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  1. #181
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    Hallo Digido,

    Zitat Zitat von Digido Beitrag anzeigen
    Ich stimme Deiner Aussage vollkommen zu. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass auch Meister Eckehardt, einer der erleuchtesten Christen, Gott eher unpersönlich sieht. Stimmst Du mir da zu?
    Ja durchaus! Eckhart ist ja ein Vertreter der sogenannten "Negativen Theologie", in der Gott bewusst mit keinem Vorstellungsbild identifiziert wird, also z.B. auch nicht mit der Vorstellung er sei eine Person. Das "Personsein" ist ja vielmehr eine (weltliche) Eigenschaft eines Teils der göttlichen Schöpfung und gehört daher zum "kreatürlichen Bereich".

    Allerdings ist es streng genommen auch nicht korrekt zu behaupten, dass Eckharts Gottesbild demnach ein unpersönliches sein müsse, wenn es kein persönliches ist, denn durch die Qualifizierung des Gottesbildes als "unpersönlich", würde man ja wieder eine positive Aussage hinsichtlich des Gottesbildes treffen und genau das will die Negative Theologie ja vermeiden.

    Die "Negative Theologie" steckt da also gewissermaßen in einem ziemlichen Dilemma, denn konsequent angewandt, kann sie über Gott eigentlich nur schweigen (was ich persönlich allerdings gar nicht so schlimm finde, weil meiner Meinung nach im Schweigen durchaus ein "hoher spiritueller Wert" gelegen sein kann...).

    Eckhart, der sich dieses Dilemmas durchaus bewusst war, nähert sich deshalb "dem Phänomen Gott" noch auf andere Weise indem er ausführt:

    Nichts hindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes wie Zeit und Raum. Zeit und Raum sind Stücke, Gott aber ist Eines. Soll daher die Seele Gott erkennen, so muss sie ihn erkennen oberhalb von Zeit und Raum; denn Gott ist weder dies noch das, wie diese (irdischen) mannigfaltigen Dinge (es sind): sondern Gott ist Eines. Soll die Seele daher Gott sehen, so darf sie auf kein Ding in der Zeit sehen; denn solange die Seele der Zeit oder des Raums oder irgendeiner Vorstellung dergleichen bewusst wird, kann sie Gott niemals erkennen.

    Eckhart betont in seiner Aussage also, dass Gott, wenn man ihn schon nicht mit den irdischen, mannigfaltigen Dingen identifizieren kann, die in Raum und Zeit als Stücke und als Vieles "verstreut" sind, stattdessen als Eines betrachtet werden kann. Gott ist also Eines! Und über dieses Eine führt Eckhart an anderer Stelle folgendes aus:

    Dies ist leicht einzusehen, denn dieses einige Eine ist ohne Weise und ohne Eigenheit. Und drum: Soll Gott je darein lugen (Anmerkung vom Provisorium: mit "darein" ist "der Ort, die Stätte" gemeint, in der alles in Gott eins ist), so muss es ihn alle seine göttlichen Namen kosten und seine personhafte Eigenheit; das muss er allzumal draußen lassen, soll er je darein lugen. Vielmehr, so wie er einfaltiges Eins ist, ohne alle Weise und Eigenheit, so ist er weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist in diesem Sinne und ist doch ein Etwas, das weder dies noch das ist.

    Das Eine, das Gott ist, wird an dieser Stelle im Sinne der Negativen Theologie maximal präzise beschrieben. Denn Gott, insofern man ihn in der Weise der Dreieinigkeit, als Vater, Sohn und Heiliger Geist verstehen mag, ist immer ein Gott mit ganz bestimmten Eigenschaften, die es uns dann auch ermöglichen uns über ihn auszutauschen. Der dreieinige Gott ist also sozusagen der Gott unserer raumzeitlichen Erkenntnisstrukturen, also der Gott des gewöhnlichen Theismus.

    Hingegen ist der Gott der Negativen Theologie ein Gott ohne Bild, ohne personhafte Eigenheit, ein Etwas, das weder dies noch das ist, oder auch ein lauteres, klares, reines Eines, wie Eckhart abschließend im Folgenden ausführt:

    Daher soll deine Seele allen Geistes bar sein, soll geistlos dastehen. Denn, liebst du Gott, wie er Gott, wie er Geist, wie er Person und wie er Bild ist, - das alles muss weg. ‚Wie denn aber soll ich ihn lieben?‘ – Du sollst ihn lieben wie er ist ein Nicht-Gott, ein Nicht-Geist, eine Nicht-Person, ein Nicht-Bild, mehr noch: wie er ein lauteres, reines, klares Eines ist, abgesondert von aller Zweiheit. Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken vom Etwas zum Nichts. Dazu verhelfe uns Gott. Amen.

