
Zitat von
NetKrel
Meinst Du damit dass, in Deinen Augen, Jesus die (Betonung) ---> mosaischen Gesetze Anerkannte... als von Gott gegeben.... und sie muessten eingehalten werden... und er waere gekommen um "sie zu ganz zu erfuellen"?
Dann haetten wir beide allerdings ein sehr unterschiedliches "Jesus Bild" :-)
In meinen Augen (die Evangelien gelesen) hatte Jesus eine ziemlich andere Ansicht was "Gesetz Gottes" ist... als das "mosaische Verstaendnis"
Die Frage lässt sich aus zwei Blickwinkeln beantworten. In der jüdischen Tradition stehen die Gesetze nicht alleine, sondern wurden vielfach diskutiert, ausgelegt und kommentiert. Hier ist gerade auch das Bibelwort interessant, nachdem Jesus davon sprach, dass er nicht gekommen ist das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen. Der Ausdruck „auflösen“ bzw. „zerstören“ und. „zu erfüllen“ ist aber eine im hebräischen Sprachraum oft anzutreffende Formulierung innerhalb der rabbinischen Streitgespräche, mit denen man die Auslegung! seines Gegenübers kommentiert. Wer also das Gesetz falsch auslegte, dem warf man vor es zu zerstören, die richtige Auslegung aber „erfüllte“ das Gesetz, wurde diesem also gerecht. (Im Deutschen verwenden wir einen ähnlichen Ausdruck wenn wir davon sprechen, dass jemand eine Erwartung erfüllt hat)
Grundsätzlich glaube ich daher schon, das Jesus die Gesetze und Weisungen der jüdischen Schriften (welche zum Teil als AT übertragen wurden) als von Gott stammend angesehen hat. Ich könnte mich auch nicht erinnern, dass er je die jüdischen Schriften verworfen oder gar geschmäht hat, noch weniger, dass er sie z.B. in den Dreck geworfen hätte. Und Jesus wird nicht gerade zimperlich dargestellt. Nein, im Gegenteil hat auch Jesus nach den Erzählungen immer wieder mit der Schrift argumentiert bzw. sich auf diese und andere rabbinische Schriften bezogen.
Dies kann man nun christlich-theologisch lesen, dass Jesu in seinem Wirken ein neues Verständnis für das Gesetz geschaffen hat, indem er eben den Fokus weg von der Form des Gesetzes und hin zu der tieferen Bedeutung des Gesetzes legte, dass nämlich niemand aus sich selbst heraus vor Gott gerecht werden kann, sondern wir alle die Vergebung brauchen, die wir nur in der Liebe zu Gott finden können. Also nicht die Einhaltung de Gesetze einen Menschen fromm machen, sondern der Umstand, dass er in Liebe das Gesetz zur Anwendung bringt oder eben auch nicht.
Aber du hast recht, davon abgesehen haben wir ganz sicher ein recht unterschiedliches Verständnis der Person Jesu. Womit ich auch direkt etwas zu deiner zweiten Frage schreibe, nämlich warum ich die mosaischen Gesetze als gottgegeben und Jesu Anerkennung derselben verteidige. Schau, und das sage ich ohne Wertung, du bist bemüht Jesus im Sinne deiner Glaubenslehre bzw. dessen was du für Wahrheit und gerecht findest zu vereinnahmen. Er ist in deinen Augen ein „Erleuchteter“, der darum unmöglich den Gesetzen Moses zustimmen konnte. D.h. du trittst bereits mit gewissen Erwartungen an die Person Jesu heran, und bist daher natürlich gezwungen eine entsprechend andere Interpretation zu finden. Ohne dass ich diese bewerten will, es geht mir nur um eine Erklärung.
Ich hingegen lese die Schrift als Zeugnis von Menschen. Lehne ich die Gesetze Moses ab? In großen Teilen sicherlich. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass die jüdischen Schreiber durchaus an die göttliche Quelle der Gesetze glaubten. Und auch wenn wir heute viele Aspekte dieses Glaubens ablehnen, denke ich doch, dass auch Jesus ganz normaler Mensch seine Zeit war und als solcher auch Teilhabe an den Überzeugungen seiner Zeit hatte – vielleicht mit einigen Ansichten, aufgrund derer er in seiner Zeit als Visionär gelten mag. Und ich glaube, dass die Schriften des NT sehr stark von der Absicht seiner Anhängerschaft geprägt sind, Jesus als Gottessohn zu verklären. Ich weiß nicht, ob Jesus wirklich ein so großes Vorbild war. Was über den „historischen Jesus“ bekannt ist, ist schon einiges, aber es zeichnet ihn eher als Menschen seiner Zeit. Und vieles im NT lese ich nicht als Tatsache oder als Zeugnis dessen, was Jesus gesagt hat, sondern als Zeugnis dessen, wie die Autoren Jesus darstellen wollten. Die „redaktionellen“ Einflüsse der Autoren lassen sich hier z.T. sehr gut nachvollziehen. Es ist fast so, als würde ein absolut katholischer und papsttreuer Biograph das Leben von einem beliebigen Papst kommentieren. Wie würdest du dessen Glaubwürdigkeit beurteilen? Und nun stelle dir die Frage noch einmal in Bezug auf eine Zeit, in der historische Genauigkeit kaum jemanden interessierte sondern Darstellungen fast immer auch einer Intension des Schreibers diente, der sich kaum Sorgen machen musste, dass man ihn ob seiner redaktionellen Freiheiten verurteilen würde oder ihm seine Titel aberkennt?^^
Das ist übrigens ein Punkt, den ich starangel gegenüber schon angesprochen hatte, und den ich interessant finde. Denn scheinbar fällt es euch beiden zumindest nicht schwer anzunehmen, dass die Kirche oder allgemeiner die Elite ihrer jeweiligen zeit die Bibel radikal verfälscht haben. (Ob nun Moses oder das NT) Aber wenn ihr schon Fälschungen für möglich haltet, ist euch noch nicht in den Sinn gekommen, dass auch das positive, das man Jesus zuschreibt möglicherweise „gefälscht“ ist?
Ich verteidige also nicht die mosaischen Gesetze, sondern nur die genaue Deutung der Bibel, so wie ich sie erfasse. Daraus ergibt sich für mich auch kein Widerspruch, denn die Bibel ist ja für mich nicht das Fundament meines Glaubens, wenn du also sagen würdest, nach einem solchen Verständnis der Schrift könntest du sie nie glauben oder einen solchen Jesus könntest du nie als Erleuchteten ansehen, dann wäre meine Antwort „ob du dies kannst oder nicht ist dir überlassen, ich jedenfalls tue es nicht und es wäre auch nicht meine Absicht eben diesen Glauben zu verteidigen“. Darf ich dich erinnern NetKrel… ich bin kein Christ. Und das nebenbei bemerkt hat sicherlich auch seine Gründe.^^
Lieben Gruß
Lior
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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