Zitat Zitat von Lior Beitrag anzeigen
Hallo Digido

Ich finde das ist ein schönes Beispiel für die Problematik bei der Übertragung von kulturfremden Begriffen. Vielleicht darf ich dich hier korrigieren – sofern das nicht auch schon unter das Interdikt dich zu belehren fällt. Es geht in der Vorstellung von Samsara soweit ich weiß gerade nicht darum göttlich zu sein, denn in einer Daseinsform als Gott ist dieser Überzeugung zufolge das Wohlgefühl so umfassend, dass man gar keinen Grund sieht aus dem Kreislauf auszubrechen - was das eigentliche Ziel ist. Deshalb kann auch nur der Mensch den Weg hin zum Nirwana beschreiten. Was du vermutlich meinst ist der unpersönliche Urgrund des Seins, das Brahman, das von der Idee her vermutlich eher mit der biblischen Vorstellung des Chaos zu vergleichen ist als mit dem Gedanken einer Gemeinschaft Gottes zu sein oder eine eigenen Gottesnatur zu haben.
Ich weiß nicht, weshalb Du hier ein Problem siehst?
Vom Kreislauf der Geburten (= Samsara) frei zu werden, ist das Ziel der verschiedenen Hindu"sekten" ("" nicht im abwertenden Sinne gemeint). Die Befreiung nennen sie "Moksha". Buddhisten wollen ebenfalls frei werden. Sie nennen die Befreiung "Nirvana".
Nun sind die konzeptionellen Voraussetzungen unter denen sie den Weg der Befreiung antreten, unterschiedlich. Brahmanen gehen von ihrer eigenen göttlichen Natur (dem Atman) aus, während Buddhisten sagen, der "Durst nach Leben", nach Dasein sei verantwortlich und diesen gelte es zu "töten".
Der Weg bei allen aber ist es, sich aus den Verstrickungen ins Innerweltliche, zu lösen, und da kann, wenn diese gelingt, bei beiden nur Freiheit herauskommen. Ob man nun diese Freiheit, Moksha, Nirvana oder sonstwie nennt ist völlig irrelevant.
Nun gibt es aber auch den Begriff "Nirvana in Samsara", auf den Du Dich vermutlich beziehst. Das bedeutet aber nur, dass der Befreite überall als Freier, Ungebundener leben kann.
Nichts anderes lehrt das Christentum. Der praktische Weg besteht ebenfalls in der Loslösung von den Anhaftungen an das Vergängliche: "Habt nicht lieb die Welt [die Welt lieb haben, ist jener Durst nach Leben, den Buddha meint], noch was in ihr ist." (1. Jo 2,15)

Wichtig aber ist, dass der Kreislauf der Geburten als ein gegebenes Faktum existiert, dem man sich zum Beispiel nicht durch Selbstmord [was ja die einfachste Art der Befreiung wäre] entziehen kann.

Die interessante Frage ist nun, wie kam der Mensch auf die "Idee" eines Fortlebens nach dem Tode und der Reinkarnation? - Die einfachste und schlüssigste Antwort ist, weil er beides erlebte. Er konnte sich dieser Tatsachen viel, viel besser als wir bewusst werden, da er ja überhaupt noch nicht mit seinem "Denken" und Fühlen in der Sinneswelt gefangen war. Er war also nicht blind, während wir heute in Bezug auf das Nichtmaterielle völlig blind sind.