    LG
    Provisorium

    Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)

  2. #182

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    So ist auch gut nach zu vollziehen: "Selig die Armen im Geist, denn ihr ist das Reich der Himmel".

    Oder
    Bruder Provisorium?

  3. #183

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    @ Provisorium.
    Das erinnert an Laotse: "Den Namen, den man nennen kann, ist nicht der ewige Name" oder auch an das brahmanische "neti-neti" („Es ist nicht dieses, es nicht jenes.“), oder auch gut ausgedrückt. "Ich bin der ich bin", was man verstehen kann, als das Seiende, aber auch als das Ich, den Kern im Menschen also,der eigenschaftslos ist. Kurz Gott ist eigentlich das, was eigenschaftslos ist. Die große Offenheit. Und unser Loslassen aller Beschränkungen führt eben auch dahin, dass wir uns selbst so sehen und erleben.

    LG,
    Digido

  4. #184
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    @net.krel: Ja, ganz genau! Der letzte Absatz meines Posts reißt das Thema "geistige Armut" an.

    @Digido: Ja, es ist sehr interessant diese Parallelen feststellen zu können. Eckharts Lehre lässt sich generell recht gut auf "fernöstliche Vorstellungen" übertragen (auch ZEN z.B.). Grundsätzlich kann man vielleicht sagen, dass überall da, wo dem Glauben ein Einheitsgedanke zugrunde liegt, Eckhart wunderbar "integrierbar" ist.

    LG
    Provisorium
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  5. #185

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    Zitat Zitat von Provisorium Beitrag anzeigen
    @net.krel: Ja, ganz genau! Der letzte Absatz meines Posts reißt das Thema "geistige Armut" an.
    genau oki. Das hab ich bei mir im Gedächtnis dann also schon noch innen-drin auch gehabt... So langsam kann ich, glaub ich, alles immer klarer und klarer verstehen was
    Du diesbzgl. schreibst.

    Zitat Zitat von Provisorium Beitrag anzeigen
    @Digido: Ja, es ist sehr interessant diese Parallelen feststellen zu können. Eckharts Lehre lässt sich generell recht gut auf "fernöstliche Vorstellungen" übertragen (auch ZEN z.B.). Grundsätzlich kann man vielleicht sagen, dass überall da, wo dem Glauben ein Einheitsgedanke zugrunde liegt, Eckhart wunderbar "integrierbar" ist.
    Das liegt bestimmt daran daß in Meister Eckharts Aussagen Allgemeine-Gültigkeit inne wohnt... also im wahrsten und eigentlichsten Sinne des Wortes "katholisch" sind... immerhin bedeutet ja katholisch "Allgemein Gültig".

    lg


  6. #186
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    Zitat Zitat von net.krel Beitrag anzeigen
    genau oki. Das hab ich bei mir im Gedächtnis dann also schon noch innen-drin auch gehabt... So langsam kann ich, glaub ich, alles immer klarer und klarer verstehen was Du diesbzgl. schreibst.
    Das freut mich wirklich sehr, wenn ich mal verstanden werde...;-))

    Ich gebe zu, dass die Philosophie Meister Eckharts auch nicht ganz so einfach zu verstehen ist. Aber gut, der Mann hat im Spätmittelalter gelebt und in dieser Zeit seine Gedanken entwickelt, da halte ich es eigentlich für völlig normal, dass uns "modernen Menschen" der Zugang zu seiner christlichen Philosophie ein wenig Mühe bereitet. Je nachdem wie tief man da dann einsteigen mag, muss man sich schließlich auch ein bisschen mit der Tradition beschäftigen, aus der heraus vieler seiner Gedanken entstanden sind und dann landet man ruckzuck bei vielen weiteren Denkern, wie Plotin, Aristoteles, Augustinus, Albert der Große, Averrois, oder auch Dietrich von Freiberg. Ich bin da auch immer wieder ziemlich überfordert, weil die Eckhart Forschung natürlich von richtigen Wissenschaftlern voran getrieben wird, die wissenschaftliche Texte über Eckhart schreiben und die sind nicht selten wirklich sehr sehr schwierig zu verstehen.

