Hallo und schönen guten Abend liebe Gnadenkinder,

ich möchte gerne ein paar provisorische Gedanken in die Diskussion einbringen und weil ihr euch bzgl. des Threadthemas schon so fleißig unterhalten habt, muss ich zunächst mal einige Posts zitieren, damit bewusst werden kann, wozu ich gerne konkret etwas sagen möchte:

Mit folgenden Worten hat ja zunächst starangel das Threadthema eröffnet:

Zitat Zitat von starangel Beitrag anzeigen
In einem andern Forum bin ich auf die interessante These gestossen. Nämlich, dass Paulus mit dem Wort vom/am Kreuz1. Kor. 1.18 den Sinn, die Aussage der Inschrift gemeint habe. Also dass wer Jesus hochachtet wie einen König, auf seine Lehren hört und vertraut, dem wird es zur Gotteskraft, doch wem es als Torheit vorkäme dies zu tun, würde zu den Verlorenen zählen.
Und Sunigol erwiderte darauf:

Zitat Zitat von Sunigol Beitrag anzeigen
Hallo starangel,
ich glaube, das ist eine Fehlinterpretation. Ich habe (auf bibleserver.com) mehrere Übersetzungen gelesen, und der Tenor ist für mich ganz klar, dass der Verfasser hier das Sterben Jesu am Kreuz meint und nicht die Holztafel, die drangehangen hat. Einige Versionen kann man auch in deinem Sinne verstehen, aber andere eindeutig nicht.
Woraufhin net.krel eine weitere, mögliche Interpretation von 1.Kor.1:18ff postete, diese aber zugleich persönlich ablehnte:

Zitat Zitat von net.krel Beitrag anzeigen
Ich fass "diesen Dorn" mal in einem kurzen Satz zusammen: "Gott sandte Jesus nach Israel extra deshalb, damit er als "potentielles" Suehnopfer fuer die Suenden 'vieler' am Kreuz stellvertretendes mit seinem (biologischen?) Blut bezahlt. Wer daran zu Lebzeiten glaubt dem, und aussschlieslich nur dem, vergibt Gott all seine Suenden. Auch all seine "Hidden-Suenden" die sich der Suender erst noch gar nie Bewust war. Und alle die nicht drann glauben: Hoelle/Verdammnis/2.Tod."

Also das ist der Dorn...

Und das konnte Paulus, in unserern Augen zumindest, gar nicht gemeint haben mit "dem Wort vom Kreuz"...
Was nun wieder Sunigol dazu veranlasste die Frage zu stellen:

Zitat Zitat von Sunigol Beitrag anzeigen
Aber was hat er dann gemeint? Die Formulierungen sind doch ziemlich eindeutig, oder?
So, nachdem ich nun den Verlauf der Diskussion bis zu diesem Punkt "nachgezeichnet" habe, möchte ich nun gerne meine persönliche Meinung mitteilen. :-)

Ich sehe es nämlich eher so wie Sunigol und würde die Verse des Paulus jetzt nicht so interpretieren, als hätte er mit dem Ausdruck "Wort vom Kreuz" die "Inschrift über dem Kreuz" gemeint. Gleichwohl halte ich diese Form der Interpretation jetzt auch nicht für völlig daneben und grundsätzlich unmöglich. Ich verstehe die Bibelstelle 1.Kor.1:18ff aber ein bisschen anders und möchte sie deshalb gerne kurz im Kontext zitieren, damit ich dann erläutern kann, was ich persönlich meine:

Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verlorengehen; uns aber, die wir gerettet werden, ist es eine Gotteskraft; denn es steht geschrieben: »Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen«. Wo ist der Weise, wo der Schriftgelehrte, wo der Wortgewaltige dieser Weltzeit? Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt durch [ihre] Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Verkündigung diejenigen zu retten, die glauben. Während nämlich die Juden ein Zeichen fordern und die Griechen Weisheit verlangen, verkündigen wir Christus den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, sowohl Juden als auch Griechen, [verkündigen wir] Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes ist stärker als die Menschen.

Also ich persönlich kann in diesen Worten, wie gesagt, nun keinen direkten Bezug zur "Inschrift über dem Kreuz" erkennen, aber ich erkenne darin auch keine "Kreuzestheologie", so wie sie net.krel in seinem Zitat oben als "Dorn" bezeichnete und skizzierte, sondern in dem gesamten Textabschnitt geht es meiner Meinung nach um "Gegensatzpaare", wie "verlorengehen" versus "gerettet werden", oder "Weisheit" versus "Torheit", oder auch "Schwäche" versus "Stärke".

Diese "Gegensatzpaare" stehen in einem Sinnzusammenhang, der sich meiner Meinung nach erst dadurch erschließen lässt, wenn man die Bibelstelle aus dem Propheten Jesaja berücksichtigt, auf die sich Paulus in 1.Kor. 1:18,19 (
»Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen«) bezieht. Dort heißt es (Jesaja 29;14):

...siehe, so will auch ich künftig mit diesem Volk wundersam, ja überaus wundersam und verwunderlich umgehen; und die Weisheit seiner Weisen soll zunichte werden und der Verstand seiner Verständigen unauffindbar sein.

