Zitat von
net.krel
Mir sind zwei Grund-(Gegen)-Argumentationen bei Dir im laufe der Zeit aufgefallen. Die in Kern ja wie folgt lauten:
- "Es" ist vermutlich ein Plazebo Effekt. (Beispielhaft an zB Glücksbringern erklärt)
- "Es" gibt eine aktuell noch "unbekannte" Erklärung für "die Wirkung"... die von den Vertretern der spirituellen Lehre/Praxis dargelegte ist es jedoch nicht.
Diese beiden Basis-Gegen-Argumentationen waren es bisher immer... und mir ist aufgefallen daß man sie, sofgern man es unbedingt will, überall anwenden kann.
Mich wundert es einfach nur warum es bei Dir niemals(?) in unseren Diskussiuonen sein "darf" (wenigstens potentiell) was die Vertreter der jeweiligen spirituellen Disziplin einstimmig (Kultur- Zeit- und Religions Übergreifend) als Erklärung sagen... sondern immer nur eine "unbekannte" Erklärung auf dessen Entdeckung man noch "warten" muss und bis dahin die Heilungen die ja vorwigend geschehen ein Placebo Effekt sein sollen nach Glücksbringer Art... und die Irrtümer in der Praxis aber stehts als "Beweis" gelten daß die Erklärung an sich falsch sei...
Wie gesagt.. ginge man so in der herkömmlichen Medizin und Psychologie vor... dann würde dort kaum was übrig bleiben...
Ich hatte ja schon erwähnt daß man mittels diesen beiden Gegenargumenten alles nicht-grobstoffliche (zB auch die Psychologie)... immer und jederzeit verneinend in Frage stellen kann...
Lieber NetKrel,
es tut mir leid und ich hoffe du siehst es mir nach, dass ich scheinbar nicht in der Lage bin dir deine Fragen für dich verständlich zu beantworten. Und es tut mir leid, wenn die Klarheit in diesen Dingen nur an meinem Unvermögen scheitern würde sie nachvollziehbar zu erklären. Ich weiß, dieses analytische Vorgehen ist komplexer und schwieriger nachzuvollziehen als eine intuitive Wahrheit. Alles was ich anbieten kann ist mein ehrliches Bemühen indem ich es noch einmal zu schildern versuche.
Also schau, versuchen wir es mit einem anderen Beispiel. Am Anfang aller Erkenntnis steht sozusagen die Wahrnehmung eines Musters, eines Zusammenhanges. Vor etwa 170 Jahren entdeckte ein Arzt, dass Frauen im Wochenbett sehr viel häufiger an Kindsbettfieber verstarben, wenn sie von Medizinstudenten betreut wurden anstatt von Hebammenschülerinnen. Scheinbar gab es also einen Zusammenhang – aber wie erklärte sich dieser? Man hätte nun verschiedene Erklärungen annehmen können. Man hätte annehmen können, dass es die Farbe des Kittels ist, die den Frauen das Gefühl gibt „oh ein Arzt, es steht wohl schlimm um mich und ich werde sterben“, was ihren Lebenswillen schwächte. Man hätte annehmen können, dass Hebammenschüler vielleicht ein geheimes Wissen in sich tragen oder aufgrund ihrer eigenen Weiblichkeit viel mehr mit der Weiblichen Energie der Wöchnerinnen verbunden waren. Aber in einem nächsten Schritt müsste man wissenschaftlich überprüfen, ob diese Hypothese zutreffen kann. Man würde also die Ärzte als Hebammen verkleiden. Oder man würde die Frauen narkotisieren, so dass sie nicht mitbekommen, wer sie behandelt. Kurz gesagt könnte man die Situation so verändern, dass man die jeweiligen Theorien überprüfen kann. (Sofern dies möglich ist) Und dann müsste sich eine Verbesserung zeigen. Tut sie das nicht, war die Theorie falsch. Auf diesem Weg war es ein ungarischer Arzt, der eine Keimübertragung durch die Ärzte als Ursache vermutete, und indem er diese aufforderte die Hände zu desinfizieren einen anhaltenden Rückgang der Sterblichkeit um fast 90% erreichte. Was wäre nun gewesen, wenn man an einer Erklärung festgehalten hätte, die sich nicht bestätigt hat? Wenn man weiter z.B. von einem feinstofflichen Energiewechselspiel zwischen der Weiblichkeit der Patientin und der Männlichkeit der Studenten ausgegangen wäre, obwohl es für diese Annahme nicht nur keine Belege gab, sondern diese sogar hätte experimentell ausschließen können. Das infolge der Überprüfung der Annahmen des ungarischen Arztes die Sterblichkeit um 90% zurückging darf hingegen erst einmal als eine Bestätigung seiner Theorie angesehen werden, auch wenn viele dies nicht wahrhaben wollten. Es gab also einen Zusammenhang – und gewissermaßen sogar eine „feinstoffliche“ Komponente im Sinne einer Keimübertragung. Aber sie sah eben anders aus als es die Esoteriker seinerzeit gedacht hatten.
Wenn du mich also fragst, warum nicht auch die Erklärung von Vertretern einer spirituellen Disziplin zutreffen darf, die diese einstimmig teilen, dann wäre meine Antwort, dass ich dem erst einmal nicht grundsätzlich widerspreche. Ich würde mir anschauen worauf ihrer Meinung nach die Ursache zurückzuführen ist. Wenn also jemand bezogen auf den Glücksbringer sagt, dass dieser seine Chancen zu gewinnen deutlich erhöht, dann würde ich ihn hundert Mal ein Glücksspiel spielen lassen und überprüfen, ob diese Wahrnehmung zutreffend ist. Und dabei wie geschehen feststellen, dass es eben gar nicht stimmt. Was zur Schlussfolgerung führt, dass die Annahme „ich habe mehr Glück im Sinne höherer Gewinnchancen“ nicht zutreffend ist. Und auch wenn Hunderte von der Wirksamkeit ihrer Glücksbringer überzeugt sind, ändert das nichts an der messbaren Tatsache.