    Eckhart selbst hat aber immer wieder betont, dass man nicht darüber bekümmert sein soll, wenn man etwas nicht versteht. Und mehr noch, er schrieb auch häufig, dass es eigentlich gar nicht notwendig sei alles zu verstehen, was er z.B. predigte. Und seine Predigten kann man durchaus auch völlig voraussetzungslos und ohne jeden theologischen Background mit großem Gewinn lesen, weil er halt auch einen ganz tollen, meditativen Schreibstil hatte, wie ich finde.

    Schade finde ich halt nur, dass man schlussendlich allein dasteht, wenn man Eckharts christliche Philosophie auch praktisch leben möchte. Es gibt meines Wissens halt leider keine "Eckhart-Gemeinden" und egal ob Frei- oder Landeskirche, in Deutschland spielt er in den christlichen Gemeinden so gut wie gar keine Rolle. Hier und da werden mal Einführungen in sein Denken angeboten, aber eigentlich ist nur der "wissenschaftliche Eckhart" von größerer Bedeutung.

    Zitat Zitat von net.krel Beitrag anzeigen
    Das liegt bestimmt daran daß in Meister Eckharts Aussagen Allgemeine-Gültigkeit inne wohnt... also im wahrsten und eigentlichsten Sinne des Wortes "katholisch" sind... immerhin bedeutet ja katholisch "Allgemein Gültig".
    Naja, zumindest ist Eckhart in der Wissenschaft ein anerkannter "Brückenbauer" zwischen christlichen Vorstellungen und vor allem dem Buddhismus. Im interreligiösen Dialog spielt Eckhart deshalb wirklich eine tragende Rolle und wird von Gläubigen unterschiedlichster Herkunft sehr geschätzt.

    LG
    Provisorium
    Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)

  7. #187

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    Das freut mich wirklich sehr, wenn ich mal verstanden werde...;-))
    Doch... aufjedenfall. Letztendlich glaub ich ja vom Kern her das gleiche wie Du... wir drücken "es" jeweils nur von unterschiedlichen Sichtweisen aus find ich.

    Du "es" in Christlich-Eckhartscher Sichtweise und Vokabular... und ich aus der (mhhh ---> sagen wir vieleicht dazu -->) "
    Häretischen New-Age Sichtweise" (?)
    wo Jesus aber aufjedenfall als authentischer Lehrer anerkannt und nicht abgelehnt wird...

    Aber Kern ist doch die "innere Gottes Erkenntnis" zu steigern. Bzw. auch anders gesagt: Alles was der unmittelbaren Erfahrung Gottes im Wege steht "abzulegen"...

    Die "Negative Theologie" so wie ich sie vor allem durch Deine Beiträge kenne betrachte ich bzgl. "dem Kern" als enorm hilfreich wenn man sich darauf einläßt...

    Hat imho aufjedenfall das Potential richtig schön aufzuräumen quasi :-)

    ...

    Es verwundert mich übrigens nicht wirklich daß es in DE kaum (oder keine?) christlichen Meister-Eckhart Gemeinden gibt... DE ist, imho, vorwiegend ein Industrieland... Und Wachstums-Industrie und Meister Eckhart ... da muss man schon einen großen Spagat beherrschen... diese "Grätsche" :-) hinzubekommen...

    ...

    Naja, zumindest ist Eckhart in der Wissenschaft ein anerkannter "Brückenbauer" zwischen christlichen Vorstellungen und vor allem dem Buddhismus.
    Ahh interessant. Das wusste ich gar nicht. Aber kann ich mir aufjedenfall gut vorstellen. Wobei ich sagen muss daß die allermeisten Buddhisten die zumidnest ich kenne reine "Namens-Buddhisten" sind und in Meister Eckhart sehr wahrhscheinlich (leider) ebenso wenig für sich entdecken könnten... Aber "Nicht-Namens-Buddhisten", also jene die "es" ernst meinen... die schon: Dessen bin ich mir genauso sicher aber dann auch :-)

    lg
    Geändert von net.krel (05.11.2016 um 23:26 Uhr)

  8. #188
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    Zitat Zitat von net.krel Beitrag anzeigen
    Aber Kern ist doch die "innere Gottes Erkenntnis" zu steigern. Bzw. auch anders gesagt: Alles was der unmittelbaren Erfahrung Gottes im Wege steht "abzulegen"...
    Genau, so kann man das auch meiner Meinung nach sagen. Schön finde ich, dass du von unmittelbarer Erfahrung Gottes spricht, denn genau das ist ja der "Gott ohne Bild", der Gott, der keines Bildes und keiner Vorstellung bedarf, weil er ohne jede Vermittlung Leben ist. Ein Leben ohne Warum, sagt Eckhart auch dazu.

