1. Januar 2009 - AG Globalisierung und Krieg:
Stellungnahme zum Konflikt um Gaza
Die AG Globalisierung und Krieg von attac Deutschland protestiert gegen die
massiven Bombardements des Gazastreifens durch israelisches Militär.
Durch die überfallartigen [1] und bis heute fortgesetzten Angriffe aus der Luft und
den Artillerie-Beschuss sind bis Ende 2008 mehr als 350 Menschen (darunter auch
Frauen, Kinder und viel andere Zivilisten) getötet und über 1400 z.T. so schwer
verletzt worden, dass die Zahl der Toten noch weiter zunehmen wird.
Die seit Ende der Waffenruhe aus dem Gazastreifen abgefeuerten Raketen haben
bis heute 4 israelischen Staatsbürgern das Leben gekostet. Solche Raketenangriffe
gegen Zivilisten in Israel sind ebenfalls rechtswidrig und zu verurteilen, doch sie
geben Israel weder als Besatzungsmacht noch als souveränem Staat das Recht,
das humanitäre Völkerrecht zu verletzen [2].
Die israelische Regierung bringt Panzer und Truppen zur Führung eines Bodenkriegs
in Angriffstellung.
Die AG Globalisierung und Krieg sieht sich durch die Proteste und Appelle der attac-
Netzwerk-Mitgliedsorganisationen medico international [3], pax christi [4] und IPPNW
[5], sowie anderer Friedens- und Menschenrechts-Organisationen in ihrer bisherigen
Beurteilung der Situation bestätigt [6].
Bereits im Oktober 2003 hat attac auf seinem Ratschlag im Zusammenhang mit dem
Palästina-Konflikt erklärt:
"Unsere Haltung in der Palästina-Frage beruht auf folgenden Grundsätzen:
Einhaltung sämtlicher Palästina-Resolutionen, die bislang von der UNO
verabschiedet wurden. Diese fordern den Rückzug Israels aus allen seit 1967
besetzten Gebieten, das prinzipielle Rückkehrrecht der palästinensischen
Flüchtlinge, den Abbau der israelischen Siedlungen in den palästinensischen
Gebieten und die Lösung der Jerusalem-Frage. Unterstützung des Rechts von
Israelis und Palästinenser auf lebensfähige Staaten mit international garantierten
Grenzen. Solidarität mit den israelischen und palästinensischen

Friedensbewegungen." [6a, Punkt 9]
Der von Israel als "Vergeltungsschlag" bezeichnete Überfall auf die Menschen und
die zivile Infrastruktur in Gaza ist bereits seit Sommer 2008, als die Waffenruhe mit
der gewählten Regierung von Gaza gerade vereinbart war, minutiös vorbereitet
worden [7]. Dementsprechend ignorierte die israelische Regierung das
palästinensische Angebot von Verhandlungen über die Bedingungen für die
Neuvereinbarung eines Waffenstillstands: Aufhebung der Blockade des
Gazastreifens und Einstellung der Mordanschläge auf palästinensische
Führungskräfte. Die daraufhin erfolgte Wiederaufnahme des Raketenbeschusses auf
israelisches Gebiet ist zu verurteilen. Aber es trifft nicht zu, dass Luftangriffe, die seit
Monaten geplant waren, "Vergeltungsschläge" gegen den Abschuss der Qassam-
Raketen aus den letzten Tagen sind, die durch Verhandlungsbereitschaft vermeidbar
gewesen wären.
Das Vorgehen Israels ist eine unangemessene Antwort. Denn Israel ist Mitglied der
Vereinten Nationen und hat durch seinen Beitritt zu den Vereinten Nationen der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEdM, [8] ) von 1948 zugestimmt.
Aber in seiner Behandlung der Palästinenser, und insbesondere der Bevölkerung
des Gazastreifens verstößt Israel gegen die AEdM und verletzt die Menschenrechte
der Palästinenser fundamental: Schon 18 Monate währt die israelische Blockade des
Gazastreifens, die eine Abschnürung von Lebenswichtigem in diesem dicht
besiedelten Gebiet bedeutet. Sie verhindert die ausreichende Versorgung der dort
lebenden 1,5 Millionen Menschen mit dem Notwendigen, mit Strom und Energie, vor
allem mit Lebensmitteln und mit Medikamenten. Die Bevölkerung steht vor dem
Verhungern, die medizinische Versorgung vor allem der Verletzten steht vor dem
Zusammenbruch [9]. Die völkerrechtswidrige Kollektivbestrafung der Bevölkerung für
ihr Verhalten bei einer demokratischen Parlaments-Wahl verstößt nicht nur gegen die
Genfer Konvention, sondern fördert die Gewaltbereitschaft und die Solidarisierung
mit gewalttätigen, terroristischen Gruppierungen. Sie zerstört die Ansätze der
Zivilgesellschaft und fördert ein Klima für den gnadenlosen Kampf um
selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben.

Dies alles geschieht vor dem Hintergrund von mehr als 40 Jahren Besatzung, dem
Ausbau der israelischen Siedlungen auf besetztem Land, dem tief in
palästinensisches Gebiet vorangetriebenen Mauerbau, dem von Israel
vorgenommenen, bzw. tolerierten Landraub, sowie der Inhaftierung von rund 10 000
Palästinensern [10] (davon ein Drittel der Abgeordneten des palästinensischen
Parlamentes), Folter an Entführten und Gefangenen, illegalen gezielten Tötungen,
Vorenthaltung der nach dem Osloer Friedensabkommen von Israel eingenommenen
und der palästinensischen Autonomiebehörde zustehenden Zölle und
Einfuhrumsatzsteuer [11], wiederholter Zerstörung der Infrastruktur, kurzum:
Dem andauernden völkerrechtswidrigen und menschenrechtsverletzenden Vorgehen
des israelischen Staates gegen Menschen im Gazastreifen, in Ost-Jerusalem und im
Westjordanland.
Wer - wie wir - eine Einstellung des Abschusses von palästinensischen Raketen
verlangt, muss auch das sofortige Ende der israelischen Bombardements und der
sonstigen Angriffe fordern, die Beendigung der allseitigen Blockade und Belagerung
des Gazastreifens und der Übergriffe und Schikanen im Westjordanland, sowie die
Aufnahme von Verhandlungen über den Abzug aus allen von Israel besetzten oder
widerrechtlich annektierten Gebieten.