Zitat Zitat von Lior Beitrag anzeigen
Danke Lior für Deine Ausführungen. Ich freue mich, wie Du Dein Gotterleben beschreibst.
Was ich meine sind Aussagen bzw. Überlegungen zu metaphysischen Begebenheiten. Eben weil sie sich der Überprüfbarkeit entziehen.
Und hier kommt ein formallogisches Problem hinzu, dass ich versucht habe zu skizzieren. Denn nur wenn ich allwissend bin, kann ich mich nicht irren. Bin ich nicht allwissend, dann gibt es logischerweise etwas, dass ich nicht weiß. Ebenso könnte aber das was ich nicht weiß entscheidend sein für eine bestimmte Anschauung. Folglich kann ich mir logischerweise nie sicher sein, dass meine Erkenntnis der absoluten Wahrheit entspricht. Oder anders gesagt, selbst wenn es vielleicht der Fall sein könnte, kann ich mir dessen nicht absolut sicher sein. Das ist soweit ich es sehe eine logische Tatsache, die man leugnen oder ignorieren kann, die man aber nur schwerlich zu widerlegen imstande ist. Wenn also jemand für sich in Anspruch nimmt über eine absolute Wahrheit zu verfügen, also „absolut sicher um einen Zusammenhang zu wissen“, dann bin ich skeptisch und sehe in diesem Anspruch offen gesagt eher ein menschliches Bedürfnis nach Kontinuität, nach Ansehen oder dem Wunsch nach Sicherheit bzw. der Vermeidung von Unsicherheit. Bedürfnisse, denen wir alle von Zeit zu Zeit erliegen. Agnostizismus ist in diesem Sinne und nach meinem Verständnis also kein Unvermögen an sich, sondern das ehrliche Eingeständnis eines so oder so bestehenden Unvermögens. Wer im Gegenzug einem anderen jedwede Berechtigung seines Glaubens abspricht, weil er selbst glaubt zu 100% recht zu haben, der macht sich in meinen Augen offen gesagt etwas vor. Aber selbst diesen Glauben kann ich tolerieren.


Ich bin mir nicht sicher, ob die Annahme der Unsterblichkeit der Seele zwingend zu der Annahme führt, in ihr ruhe der Sitz des Erkenntnisvermögens. Das hängt denke ich davon ab, was man unter Seele versteht. Aber wenn man von der Wirklichkeit der metaphysischen Annahmen zu Telepathie, Astralreisen oder Nahtoderfahrungen ausgehen mag, dann kann man es sicherlich in dem von dir genannten Sinne interpretieren. Wenn man von dieser Wirklichkeit ausgeht. Ich bin da offen gesagt sehr skeptisch und sehe wenig Veranlassung dazu.


Ja, Rudolf Steiner hat selbiges sicherlich von sich behauptet. Ich gebe zu, als Person finde ich seinen Lebensweg interessant. Vor allem auch der so radikale Wandeln über sein Leben hinweg.
Was seine inhaltlichen Lehren betrifft, muss ich gestehen überzeugen sie mich soweit ich sie kenne nicht wirklich. Ich sehe ihn da vielmehr als fast schon typischen, durch die esoterischen und nationalistischen Bedürfnisse und Überlegungen seiner Zeit beeinflussten Vertreter einer neuen, im Gegenentwurf zur kirchlichen Tradition stehenden religiöse Neubesinnung. In diesem Sinne sagen seine Ausführung vermutlich viel mehr über seine ihn als über die Wirklichkeit aus. Er hatte gegenüber anderen jedoch wie es scheint ein nicht zu leugnendes rhetorisches Talent bzw. ein Talent sich selbst zu vermarkten. Dennoch beruhen seine Lehren meiner Meinung nach oftmals auf falschen Annahmen und erkenntnistheoretischen Grundfehlern, allem voran sein Anspruch auf die Wissenschaftlichkeit seines Ansatzes.


Das ist sicherlich eine interessante Frage. Nein, für einen Zufall halte ich sie nicht. Aber – und das ist einer der Fehler auch in Steiners Denken – man muss zwischen Wahrnehmung und Deutung unterscheiden. Aus der Wahrnehmung allein folgt nicht zwingend die Wirklichkeit als einzig mögliche Deutung. Ganz im Gegenteil. Unsere Realität ist zum großen Teil auch eine Frage der Rekonstruktion. D.h. wir rekonstruieren unsere Realität auch aus den uns zugänglichen Informationen. Spüren wir eine Erregung, interpretiert unser Gehirn diese unter Berücksichtigung des Kontextes als Gefühl – und das nicht immer korrekt. Äußert sich im Fernsehen ein bekannter Schauspieler zu Missbrauchserlebnissen, dann steigen die Fälle von sich wieder an einen Missbrauch erinnernden Opfern sprunghaft an. Es gab gerade in den 80ern und den 90ern, als kritische Schriften zum modernen Satanismus dessen angeblichen und abartigen Praktiken thematisierten, eine große Zahl an Betroffenen, die davon berichteten Opfer satanisch-kultischen Missbrauchs geworden zu sein. Wie wir heute wissen gibt es für diese Behauptungen nicht nur keine Belege, im Gegenteil sind sie z.T. schon aus statistischen Gründen kaum möglich (über 50000 heimlich entführte und getötete Kinder lassen sich kaum verbergen) oder haben sich durch nachträgliche Ermittlung als falsch oder erfunden dargestellt. Was nicht heißt, dass diese Menschen nicht Opfer von (sexueller) Gewalt geworden sind. Aber die Form der erinnerten Gewalt muss nicht unbedingt der Wirklichkeit entsprechen. Und es ist denke ich auch in diesem Fall kein Zufall, dass parallel zur Zunahme der Meldungen von Missbrauch im satanischen Umfeld die Berichte von sexuellen Experimenten im Zusammenhang mit außerirdischen Entführungen zurückgingen.
Was ich damit sagen will ist, dass Menschen in ihrer Erfahrungswelt keine unzweifelhafte Zeugen sind. Das wissen wir schon aus der Rechtswissenschaft im Zusammenhang mit dem Wert von Zeugenaussagen. Ich kenne jedoch keine neuere Belege zum Thema Telepathie oder ASW, die einer kritisch-wissenschaftlichen Überprüfung stand gehalten hätte. Meist konnte unter kontrollierten Bedingungen soweit ich es weiß nur eines aufgezeigt werden – das die Befürworter einem Irrtum erlegen sind. Dennoch achte und respektiere ich den Glauben an solche Phänomen – aber eben als Glauben, nicht als Tatsache mit dem Anspruch auf „gesicherte Erkenntnis“.
Viele Grüße
Lior[/QUOTE]