    Zitat Zitat von net.krel Beitrag anzeigen
    Die "Negative Theologie" so wie ich sie vor allem durch Deine Beiträge kenne betrachte ich bzgl. "dem Kern" als enorm hilfreich wenn man sich darauf einläßt...

    Hat imho aufjedenfall das Potential richtig schön aufzuräumen quasi :-)
    Durchaus! Sie wird deshalb für gewöhnlich auch strikt abgelehnt und stattdessen wird mit aller Kraft an den Bildern festgehalten, die man sich von Gott gemacht hat. Und nicht selten werden diese Bilder dann auch absolut gesetzt und bilden so den innersten Kern des Glaubens/der Theologie, der gegen jede(n) andere(n) Glauben/Theologie teilweise auf's Schärfste verteidigt wird.

    Zitat Zitat von net.krel Beitrag anzeigen
    Ahh interessant. Das wusste ich gar nicht. Aber kann ich mir aufjedenfall gut vorstellen. Wobei ich sagen muss daß die allermeisten Buddhisten die zumidnest ich kenne reine "Namens-Buddhisten" sind und in Meister Eckhart sehr wahrhscheinlich (leider) ebenso wenig für sich entdecken könnten... Aber "Nicht-Namens-Buddhisten", also jene die "es" ernst meinen... die schon: Dessen bin ich mir genauso sicher aber dann auch :-)
    Oh ja, ich habe sogar den Eindruck, dass zumindest in Deutschland "die Buddhisten" Eckhart besser kennen und höher schätzen als "die Christen". Schau doch z.B. mal hier: http://www.stefan-matthias.de/Christ...lose%20Weg.htm

    LG
    Provisorium
    Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)

  9. #189
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    Lieber Digido,

    Zitat Zitat von Digido Beitrag anzeigen
    Da ich aber Christ bin und weiß, dass Reinkarnation eine allgemein gültige Tatsache ist, musste ich doch darauf hinweisen, dass ich mir nicht das Christsein von denen absprechen lasse, deren Unkenntnis in allen relevanten Sachverhalten offensichtlich wurde.
    nun, wenn deine Bemerkung mehr der Empörung darüber entsprang, dass man dir dein Christsein absprechen wollte, kann ich dich verstehen. Danke das du dich da nochmal erklärt hast.

    Hallo Netkrel,

    also da hast du aber eine Erwartung.^^ Um ganz ehrlich zu sein scheue ich mich ein wenig deiner Bitte nachzukommen, denn es liegt in der Natur der Sache dass wenn ich dies versuche, die Darstellung zwangsläufig ungenau und so oberflächlich ist, dass Fragen offen bleiben werden und die Darstellung als ganzes doch entweder unbefriedigend bleibt oder aber zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der zugegeben komplexen Philosophie provoziert. Außerdem gibt es nicht DEN Panpsychismus sondern verschiedene Ausformungen dieses Konzeptes, auch das gilt es zu bedenken. Aber ich will es dir zu liebe versuchen zumindest so ein paar grundsätzliche Aspekte in sehr einfachen Bildern zu beschreiben.

    Eine der theoretischen Grundlagen in diesem Konzept ist dabei die Ablehnung einer Trennung von Geist und Materie auf der einen Seite (bei der die Frage bleibt, wie wirkt Geist auf Materie und umgekehrt Materie auf Geist ein, wenn diese keine Berührungspunkte haben), als auch einen bloßen Materialismus auf der anderen Seite (weil bestritten wird, das Geist aus dem Nichts durch die Materie entsteht). Die argumentative Grundstruktur des Panpsychismus ist dabei:

    1. Es gibt geistige Eigenschaften.
    2. Es gibt materielle Eigenschaften
    3. Beide Eigenschaften sind nicht miteinander identisch
    4. Geistige Eigenschaften entstehen nicht aus Materie
    Schlussfolgerung: Geistige Eigenschaften sind schon vorab in der Materie angelegt, d.h. Materie hat neben materiellen Eigenschaften immer auch geistige Eigenschaften.

