Ja fast, aber nicht ganz. :-) Denn wenn man es mit Eckhart ganz genau nimmt, dann besteht der Kern seiner christlichen Philosophie in seiner Lehre von der Gottesgeburt im Seelengrund. Alle Texte Eckharts zielen schlussendlich auf die Gottesgeburt ab.
Es ist aber richtig, dass ein ganz wesentlicher Teil der Lehre von der Gottesgeburt im Seelengrund beinhaltet, dass der Mensch substantiell mit Gott verbunden ist und sicher zielt die Lehre auch darauf ab, dass man sich dieser Verbundenheit bewusst(er) werden soll und auch bewusst werden kann. Die dazu nötigen "Erkenntnisschritte" stellt Eckhart jedenfalls auf vielfältige Weise dar, so dass man meiner Meinung nach durchaus behaupten kann, dass Eckharts Lehre das Bewusstsein dafür klärt, dass man Kind Gottes ist. Das hast du schon ganz richtig dargestellt. :-)
In gewisser Art und Weise will uns Eckharts Lehre auch tatsächlich über Illusionärisches aufklären, weil nach seiner Überzeugung alles Kreatürliche (also alles Geschaffene; die Schöpfung im weitesten Sinne, inklusive unseres Menschseins.) ein Nichts ist (was daran liegt, weil alles Geschaffene von Gott abhängt und ohne ihn also nicht bestehen kann. Eckhart sagt z.B.: "Würde sich Gott auch nur einen winzigen Augenblick von seiner Schöpfung abwenden, würde sie im selben Augenblick ins Nichts fallen, also nicht mehr bestehen.).
Ja, so kann man das durchaus sagen, jedoch ist das Ziel bei Eckhart weniger die Befreiung von irgendwelchen Illusionen (obwohl das "Konzept der geistigen Armut" ganz klar ein Weg in die Freiheit beschreibt), sondern eben vielmehr die Gottesgeburt im Seelengrund, wie bereits erwähnt. Der Mensch, in dem diese Geburt geschieht, ist sich dann aber tatsächlich völlig darüber bewusst, dass er und Gott eins sind (exakt das, was Jesus von sich behauptete und was ihn unter anderem ans Kreuz brachte).
Auch dieser Aussage von dir kann ich durchaus zustimmen, jedoch finde ich, dass man an dieser Stelle bisschen aufpassen muss, damit man die Begrifflichkeiten nicht zu sehr vermischt und stärker voneinander abgrenzt, um am Ende nicht Ursache und Wirkung zu vertauschen.
Das "Konzept der geistigen Armut" (ich nenn's jetzt einfach mal Konzept obwohl es eigentlich streng genommen gar kein Konzept ist, sondern vielmehr ein spiritueller Bewusstmachungsprozess, der unsere Einstellungen und unseren Umgang mit Alltagsdingen verändern kann und verändern will) muss nämlich in Eckharts Lehre von der zugrunde liegenden negativen Theologie (oder auch apophatische Theologie) abgegrenzt werden, da nicht jeder Vertreter der negativen Theologie von geistiger Armut spricht.
Wenn man also die Frage nach dem Gottesbild stellen möchte, dann findet man bei allen Vertretern der negativen Theologie die Antwort, die du in der obigen Aussage gegeben hat. Nämlich "das es nichts gibt was Gott umfassen kann... keines unserer Mentalen Gottesbilder... und überhaupt gar nichts ist dazu in der Lage Gott zu Umfassen. Auch keine Theologie. Keine Religion. Keine Kirche. Keine bibel und keine Schriften letztendlich...". Negative Theologie sagt also, dass man Gott nicht positiv bestimmen kann, weil positive Bestimmungen schlussendlich immer einschränkenden Charakter haben und der absoluten Transzendenz Gottes deshalb unmöglich gerecht werden können. Davon unterschieden ist geistige Armut daher weniger die Feststellung, dass man Gott nicht positiv bestimmen kann, sondern vielmehr die Aufforderung an den Gläubigen, dies auch auf keine Art und Weise zu tun.
Eckhart kennt drei Elemente der geistigen Armut: "nicht wollen", "nicht wissen" und "nicht haben". Dabei kann sich dann beispielsweise das "nicht haben" auf das Gottesbild beziehen, wobei die Aufforderung Eckharts eigentlich noch weiter geht, denn man soll nicht nur kein Gottesbild haben, sondern man soll grundsätzlich "Gottes quitt werden", wie Eckhart meint. Denn wenn der Mensch tatsächlich mit Gott eins ist, dann steht Gott selbstverständlich auch nicht mehr göttlich über dem Menschen. Gott hat ja keinen Gott...;-)
Naja ich finde das du an dieser Stelle vielleicht ein bisschen zu stark ins Emotionale gehst und das Erfahren von Gott offensichtlich auch ein bisschen davon abhängig machst, ob man als gläubiger Mensch dazu in der Lage ist, sich beständig von allen möglichen Dingen frei zu machen, oder nicht.
Aber bei Eckhart gibt es diese Art eines "Leistungsprinzips" nicht. Seine Kernaussage ist nicht, dass man sich beständig von Denk- und Vorstellungsbildern frei machen muss, um Gott erfahren zu können (insofern "Leistungsprinzip"), sondern er sagt vielmehr, dass Gott unmittelbar da und deshalb jedwede Erfahrung auch mit ihm verbunden ist. Es geht ihm sozusagen darum aufzuzeigen, dass Gott nicht außerhalb von einem ist, dass er nicht da oder dort (noch an irgendeiner anderen Stelle) ist, sondern eins mit uns.
Dieses "eins sein mit Gott" halte ich persönlich für das "zentrale Merkmal" und die Kernaussage des christlichen Glaubens, wie auch Jesus in Johannes 17,21 betont, als er sein Abschiedsgebet sprach:
"Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast."
Jo, das kann ich durchaus unterschreiben, wobei ich persönlich meine Vorstellung davon, was christlicher Glaube ist, jetzt nicht als das wahre Christentum bezeichnen würde. Im Gegenteil weiß ich ja, dass meine Vorstellung eine absolute Minderheitenvorstellung ist und die Mehrheit der Christen die ich kennengelernt habe, die Sündenvergebung als zentralen Aspekt des christlichen Glaubens betrachten, was ich aber nicht tue.
Ja, im Großen und Ganzen sehe ich das so, wie du es beschrieben hast. :-)
LG
Provisorium
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