Ich weiß nicht, ob du wirklich ein „einfach denkender Mensch“ bist oder nicht, NetKrel – und wenn es so wäre, würde ich daran keine Qualität festmachen in dem Sinne dass ich sage, ein einfaches Denken sei weniger „wert“. Aber ich weiß, dass ich manchmal dazu neige sehr abstrakt zu denken und mich dann auch noch oft unnötig kompliziert auszudrücken, insofern entschuldige.^^ Dazu kommt – und da ist deine Bemerkung zu dem „akademischen Anklang“ vermutlich nicht ganz unberechtigt – dass viele Überlegungen zu diesem Thema innerhalb der Philosophie bzw. innerhalb eines ethischen Diskurs diskutiert werden, und insofern sicherlich komplexer gestaltet sind. Und nicht jeder wird da sicherlich Verständnis oder auch nur Interesse an diesen Fragen haben. Es geht mir aber nicht darum dich zu widerlegen oder dich vorzuführen, vielmehr versuche ich nachzuvollziehen, nach welchen Kriterien du dein moralisches Handeln begründest. Vielleicht muss ich dazu meine Frage etwas näher erläutern.
Schau, aus jeder Überzeugung ergeben sich Konsequenzen, die im weiteren neue Fragen aufwerfen. Gerade bei „einfach gedachten“ Überzeugungen. Nehmen wir mal einen christlichen Fundamentalisten. Wenn er an die wörtliche Wahrheit der Bibel glaubt, dann ergeben sich aus diesem Glauben Konsequenzen, die uns oft stutzig machen und nachfragen lassen. Eben das machst auch du, wenn du in dem anderen Thema nachfragst, ob dann auch die Gesetze Moses akzeptiert werden. Und durch diese Frage lässt sich das Verständnis eines anderen nach und nach näher eingrenzen und ihn besser verstehen. Zum Beispiel weil man erkennt, warum der andere z.B. Moses Gesetz nicht akzeptiert und sein Denken besser versteht. Wobei es natürlich nicht immer eine Begründung geben muss – manchmal kann auch die Antwort sein, dass es ganz einfach so geglaubt wird.
In diesem (deinem) Fall interessiere ich mich nun für die Konsequenz, die sich aus deiner Überzeugung ergibt. Wenn nun in einer wie auch immer gearteten „Präexistenz“ Absprachen getroffen würden, was wäre die Konsequenz? Ich meine käme heute eine Frau auf mich zu und würde mir sagen, sie habe durch eine Rückführung eine Erinnerung an unser früheres Leben und wie wir uns zusammen mit unseren Eltern verabredet hätten, damit wir in diesem Leben als Mann und Frau zusammenleben können, dann wüsste ich zwar nicht genau, wie ich reagiere, bin mir aber recht sicher, dass ich nicht meine Familie sitzen lassen würde, um meine mit ihr getroffene Absprache einzuhalten. Und da frage ich mich, was für einen Wert hat deiner Meinung nach eine Absprache, wenn die Betroffenen sich nicht an die Absprache erinnern können? Und wie gehst du damit um, wenn jemand eine Absprache als Begründung anführt, um z.B. im sechsten Monat noch abtreiben zu können? (Z.B. wenn laut Mutter die Abmachung lautet, „wenn du gesund bist, trage ich dich aus, wenn sich Krankheiten zeigen, treibe ich dich ab“) Dabei geht es mir auch nicht darum, dass du alles wissen musst. Ich weiß ja auch nicht, ob dies nicht vielleicht doch möglich ist.^^ Es geht vielmehr darum, wie du mit solchen Fragen nach den Konsequenzen umgehst. Ob du z.B. eine Antwort hast, eine Antwort suchst oder es einfach als Mysterium hinnimmst.
Die andere Frage, die mich interessiert, ist woran genau ein anderer (z.B. wieder du) es festmachen, dass man in einem Fall von einer ungerechtfertigten Tötung spricht (wenn das Kind z.B. im 8 Monat ist), in einem anderen Fall aber Abtreibung nicht grundsätzlich ablehnt. (So habe ich dich verstanden) Denn die Entwicklung ist ein gradueller Prozess, ähnlich wie das wachsen. Es gibt keinen festen Punkt an dem ein Mensch klein ist und wann er groß ist. Es sei denn wir bestimmen einen. Und dann wäre dir Frage, wieso gerade dieser Punkt. Wie rechtfertigen wir diesen Punkt? Oder setzen wir ihn willkürlich?
Ähnlich ist es in der Frage nach der Abtreibung. Auch hier wäre die Frage, insofern die Entwicklung eines Menschen ein gradueller Prozess ist, wie bestimmen wir den Punkt, ab dem eine Abtreibung unmoralisch wäre. Wie begründen wir diesen Zeitpunkt? Ein Beispiel für ein Kriterium hat Sunigol genannt – der Fötus sieht rein optisch erkennbar menschlicher aus. Hast du ein ähnliches Kriterium? Und ab wann glaubst du findet die Seele ihren Platz im sich entwickelnden Fötus?
Oder kannst du mit solchen Gedankenspielen gar nichts anfangen – dann entschuldige. Ich hoffe aber, ich konnte meine Absichten etwas erklären.
Lieben
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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