    Der Gedanke dabei ist, dass im Zusammenwirken von Materie nicht nur komplexe materielle Körper erschaffen werden, sondern zugleich auch komplexe geistige Konstrukte. Wenn ich z.B. mich im Raum umschaue, dann sehe ich einen Stuhl, einen Tisch, ein Glas, meinen Computer. Und doch sind alles eigentlich nur Ansammlungen von Atomen, die erst durch ihr spezifisches Zusammenwirken eben den jeweiligen Gegenstand ergeben. Der Panpsychismus geht extrem vereinfacht dargestellt nun davon aus, dass so wie auf materieller Ebene durch die komplexe Struktur der Atome die materielle Form des Tisches entsteht, auf einer geistigen Ebene die komplexen geistigen Qualitäten entstehen, die mit dem Tisch verbunden sind, und uns einen Tisch als solchen erkennen lassen, obschon es streng genommen kein Definitionsmerkmal für Tische gibt. (Allenfalls die Wittgensteinsche Familienähnlichkeit)
    Ähnlich ist dies nun auch bei Lebewesen zu sehen. Der Mensch besteht aus Atomen. Diese Atome bilden Strukturen, z.B. eine einzelne Zelle. Mehrere Zellen bilden die Struktur z.B. eines Organs und im Zusammenspiel von Milliarden Zellen entsteht der Mensch als Lebewesen. Und wie nun die Atome auf materielle Ebene durch das Zusammenwirken neue Strukturen schaffen, die jeweils neue materielle Eigenschaften einnehmen und neue Funktionen übernehmen können, lässt sich die Möglichkeit denken, dass aus der einfachen geistigen Qualität eines Atoms im Zusammenschluss mit anderen auch neue geistige Qualitäten entstehen. Bis hin dass beim Menschen durch das Zusammenspiel all dieser Qualitäten in dieser komplexen Form Bewusstsein und das Denken entsteht. Die einfache Zelle unseres Körpers schickt ein einfaches elektrisches Signal – und durch den Verarbeitungsprozess in unserem Körper und unserem Gehirn entsteht letztlich durch zunehmende Komplexität ein entsprechend komplexes Erleben des Scherzes, dass über das reine elektrische Signal hinaus geht, ja das auch Placebo- und Noceboeffekte erleben kann in denen elektrische Signale gar nicht vorkommen. Diese komplexe geistige Struktur entsteht aber eben nicht getrennt von der Materie, sondern mit ihr zusammen. Der Mensch ist also im wahrsten Sinne des Wortes aus "Staub" erschaffen – sowohl im körperlichen als auch im geistigen Sinn. (Der Panpsychismus spricht in diesem Zusammenhang tatsächlich auch vom "Geiststaub") Die rein materiellen Eigenschaften und die geistigen Eigenschaften sind dabei sozusagen die beiden Seiten einer Medaille. Oder vielleicht in Anlehnung zum Atom besser mit einer hohlen Kugel verglichen die Außenseite (Materie) und die Innenseite (Geist). Du kannst sie aber nicht voneinander trennen, denn würdest du von einer solchen Kugel versuchen die Außenseite oder aber die Innenseite abzutragen, bliebe weder das eine noch das andere. Der Würfel würde einfach nur zerstört werden und aufhören zu existieren.

    Nun spielt im Panpsychismus Gott nicht zwingend eine Rolle. Besser gesagt man kann den Panpsychismus mit und ohne Gott denken. Wenn man ihn mit Gott denkt, dann könnte man Gott folglich als jene geistige Entität verstehen, die aus dem komplexen Zusammenspiel des gesamten Universums entstehen würde. D.h. er wäre die allumfassende Einheit, allgegenwärtig – und mit uns ebenso verbunden wie zugleich von uns völlig unabhängig wie es unser Bewusstsein gegenüber unseren einzelnen Zellen ist. Es gäbe nichts außerhalb von ihm und nichts käme ihm gleich, denn es kann nur ein „All-Eines“ geben. Alles was geschaffen ist, wäre aus ihm geschaffen, er wäre damit auch der Urgrund allen Seins – und auch aller geistigen Qualitäten und Werte. Ein Urgrund zu dem wir als Menschen, als Wesen mit entsprechend geistiger Komplexität Zugang haben können. Nach dem wir eine Sehnsucht empfinden, die ebenfalls Teil unserer geistigen „Natur“ ist. Ein Bewusstsein dem wir uns öffnen können, wenn wir bemüht sind uns nicht als „Ich“, den anderen als „Du“ und Gott als „das gegenüber“ zu erkennen, sondern uns dessen bewusst werden, dass wir in Gott ruhen, Teil seines Wesens sind und immer schon waren. Wenn wir die Grenzen unseres Bewusstseins, versuchen durchlässig zu machen für das Bewusstsein des großen Ganzen. ….. Aber ich gebe zu, spätestens hier wird es zunehmend abstrakt und auch spekulativ bzw. theologisch. Das meine ich nicht wertend – ich will damit nur die Grenze zwischen dem Panpsychismus als philosophisches Konzept und seiner theologischen Deutung bzw. Anwendung auf den Bereich des Religiösen (für den er ebenso sehr fruchtbar sein kann) voneinander abgrenzen. Das Konzept ist als solches auch nicht wirklich neu, aber durch die Verschränkung von Geist und Materie als Einheit, entfallen viele Probleme die ansonsten gedanklich im Geist-Materie-Dualismus entstehen.