Und auch hier würde ich dich gerne auf einen Denkfehler hinweisen, sofern du nicht auf dein durch deine vermutlich als höher gedachte Einsicht legitimiertes Recht auf Lehrautorität bestehen möchtest. Das „reale“ Vorhandensein des Mondes ist in diesem Fall das „materielle“ Vorhandensein des Mondes. Du wirst mir doch nicht noch Materialist Digido?^^
Ja, natürlich. Keine Bange, über letzteres bin ich hinaus ohne Wiederkehr.
Etwas das in Bezug auf Reinkarnation wohl kaum zutrifft, insofern hinkt der Vergleich.
Nein, der Vergleich hinkt nicht.
Wenn das Übersinnliche etwas Unreales wäre, würden wir hier nur unsere Zeit verschwenden. Ich renne keinen Hirngespinsten hinterher.
Ich gehe vom realen Erleben des Menschen aus. Und was ist für den Menschen realer als das eigene Erleben? Die Erinnerungen der Menschen an frühere Leben müssen ja von irgendwoher kommen. Genau wie heute.
Erst nachdem ein Erleben da war, konnten Theorien entstehen. Diese in diesem Fall aber viel später, da die frühen Menschen noch nicht theoretisieren konnten.
Was das verbindende Element der Vorstellungen einer Existenz nach dem Ende der aktuellen Existenzform ist, das ist die Wahrnehmung der Transformation ihres materiellen Aspektes (des Leibes) von einem lebenden Körper hin zu einem toten Körper.
Das Entscheidende ist, für "die Alten" war der Tod , genauer das Sterben, ein Rätsel, während für uns das Sterben als selbstverständlich gilt, und ein Weiterleben fragwürdig.

ebenso wie es zu Entwürfen einer Existenz nach dem Tod führt, die man deswegen auch sinnigerweise als Postmortalitätsvorstellung bezeichnet. Die Vorstellungen verschiedener Kulturen können sich wie gesagt ähneln, oft tun sie dies ja auch, weil sie durch wechselseitigen Kontakt Ideen ausgetauscht und Vorstellungen übernommen haben. Aber sie unterscheiden sich eben doch auch sehr stark voneinander. Dann aber daraus eine Aussage über die Wirklichkeit abzuleiten ist denke ich eher problematisch.
Wir reden von Vorstellungen, aber sie hatten nicht Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod, das ihnen selbstverständlich war, sondern entwickelten Vorstellungen von Dämonen und bösen Geistern, die durch Zauberei usw. den Tod bewirkten.
Das ist das Unreale, das Aufgrund der Rätselhaftigkeit des Sterbens bei ihnen entstand.
Natürlich schwand immer mehr das hellsehende Bewusstsein je mehr der Mensch sich individualisierte. Dadurch wurdew man später auch über den Tod unsicher.

Oder wenn dir die Beispiele nicht gefallen dann die Hölle. Die Vorstellung eines solchen Ortes findest du nämlich auch in vielen Kulturen, also würde diese Vorstellung und deren sprachliche Rezeption deiner Argumentation folgend ihre reale Existenz voraussetzen. Und wenn die Häufigkeit und Ähnlichkeit einer Vorstellung Rückschlüsse über die Wirklichkeit erlauben, wie erklärst du dann z.B. die sehr viel häufigere Vorstellung eines Gerichtes über den Menschen nach dessen einmaliger Existenz?
Du sagst richtig, dass die Hölle nicht allein eine christliche Vorstellung ist. Deshalb muss es einen Grund haben, weshalb solche allgemein entstanden. Dann ist die einfachste Antwort, Himmel (Nirvana, Moksha) und Hölle sind nichts anderes als Extrapolationen der Vollendung zweier Wege, die der Mensch gehen kann. Die erfolgreiche Loslösung vom Vergänglichen ist der Himmel, die unmöglich gewordene Loslösung vom Vergänglichen (weil man sich durch Triebe und Begierden immer mehr verstrickte) die Hölle.

Würde man deine Argumentation konsequent anwenden… wäre ein Gericht nach einmaliger Existenz und eine positive wie auch negative jenseitige Welt ebenso real ... was dann doch im Widerspruch zu deiner Karmalehre stehen würde....
Nein, denn eine Seele in der noch Gutes wohnt, ist nicht endgültig gefangen in der Hölle, und eine Seele, die nicht völlig losgelöst ist vom Vergänglichen, zieht es noch ins Vergängliche. Die würde sich im als Ort vorgestellten Himmel allmählich recht unwohl fühlen und wieder Begierde nach sinnlichen Erfahrungen haben.

LG,
Digido