Ähnlich ist es bei der Homöopathie. Sie wirkt, da sind wir uns einig. Aber wenn nun jemand behauptet, sie wirkt weil ihr ein Wirkstoff innewohnt (ob feinstofflich oder chemisch ist dabei unbedeutend) dann kann ich das überprüfen indem ich eben in einer Doppelblindstudie Menschen entweder das Mittel oder ein Placebo gebe und schaue, in welchen Fällen ich eine Verbesserung des Zustands erziele. Wenn die Wirkung von dem Mittel an sich ausgeht, dann muss sich die Besserung bei jenen zeigen, die das Mittel auch bekommen – unabhängig davon ob sie glauben das Mittel bekommen zu haben oder nicht. (So wird übrigens im Idealfall auch in der Schulmedizin die Wirksamkeit eines Medikamentes erprobt) Wenn es das aber nicht tut, dann ist die Annahme „es liegt am Mittel selbst“ falsch. Auch wenn Hunderte Homöopathen das nicht wahrhaben wollen. Hier sind Mehrheitsmeinungen allein nicht aussclaggebend. Aber es beflügelt vielleicht einen anderen Homöopathen oder Forscher nachzuhaken und eine andere Theorie zu entwerfen. Dem dann vielleicht auffällt, dass die Verbesserung bei jenen einsetzte, die glaubten das Mittel zu bekommen. Oder eine ganz andere spirituelle Theorie entwirft. Und wenn man diese neue Theorie dann wiederum überprüft und dabei einen Unterschied feststellt, dann ist man der Wahrheit einen Schritt näher gekommen und kann damit die bestehende Behandlung bahnbrechend verbessern.
Ich sage also nicht grundsätzlich und schon gar nicht zu allem "es ist vermutlich ein Placeboeffekt". Ich sage "wenn die Annahme einer bestimmten Ursache-Wirkung-Verknüpfung sich experimentell widerlegen lässt, müssen wir nach einer alternativen Erklärung suchen."
Aber ich weiß offen gesagt immer noch nicht wie du auf diesem Weg die Psychologie widerlegen willst, denn sie ist ja in ihren Aussagen größtenteils durch Experimente abgesichert oder räumt das Fehlen von Erklärungsmodellen ein. Vielleicht erklärst du mir, wie du das tun willst, dann kann ich da auch gerne auf deine Überlegung eingehen.
Dennoch, natürlich geht dies nicht mit allem. Jene Überlegungen, die die beobachte Welt verlassen und rein spirituelle Aspekte zum Inhalt haben, die werden davon nicht berührt. Ich käme nicht auf die Idee einen wissenschaftlichen Beweis für Karma zu fordern. Die Vorstellung von Karma ist eine völlig berechtigte und akzeptable philosophische Überlegung – die man aber natürlich mit Argumenten geistiger Natur hinterfragen kann.
Noch einmal, es geht also nicht darum einfach zu vermuten, dass eine bestimmte Erklärung nicht zutreffend ist. Es geht darum diese zu überprüfen und entweder ihre Plausibilität einzuräumen oder sie zu widerlegen. Und diese Art des Vorgehens kann man nicht nur in allen Bereichen anwenden, die eine Wirkung auf die physische Welt postulieren, für ein wissenschaftliches Vorgehen muss man dies sogar tun. Denn ja, tatsächlich besteht wissenschaftlicher Fortschritt gewissermaßen in der Negierung. Weil man eben nicht mit absoluter Sicherheit etwas wissen kann (was auch mein spiritueller Standpunkt ist – erinnere dich an die Diskussion zur Allwissenheit des Menschen), kann man allenfalls Theorien aufstellen – und dann muss das ganze Streben danach ausgerichtet sein diese zu widerlegen. Weil man der vollkommenen aber an sich eben in ihrer Gesamtheit unfassbaren Wahrheit nur dadurch näher kommen kann, dass man Irrtümer ausmerzt. Das unterscheidet die Wissenschaft von der Religion. Beide "glauben" an ihre Wahrheiten – aber die Religion will an ihrem Glauben festhalten, die Wissenschaft ihren Glauben widerlegen um so neue Erkenntnisse zu schaffen. Deswegen auch mein Hinweis auf deine Diskussion mit Provisorium zur Negativen Theologie. So wie man nicht sagen kann wie Gott ist, kann man nicht die Wahrheit unmittelbar zu begreifen suchen – in beiden Fällen kann man nur versuchen zu sagen, was jeweils nicht der Fall ist. Und insofern man den christlichen Gedanken „Gott ist die Wahrheit“ akzeptiert, entspricht dieses Vorgehen der Wissenschaft auch auf fundamentaler Weise einer spirituellen Suche nach Einsichten in das Wesen Gottes. Vielleicht magst du mir in meinem Parteigang mit der Wissenschaft nicht ganz folgen, aber vielleicht doch anerkennen, dass aus meiner Perspektive diese mit einem spirituellen Streben absolut vereinbar ist und eben nicht zwangsläufig Ausdruck eines materialistischen Weltbildes sein muss.^^
In diesem Sinne dir und den deinen einen guten Start in die Woche NetKrel.
Sei herzlich gegrüßt
Lior
Geändert von Lior (18.07.2016 um 02:39 Uhr)
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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