Das, was also laut diesem Jesaja Zitat zunichte werden soll und dementsprechend auch meiner Meinung nach von Paulus im 1. Korintherbrief gemeint ist, ist die Weisheit der Weisen und der Verstand der Verständigen! Die Weisheit und der Verstand gehen also verloren, nicht aber die Weisen oder Verständigen (respektive diejenigen, die sich für weise und verständig halten)! Eine Kreuzestheologie, so wie sie oben net.krel skizzierte und in der die "Kreuzesgläubigen" in den Himmel kommen (gerettet werden) und die Ungläubigen in die Hölle (verlorengehen) ist an dieser Stelle also nicht gemeint!

Was nun aber ist konkret gemeint? Nun, Paulus zählt in der Korintherstelle ja, wie gesagt, "Gegensatzpaare" auf und dies im Kontext mit der zitierten Jesajastelle. Dort heißt es im ersten Teil: "siehe, so will auch ich künftig mit diesem Volk wundersam, ja überaus wundersam und verwunderlich umgehen...

Was ist denn da so wundersam, ja so überaus wundersam und verwunderlich ? :-) Es ist das Wort vom Kreuz - das Wort vom Kreuz ist so überaus wundersam und verwunderlich!

Denn durch das Wort vom Kreuz verwirft der Herr die Weisheit der Weisen und den Verstand der Verständigen. Deren Weisheit und Verstand gehen verloren (nicht aber sie selbst!), was Paulus weiter so begründet: Er sagt:

Denn weil die Welt durch [ihre] Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Verkündigung diejenigen zu retten, die glauben. Während nämlich die Juden ein Zeichen fordern und die Griechen Weisheit verlangen, verkündigen wir Christus den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, sowohl Juden als auch Griechen, [verkündigen wir] Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes ist stärker als die Menschen.

Der Verstand und die Weisheit der Juden und der Griechen geraten Angesichts des Kreuzes an ihre Grenzen. Das Kreuz ist den Juden nämlich ein Ärgernis und den Griechen ist es eine Torheit, denn jeder Jude weiß, dass es in 5.Mose 21,23 heißt: »Verflucht ist jeder, der am Holz hängt« und die Griechen hielten diese ganze Geschichte von "einem Gott, der ans Kreuz genagelt wird" für absolut verrückt, denn deren Vorstellung von Gott war mit dem Bild eines Gekreuzigten (Menschen!) unvereinbar. Diese Geschichte vom Kreuz war also beiden, Juden und Griechen, wirklich wundersam, ja überaus wundersam und verwunderlich!

Und genau darauf zielt Paulus ab, als er seine "Gegensatzpaare" im Ersten Korintherbrief entwirft. Es wird dort aber niemandem mit der Hölle gedroht, oder eine "Erlösung allein durch den Glauben an ein Sühneopfer das am Kreuz starb" propagiert, sondern vielmehr kommt in den Versen eine bekannte Botschaft Jesu zum Ausdruck, wie wir sie z.B. im Gleichnis aus Matthäus 20 "Von den Arbeitern im Weinberg" her kennen. Dort heißt es in Vers 16, dass die Letzten die Ersten sein werden und die Ersten die Letzten, was meiner Meinung nach nicht nur ähnlich klingt, sondern letztlich auch Ähnliches vermitteln möchte, wie die von Paulus genannten "Gegensatzpaare".

Jo, soweit mal mein provisorischer Kommentar zum Thema. :-)

Zum Schluss mag ich mich aber gerne noch kurz an Lior wenden, denn von dir habe ich folgendes gelesen:

Zitat Zitat von Lior Beitrag anzeigen
Auf dem Umstand, dass jene die seinen Tod vorantrieben teilweise als Mörder und Verräter bezeichnet werden, nun die Vorstellung aufzubauen, die Schreiber der Evangelien hätten dieses Schicksal als von Gott nie gewollt angesehen, halte ich offen gesagt für sehr fragwürdig. Im Gegenteil wird ja in mannigfaltigen Stellen nicht nur offenkundig, dass Jesu um sein Schicksal wusste und sich dem zufolge hätte entziehen können, (vgl. das Abendmahl und Jesu Aussagen zum bevorstehenden Verrat durch Judas), sondern auch, dass er dieses Schicksal zur Erfüllung der im AT vorhergesagten Ereignisse als notwendig akzeptierte. (vgl dazu Jesaja 53, Johannes 13, 18f, Markus 14,21)
Hinsichtlich der im AT vorhergesagten Ereignisse das Schicksal Jesu betreffend, wollte ich nur kurz anmerken, dass es, entgegen der im Christentum häufig vertretenen Meinung, in Jesaja 53 handele es sich um eine Prophezeiung das Sterben, die Passion, bzw. den Tod Jesu betreffend, sehr viel wahrscheinlicher/schlüssiger ist, dass mit dem dort angesprochenen "Gottesknecht" nicht Jesus, sondern das Volk Israel gemeint ist! Die Gründe dafür sind sehr gut unter folgendem Link zusammengefasst: https://auslegung.wordpress.com/2013...-in-jesaja-53/ Ich dachte mir, dass das für dich vielleicht von Interesse sein könnte. :-)

LG
Provisorium