisierte den Humanismus aus der Sicht des Historismus: Die Geschichte der eigenen und der fremder Kulturen habe gezeigt, dass die Selbstauffassung des Menschen im Sinne einer Idee, was der Mensch sein solle, vom Menschen selbst geschichtlich und unter kulturell-kontingenten Annahmen hervorgebracht worden sei, also keinen Anspruch auf allgemeine Geltung erheben könne. So zeige die Erfahrung
„daß die Selbstauffassung des Menschen als Selbst-Auffassung, als Mensch im Sinne einer […] »Idee« selbst ein Produkt seiner Geschichte bedeutet, die Idee Mensch, Menschlichkeit von »Menschen« eroberte Konzeptionen sind, denen das Schicksal alles Geschaffenen bereitet ist, untergehen […] zu können.“[28]
Er setzt dem eine Anthropologie entgegen, die die wesentliche Unergründlichkeit des Menschen ins Zentrum stellt: Was der Mensch sei, lasse sich nicht ergründen, denn der Mensch sei kein abgeschlossenes, sondern ein unfertiges Wesen. Diese Einsicht beende auch die Überheblichkeit einer missionierenden christlich-europäischen Kultur, die meine, die Menschlichkeit erst den anderen Kulturen bringen zu müssen.
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