Netkrel, die Ansprüche der römischen Kirche auf Vorherrschaft und unfehlbare Wahrheit sind alt, da hast du völlig recht. Neu war 1871 aber, dass sie allein auf die Person des jeweiligen Papstes bezogen wurden. Siehst du den Unterschied? Der Papst allein kann seitdem bestimmen, was als wahr zu gelten hat. Er braucht dazu kein Konzil und keinen anderen Menschen mehr zu fragen.
Auch der bis dato gültige Grundsatz, dass die Bischöfe selbständig ihr Bistum leiteten, war damit aufgehoben, der Papst ist weltweit oberster Chef und kann sich in jede interne Angelegenheit einmischen, wenn er will.
Außerdem scheinst du den Begriff Dogma nicht ganz verstanden zu haben. Im heutigen Sprachgebrauch nennt man vieles "dogmatisch", aber die katholische Kirche hat hier eine ganz genaue Definition, und längst nicht alles, was sie sagt, hat den Rang eines Dogmas. Informier dich da bitte mal. "Normalen" Äußerungen der Kirche kann man durchaus widersprechen oder anderer Meinung sein, aber wer gegen ein Dogma verstößt, ist ein Ketzer und fährt automatisch zur Hölle, so einfach ist das.
Zusammengenommen war das eine ganz neue Qualität der Einflussnahme.
PS: Vielleicht ist das hier auch wieder so eine "akademische Haarspalterei", die du nicht magst. Aber manchmal kommt es eben auf Genauigkeit an, ob dir das nun passt oder nicht.
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