    So… und nur abschließend…. für das Thema der Reinkarnation würde dies aus dieser Perspektive bedeuten, dass die Wiedergeburt einer Seele als einem „geistigen Komplex“ unmittelbar auch mit der Wiederentstehung des dazugehörigen materiellen Komplexes gedacht werden muss. Dies könnte rein hypothetisch möglich sein, sofern sich dieselbe materielle Struktur wiederfindet. Ein anderer Körper ist aber eben eine andere materielle Struktur – und entspräche daher eben einer anderen „geistigen Wesenheit“.

    Nun ja, es sind etwas mehr als zwei Sätze, aber ich hoffe es gibt einen zumindest sehr groben Überblick. Aber wie gesagt – bedenke dass aufgrund der Kürze es notwendigerweise zu einer Vereinfachung kommt, die teilweise ungenau ist. Ich habe mich aber für dich mal umgehört… es gibt einen Autor aus Berlin, der wohl ein eher populärwissenschaftliches Buch zu diesem Thema geschrieben hat, in dem er versucht das Thema auch für philosophische Laien verständlich aufzuarbeiten. Wenn du magst kann ich dir den Titel gerne heraussuchen und ihn dir schicken.

    Liebe Grüße
    Lior
    Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.

  10. #190

    Standard

    Hallo Lior

    also zuerst Danke ich
    Dir für Deine Zeit-Investition bzgl. einer Grunderklärung des Panpsychismus.

    Ich denke ich konnte dem sogar auch soweit folgen... anders als es die male zuvor im WWW war als ich mich versuchte zu informieren.

    Das liegt bestimmt daran daß
    Du in Deiner Erklärung (auch) "mich im Auge gehabt hast" ... und die Webseiten zu diesen Thema unweigerlich
    natürlich nicht :-)

    Hat also funktioniert :-)

    ...

    Kern ist (und jetzt erinnere ich mich auch) daß Materie zwei Eigenschaften hat, eine materielle wie gehabt und aber auch eine geistige.

    Und das dies --> "im Anfang war..." <--- Johannesch' gesprochen :-)... selbst sogar
    Gott ginge daraus hervor.

    Eben:
    Zitat Zitat von Lior
    Wenn man ihn mit Gott denkt, dann könnte man Gott folglich als jene geistige Entität verstehen, die aus dem komplexen Zusammenspiel des gesamten Universums entstehen würde.
    An dieser Stelle also unterscheidet sich das Weltbild des Panpsychismus von meinen (wie es auch immer heisen mag :-))...

    Denn ich glaube nicht daran daß
    Gott "aus dem komplexen Zusammenspiel des gesamten Universums" entstand...

    sondern vielmehr umgekehrt... das Universum verdankt seine Existenz letztendlich in
    Gott.

    ...

    Der Panpsychismus erinnert mich an dieser Stelle an die Aussage des materialistischen Weltbild welches ja Raum + Zeit + Materie ebenfalls als "das Absolute" betrachtet ---> aus welchen alles seine Geburt haben würde.

    Wo er sich vom Materialismus unterscheidet ist, daß er dem (aus seiner Sicht -->) absoluten Element "Materie" noch eine geistige Realität bzw. eben Eigenschaft elemanter zuschreibt.

    ...

    Bzgl. dem Buch: Ja gerne
    Lior. Ich würde den Titel + Autor in meine (lange :-)) Buchliste aufjedenfall gleich eintragen.

    ...

    Also zumindest weis ich nun besser, warum mich einiges was
    Du schreibst, oft an den Materialismus erinnert und anderes wiederum nicht.

    lg
    Geändert von net.krel (06.11.2016 um 08:42 Uhr)


 

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